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Filmstills aus "The Batman"

Warner

„The Batman“ ist ein nachtschwarzes Meisterwerk

Was im Comickino auch möglich ist: Ein Neo-Noir-Thriller zwischen „Se7en“ und „Blade Runner“, mit Robert Pattinson als stockdunklem Ritter.

Von Christian Fuchs

Manchmal müssen Filme gar keine große Geschichte erzählen. Stattdessen spinnen sie dich langsam in einen Kokon ein, verführen dich mit Bildern, Musik, Texturen, Looks. „The Batman“ ist so ein Film. Ich setze mich putzmunter zur Mittagszeit in die Pressevorführung und werde sofort von der speziellen Atmosphäre verschluckt.

Man muss natürlich die Welt grundsätzlich mögen, die Regisseur Matt Reeves in seinem Neo-Noir-Thriller referenziert. Wer aber die stylische Morbidität von David Finchers „Se7en“ liebt, wer die nachtschwarzen Momente in den Fledermaus-Abenteuern von Tim Burton und Christopher Nolan mochte, wer die Superhelden-Dekonstruktionen in „Watchmen“ schätzt, der kommt nun richtig auf seine Kosten.

Batmans Popkultur-Geschichte

Die ersten Batman-Abenteuer erschienen 1939 in dem US-amerikanischen Comicmagazin „Detective Comics“. Seitdem geistert der von Bob Kane erdachte und von Bill Finger gezeichnete Dunkle Ritter durch die Popkultur.

Seinen ersten epochalen Schauspiel-Auftritt hat Batman Ende der 60er Jahre im amerikanischen Fernsehen. Adam West zwängt sich in das Kostüm und jagt zusammen mit seinem Kumpel Robin (Burt Ward) bizarre Verbrecher. Der Tonfall der Batman-Serie ist eindeutig parodistisch.

So richtig erobert der Fledermaus-Mann aber erst 1989 die Leinwand. Michael Keaton kämpfte unter der Regie von Tim Burton mit dem Joker. Erst mit der Fortsetzung „Batman Returns“ gelingt Burton aber ein Meisterwerk, ein morbides Märchen mit Gothic-Touch. In den 90er Jahren blamieren sich Val Kilmer und George Clooney in lächerlichen Anzügen und peinlichen Filmen. Regisseur Joel Schumacher versucht tollpatschig den campy Batman der 60er aufleben zu lassen.

Danach verdunkelt sich der Blick auf Gotham City. In seiner genialen Dark-Knight-Trilogie erfindet Christopher Nolan die Figur neu. Christian Bale prügelt sich in einer realistischen Kulisse mit Ganoven, der Schatten von 9/11 hängt über der Reihe. Ben Affleck kann als Sidekick von Superman in Zack Snyders Filmen nur verlieren dagegen, schlägt sich aber würdig.

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Abgründiger Sog ohne Ironie

FM4 Podcast Film Podcast (Filmpodcast)

Radio FM4

Der FM4 Filmpodcast spricht am 7.3.2022 ausgiebig über The Batman & The Card Counter: Einsame Antihelden sind das Überthema der heutigen Episode. Pia Reiser, Christian Fuchs und special guest Lilian Moschen aus der ORF-Kulturredaktion reden über Maskulinität und Vigilanten-Weltbilder. Anlass sind die neuen, höchst unterschiedliche Filme von Paul Schrader und Matt Reeves, die beide von asketischen Einzelgängern handeln. Zu hören um Mitternacht auf FM4, im Player und als Podcast.

Ein bleicher Robert Pattinson schwebt melancholisch durch eine Metropole, deren Name Gotham noch nie so viel Sinn machte. Die Geister von „The Crow“ und „Blade Runner“ leben in den regennassen Straßen dieser Stadt. Und der Soundtrack lässt immer wieder Nirvana erklingen. „Something in the Way“ als neuer Schlüsselsong für einen Batman mit gequältem Blick. Die Hindernisse, die sich Bruce Wayne entgegenstellen, sind gewaltig.

