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Barbi Marković im FM4-Gästezimmer

René Froschmayer

fm4 gästezimmer

Barbi Marković präsentiert ihre Lieblingssongs

Dramaturgisch-geniale Songs, jugoslawische, feministische Volkslieder und der perfekte Song zum Putzen – die Schriftstellerin Barbi Marković präsentiert im FM4 Gästezimmer ihre Lieblingssongs.

Von René Froschmayer

Das FM4 Gästezimmer gibt es jeden Sonntag von 16 bis 17 Uhr auf Radio FM4 und für 7 Tage im FM4 Player.

Prokrastinieren ist nicht erst seit der Pandemie ein mehr oder weniger geliebtes Steckenpferd der Menschen. Es gibt halt so viel Besseres zu tun, als die Dinge zu erledigen, die man eh schon ewig vor sich herschiebt. Die verstaubte Gitarre aus der Ecke zu holen, zum Beispiel. Oder doch wieder eine Stunde nach der anderen auf TikTok zu verbringen. Man könnte aber auch endlich abchecken, ob der Plafond vielleicht doch ein regelmäßiges Muster hat.

Was könnte man mit dieser ganzen Zeit nur alles anfangen? Ein Buch lesen, zum Beispiel. Unter dem schönen und eingängigen Titel „Die verschissene Zeit“ ist der zweite Roman von Barbi Marković erschienen. Die Schriftstellerin hat darin ihre Jugend im kriegsgebeutelten Belgrad der 90er Jahre eingefangen.

Buchcover "Die verschissene Zeit"

Residenz Verlag

„Die verschissene Zeit“ ist 2021 im Residenz Verlag erschienen.

Aber „Die verschissene Zeit“ ist nicht einfach nur ein Coming-of-Age-Roman. Denn gerade die die Sci-Fi-Kompenente macht den Pop-Roman von Barbi Marković aus. Durch eine Explosion werden die Protagonist*innen zufällig durch die 90er hin- und hergeschickt. Nicht nur ihre Körper verändern sich mit den Zeitsprüngen, sondern auch ihre Umwelt – der Krieg bleibt nicht unbemerkt. Die Idee hinter dem Buch entstand durch ein mit Freund*innen konzipiertes Rollenspiel, das ebenfalls in Belgrad spielt.

Großstädte sind wiederkehrende Schauplätze in den Werken von Barbi Marković. In „Izlaženje“ verlegt die Schriftstellerin just Thomas Bernhards „Gehen“ in die neonbeleuchtete Belgrader Clubwelt. Wo viel Licht, da auch Schatten. Das Zurechtkommen in den Ballungszentren und die Einsamkeit, die die doch so belebten Metropolen schließlich mit sich bringen, beschreibt Barbi Marković in ihrem ersten Roman „Superheldinnen“. Als Bühnenfassung feierte „Superheldinnen“ 2017 im Wiener Volkstheater Premiere. Es folgten weitere Theaterstücke, die auch international aufgeführt wurden.

Aber nicht nur Rollenspiele zählen zu Barbi Marković’ Leidenschaften, sondern auch (gute) Musik. „Fast alle Songs, die ich gerne mag, gefallen mir wegen des Texts“, erzählt die Schriftstellerin im FM4 Gästezimmer. Was braucht ein Song, damit er in Barbi Marković’ high-rotation aufgenommen wird?

Ich mag gerne Songs, bei denen die Lyrics wie ein fertiges Drehbuch sind.

Im FM4 Gästezimmer präsentiert Barbi Marković die Songs, die bei ihr gerade on repeat laufen. Von feministischen Volksliedern bis zu einem Song, der eigentlich straight aus „Die verschissene Zeit“ stammen könnte.

Amyl an the Sniffers - „Knifey“

Barbi Marković: Das war überhaupt mein Lieblingsalbum letztes Jahr und das ist fast, als wäre es aus „Die verschissene Zeit“. Jemand, die eigentlich die Angegriffene ist („All I ever wanted is to walk in the park”) kommt dann aber aus der Ecke heraus mit einem kleinen Messer. „Here comes my knifey.“

Hope Tala - „All My Girls Like To Fight“

Barbi Marković: Ich wusste lang überhaupt nicht, wer Hope Tala ist. Sie scheint eine Künstlerin aus London zu sein. Den Song finde ich cool, weil es für mich so wie ein Inselparadies des Matriarchats ist.

