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Filmstills aus der Serie Yellowjackets

Showtime/SKY

SERIE

„Yellowjackets“: Blutspritzer auf dem Flanellhemd

Aufwühlender Psychothriller, verstörender Folk-Horror und realistische Coming-of-Age-Story: Aus weiblicher Perspektive nähert sich die US-Serie mehreren Genres. Und macht fast alles richtig.

Von Christian Fuchs

Ein Flugzeugabsturz, eine Gruppe von Überlebenden, die sich in einer einsamen Gegend durchkämpfen muss, geheimnisvolle Dinge, die draußen in der Wildnis passieren: Serienfans denken da natürlich sofort an ein Wort. „Lost“ gilt noch immer als ultimative Mysterysaga mit ähnlicher Ausgangsposition. Aber „Yellowjackets“ ist kein bloßer Abklatsch des legendären Vorbilds.

Nicht nur verstört der realistische Tonfall, abseits gängiger Fantasy-Klischees. Auch auf protzige Alphamänner wie in „Lost“ verzichten die Serienmacher*innen Ashley Lyle und Bart Nickerson nämlich komplett. In „Yellowjackets“ dreht sich alles um weibliche Perspektiven.

Der Serientitel bezieht sich auf ein Team junger Fußballerinnen, die auf dem Weg zu einem wichtigen Match verunglücken. Irgendwo in der kanadischen Wildnis gestrandet, finden sich die Gelbjacken in einer scheinbar aussichtslosen Situation wieder. Angst und Aggressionen werden zu ständigen Begleitern der Mädchenrunde, zu der auch drei Burschen gehören. Die Fassaden der Zivilisation bröckeln ähnlich wie im pessimistischen Buchklassiker „Lord Of The Flies“.

Filmstills aus der Serie Yellowjackets

Showtime/SKY

Coming-of-Age-Gefühle und Kannibalismus

Die zehn Episoden der ersten Staffel, im deutschen Sprachraum via SKY zu sehen, pendeln konstant zwischen dem Katastrophenszenario im Jahr 1996 und der Gegenwart. Eine Reihe talentierter Jungschauspielerinnen schlüpft in die Rollen der Absturzopfer, vor allem Sophie Thatcher („The Book Of Boba Fett“) und Jasmin Savoy Brown („Scream 5“) möchte man hervorheben. Als ihre älteren Alter Egos brillieren die 90s-Stars Juliette Lewis, Christina Ricci und Melanie Lynskey, mit durchaus gezielten Querverweisen auf ihre früheren bissigen Erfolgsfilme.

Ein kollektives Trauma verbindet die unterschiedlichen Frauen im Hier und Jetzt. Bereits am Anfang der Pilotfolge, die von der fantastischen Karyn Kusama („The Invitation“) inszeniert ist, sehen wir den Grund für deren schlaflosen Nächte.

Eine junge Frau wird durch den Schnee gehetzt, von Verfolgerinnen in rituellen Tiermasken. Am Ende der Jagd steht ein furchtbarer Akt des Kannibalismus. Wer an Folk-Horror á la „Midsommar“ denkt oder an die besten Romane von Stephen King, mit ihrem Mix aus Coming-of-Age-Gefühlen und blankem Terror, liegt nicht falsch.

Filmstills aus der Serie Yellowjackets

Showtime/SKY

Teenage Angst und viele Fragen

Wer hat hier wen in der Eiseskälte verfolgt? Was bedeuten die seltsamen Symbole, die sich eingeritzt in Bäumen wiederfinden? Sind übernatürliche Kräfte im Spiel? Und wer erpresst die in die Jahre gekommenen Yellowjackets? Die Serie wirft, ganz im „Lost“-Modus, unzählige Fragen auf. Nur wenige werden bis zum vorläufigen Ende beantwortet, neue werden aufgeworfen.

Aber wie so oft ist auch bei dieser Serie die Reise das Ziel. Neben den großen Geheimnissen geht es nämlich vor allem um Teenage Angst, um Hormonschübe, unfreiwillige pubertäre Schwangerschaften, um juvenile Freundschaften, aber auch die auslaugenden Schrecken der Midlife Crisis.

Dabei verzettelt sich die erste Hälfte der Staffel manchmal, die eine oder andere Episode zieht sich unnötig. Diese Längen sind aber bald vergessen, denn zum Showdown hin schraubt sich „Yellowjackets“ in dramaturgische Höhen, parallel zum Abstieg der Protagonistinnen in erschreckende Abgründe.

Filmstills aus der Serie Yellowjackets

Showtime/SKY

Exzellente Auswahl von Indie-Songs

Vegane Zuseher*innen möchte man fast vor etlichen Tierschlachtungen warnen, die analogen Spezialeffekte sind dabei mindestens so gut wie bei den menschlichen Opfern. Irgendwann befinden wir uns in einer existentiellen Vorhölle, Beklemmung dominiert, die wie etwa in „Breaking Bad“ durch rabenschwarzen Humor aufgelockert wird.

Ein ganz zentraler Faktor der Serie ist aber auch die Tonspur. Eine mehr als exzellente Auswahl von Indiesongs der 90er untermalt den Mix aus Mystery und Charakterdrama, von den Smashing Pumpkins und Portishead bis zu erfrischenden Raritäten. „Yellowjackets“ ist dadurch auch die ultimative Nostalgieshow zur Ära von Nirvana und Trip Hop, heftige Blutspritzer auf dem Flanellhemd muss man aber in Kauf nehmen.

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