Das mag für Skeptiker nach hohler Pose klingen und einer erzwungenen Düsternis um jeden Preis. Aber Matt Reeves, der schon in seinen Beiträgen zur „Planet of the Apes“-Saga mit heiligem Ernst punkten konnte, zieht seine Vision streng durch. Wenn man dachte, dass mit Nolans Dark-Knight-Trilogie ein existentialistischer Endpunkt erreicht war, dann präsentiert uns „The Batman“ nun den stockdunklen Ritter.

Kein ironischer Oneliner passt in diesen Film, keine befreienden Lacher stören seinen abgründigen Sog. Eine Art der Radikalität flackert auf, die im humorverliebten Marvel-Universum undenkbar wäre, beim DC Konzern aber nach Großtaten wie „Joker“ oder „The Suicide Squad“ fast schon zum guten-anarchischen Ton gehört.

Filmstills aus "The Batman"

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Einbruch der Wirklichkeit

Wenn du dann ganz von diesem Kokon aus fantastischer Finsternis umhüllt bist, tief drin in diesem Film in dem viele tiefe Stimmen brummen und wenig Tageslicht zu sehen ist, weg von der wahnwitzigen Realität außerhalb des Kinosaals, bricht die Wirklichkeit auch in „The Batman“ ein.

Und Matt Reeves erzählt in seinem eskapistischen Blockbuster eine Geschichte von Gewalt, Terror und Hoffnung, die perfekt ins Hier und Jetzt passt. Eine Verschwörungsstory in den höchsten Kreisen von Gothams Stadtpolitik, eine eisige Fabel, die von Korruption, Mord und einem traumatischen Familienerbe handelt. Wenn gegen Ende ein Mob aus Wutbürger*innen auf die Straßen geht, werden Assoziationen zum Sturm auf das Kapitol und diverse Corona-Demos wach. Ach ja, die feindosierte Action sorgt für Gänsehaut statt üblicher Übermüdung.

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Somnambuler Bruce Wayne, ebenbürtige Catwoman

Auch die Besetzung ist ein Traum. Robert Pattinson, den längst der Weg von der „Twilight Saga“ ins gediegene Arthouse-Reich führte, ist ikonisch inszeniert. Wenn er als somnambuler Bruce Wayne mit in einer Tim-Burton-Villa beim Frühstück sitzt und ihm die verwuschelten schwarzen Haare in die Stirn fallen, stilgerecht mit Sonnenbrille, wird der Milliardär zu einem Charakter aus einem Video von The Cure.

Paul Dano schreibt sich als geisteskranker Riddler in die Galerie der bedrohlichsten Batman-Bösewichte ein. Jeffrey Wright und Andy Serkis erden mit ihrer Präsenz den Film als Inspektor Gordon und Helfer Alfred. Zoe Kravitz stiehlt als Catwoman allen die Schau, auch oder gerade weil ihre Figur weniger kinky und verspielt angelegt ist als in anderen Filmen, sondern als ebenbürtige Partnerin/Gegenspielerin des Titelhelden.

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Drei Stunden vergehen wie im Fledermaus-Flug

Auch kleine Nebenrollen sitzen. Colin Farrell gibt in unkenntlichem Make Up einen schmierigen Pinguin, der tolle Peter Saarsgard funkelt als Staatsanwalt, John Turturros Mafiaboss ist direkt einem Streifen der Coen-Brüder entstiegen, Jayme Lawson begeistert als resolute Bürgermeister-Kandidatin.

Obwohl ich mich vor überlangen Filmen eigentlich fürchte, vergehen die drei Stunden wie im Fledermausflug. Michael Giacchinos minimalistisches Musikthema bleibt noch lange wehmütig im Kopf, den berühmten Soundtracks von Danny Elfman und Hans Zimmer ebenbürtig. Wird das Pendel nach so viel geballter Darkness demnächst wieder in Richtung Camp und Parodie ausschlagen? Wir werden sehen. Eines ist sicher: Batman, die Pop-Ikone, der James Bond unter den Superhelden, kehrt definitiv zurück.

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