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Vorlesung an der Universität (Lizenz via GE)

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maximilian Werner

Das wäre über Zoom nicht passiert

Der Professor in der Vorlesung am Montag spricht nur mit FFP2-Maske. Er müsste zwar nicht und es klingt alles etwas dumpf, beim aktuellen Infektionsgeschehen ist das aber wohl die richtige Entscheidung. Das sieht man auch noch am Ende der Woche. Immer wieder sind in den letzten Tagen E-Mails mit Benachrichtigungen über Covid-Fälle an der Universität eingetrudelt. Insgesamt werden es 12 in meinen vier Lehrveranstaltungen an der Uni gewesen sein.

Eine Kolumne von Maximilian Werner

Mir ist bewusst, dass ich an dieser Stelle (zu Beginn des Studienjahres) immer wieder für die Öffnung der Präsenzlehre für alle plädiert habe. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher. Damals hat sicher auch das fehlende „Studentenleben“, wie man es sich halt brutal kitschig vorstellt, im Traum von der Uni vor Ort mitgespielt. Der Unterschied zu heute: Mittlerweile ist das Studentenleben auf allen Ebenen vorhanden. Wir verabreden uns vor, nach und während der Vorlesungen und Übungen, wir treffen uns zufällig an U-Bahnsteigen, trinken Bier miteinander und das auch, ohne zuvor zwei Stunden im Hörsaal gesessen zu sein. Weil heute kein Lockdown mehr ist.

Gleichzeitig haben wir gelernt, mit der Lehre aus dem Bildschirm umzugehen. Manche müssen sich keine teure Wohnung in der großen Stadt mehr leisten, weil sie alles von zuhause mitverfolgen können. Manche können sich das teure Leben in der großen Stadt besser finanzieren, weil sie Job und Studium wegen der höheren Flexibilität leichter unter einen Hut bekommen. Und manche genießen es einfach, länger schlafen zu können und sich noch im Bett liegend von Rechtsgeschichte oder Theorien internationaler Politik berieseln zu lassen.

Ich kann und möchte nicht dementieren, dass das auch auf mich zutreffen könnte. Das beste Argument dafür, die Online-Lehre weiterzuführen, hat mir eine Professorin geliefert: Manche können einfach noch nicht auf die Uni zurückkehren, sei es aus familiären oder gesundheitlichen Gründen. In Hinblick darauf ist es zumindest hinterfragenswert, das ganze Online-Programm wieder einzustampfen, besonders was die großen Lehrveranstaltungen ohne Anwesenheitspflicht betrifft.

Dann wäre mir aber wahrscheinlich der erste richtige Tag am Hauptgebäude am Ring verwehrt geblieben: Ich habe komplett versagt. Rein über den großen Eingang, über irgendeine große Stiege irgendwohin, komplett verschwitzt in irgendeinem Gang am falschen Ort angekommen – benutzerfreundlich erschienen mir die Wegbeschreibungen nicht zu sein. Wir standen dann jedenfalls vor einer großen, schweren Holztür, die sich nicht öffnen ließ und konnten über den Stream mitverfolgen, wie die Vorlesung drinnen losging. Bitte stellen Sie sich jetzt 50 komplett gestresste Zweitsemestler*innen an ihrem ersten richtigen Tag an der Uni vor. Sie wissen, wie die Stimmung gewesen sein muss.

Eine zweite mentale Glanzleistung hab ich drei Tage später vollbracht, als ich eine Viertelstunde lang einen Raum gesucht habe, den es nicht gibt. Das ist doch komisch, denken Sie sich jetzt, oder? Richtig. Aber auch nur, weil ich im falschen Gebäude war. Also wieder raus, drei Straßen weiter, da noch schnell fast angefahren worden, in einen vierten Stock hochgesprintet, schon wieder zu spät, wieder durchgeschwitzt, gefragt worden, wo ich gewesen sei, gesagt, dass ich doch nur drei Straßen weiter war, ungläubig angeschaut worden, alles Essentielle verpasst. Es wird nicht besser. Das wär via Zoom natürlich niemals passiert. Irgendwann wird alles besser.

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