Neko Case - „Margaret vs. Pauline“

Barbi Marković: In dem Song werden in wenigen Worten diese zwei Charaktere aus verschiedenen Klassen so schön skizziert. Auf der einen Seite haben wir Pauline. Sie ist ein bisschen reich und verliert zum Beispiel ihren Pullover in der Blue Line. Auf der anderen Seite haben wir Margaret, sie arbeitet in einer Fabrik. Da gibt’s diese Zeile: „Her jaw aches from wanting and she’s sick from chlorine. But she’ll never be as clean." Und sie verliert dann auch drei Finger in der Dosenfabrik. Ja, ein nettes Lied.

Janet Kay - „Silly Games“

Barbi Marković: Das ist ein Lied aus dem Jahr 1979. Erstens ist es einfach extrem lustig, weil es diese hilarious high-note gibt, die fast süchtig macht.
Aber zusätzlich zu dem Song will ich auch eine Serie mitempfehlen. Nämlich die Serie „Small Axe“ vom Regisseur Steve McQueen. Die zweite Folge der Serie ist die beste Folge aller Serien, die ich jemals gesehen habe. „Small Axe“ behandelt den Kampf der karibischen Immigranten in England, speziell in London. In der zweiten Folge wird eine Party gezeigt, bei der dieses Lied gesungen wird. Die Folge und Serie sind das Beste überhaupt, schaut euch die unbedingt an!

Vida Pavlović - „Ostala je pesma moja“

Barbi Marković: Das ist ein Volkslied aus Serbien von Vida Pavlović. Vida war eine Roma-Sängerin, die 1945 in Serbien, im ehemaligen Jugoslawien, geboren wurde. Sie hat viele Jahre körperlich harte Arbeit auf Feldern verrichtet und in Kafanas, das sind Tavernen, gesungen. Ich mag sie und ihre Musik, weil sie sehr viel über ihr Werk singt. In vielen Songs beschwert sie sich, dass es sie ankotzt, ständig in Kafanas zu singen. Ihre Kinder werden langsam erwachsen, während sie tagtäglich nachts arbeiten muss, um sie zu ernähren. Ich finde, das ist eine interessante Frauenposition. Das ist vielleicht der einzige explizit feministische Volksmusiksong, den ich jemals gehört habe. Darin geht um eine Frau, die auch wieder ihr Werk kontempliert.

James Blake - „Say What You Will“

Barbi Marković: Ich bin eigentlich kein Riesenfan von James Blake. Als er aufgetaucht ist, hat es mich schon überrascht – das war cool. Mit dieser Depro-Demut jetzt hat er mich wieder gekauft und ich finde dieses Lied super.
Ich stelle mir dabei vor, wenn ich in meinem Rahmen quasi so einen Misserfolg erlebe, dann kann ich auch sagen: So, jetzt singe ich für small crowds! Ich weiß nicht, ich finde es gut.

Crass - „Shaved Women“

Barbi Marković: Als ich circa 19 Jahre alt war, habe ich schon in einem Verlagshaus in Belgrad gearbeitet. Da gab es einen Grafiker, der nett war und mit uns jungen Menschen über Musik geredet hat. Er hat mich gefragt: „Was hörst du?“ Ich habe gesagt, Techno. Und er hat gesagt, ich soll „Shaved Women“ von Crass anhören. Davon habe ich einen ewigen Ohrwurm - schon seit zirka 20 Jahren. Immer wieder gehe ich auf der Straße und dann kriege ich plötzlich den Song ins Ohr.

The Smiths - „Jeane“

Barbi Marković: Der nächste Song ist der einzige, den ich von The Smiths noch hören kann. „Jeane“ ist ein up-beat song, den ich vor allem gerne beim Aufräumen höre. Da passen für mich auch die Lyrics sehr gut. „So how can you call this a home, when you know it’s a grave” – das ist, was mich motiviert, da stehe ich auf und beginne zu putzen. Und dann kommt dieses “We tried and we failed” und “It will never be clean”. Das ist mein Putzlied!

Norma Wright - „Go On Home“

Barbi Marković: Jetzt kommt ein seltener Song. Er ist ein Studio-One-Song von Norma Wright, die vielleicht außer dieser Single damals nichts Musikalisches mehr gemacht hat. Ich mag ihn, weil er so fehlerhaft ist. Die Lyrics sind sehr einfach. Es gibt diesen einen Moment, wo sie schreit und es komplett übersteuert. Ich bin einfach süchtig danach und könnte das Lied ständig hören!

Little Simz - „Boss“

Barbi Marković: Ich finde, „Boss“ ist ihr bisher bester Song!

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