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Parov Stelar

Parov Stelar

Parov Stelar im Interview

Der Musiker spricht über Streaming, Spiritualität, perfektes Timing und sein neues Album „Moonlight Love Affair“.

Von Susi Ondrušová

Der zehnfache Amadeus-Award-Preisträger Parov Stelar wollte sich vom eher „düsteren“ Grundton des vorigen Albums in Richtung Optimismus bewegen. Die Melancholie lässt ihn nicht los, der Schmerz ist „bittersüß“, wie er sagt, aber „die Welt öffnet sich wieder“.

Das hat Marcus Füreder aka Parov Stelar auch bei den erst vor kurzem absolvierten Liveterminen im Wiener Konzerthaus gespürt. „Das Publikum war fantastisch. Sie haben uns getragen!“ Im Interview spricht er auch über sein zweites Standbein, die Malerei, über Spiritualität, perfektes Timing und die Gastmusiker*innen auf „Moonlight Love Affair“.

FM4: Ich würde gerne bei der Kunst anfangen. Du hast an der Linzer Kunstuni studiert und letztes Jahr dann erstmals deine Bilder ausgestellt. Mein absurder Wunsch wäre, dass du den Hörer*innen, die dich nur als Musiker kennen, mal beschreibst, wie deine Bilder ausschauen.

Parov Stelar: Extrem düster! Wie die Ausstellung eröffnet worden ist im Museum in Linz, ist eine Dame älteren Semesters zu mir hergekommen, hat mich an der Hand genommen und gesagt: „Geht’s Ihnen eh guat?“ Die Bilder sind ja schrecklich. Ich meine, sie gefallen mir, aber sie sind sehr düster. Ich habe nicht anders können, tut mir leid.

FM4: Ist das auch ein bisschen ein Ausgleich zu Corona gewesen, während das rastlose Tourleben on hold war?

Parov Stelar: Hm, was es dann eigentlich war, weiß ich nicht! Das war jetzt zwar eine erzwungene Pause, aber ich wollte immer so eine Tourpause haben. Plötzlich waren keine Termine zum Reisen, und die Malerei ist immer groß gewesen bei mir. Da hab ich dann wirklich Zeit gehabt. Es war jetzt aber auch nicht die positivste Zeit global gesehen. Ich habe versucht, meine Dämonen ... also ich hab mir gedacht, es ist gscheiter, der pickt auf der Leinwand als in mir.

Parov Stelar

Parov Stelar

FM4: Es ist sehr viel über „Relevanz“ geredet worden in den letzten zwei Jahren und darüber, welche Kulturveranstaltungen in welchem Rahmen überhaupt stattfinden können. Was denkst du nach zwei Jahren Pandemie über deinen Beruf als Musiker? Hat sich dein Blick auf das, was Musik wert ist, verändert?

Parov Stelar: Ich hab immer schon die Vermutung gehabt, dass Kunst relativ weit hinten eingereiht wird aus Politikersicht. Ob das jetzt die bildende Kunst ist, ob das Musik ist. Gleichzeitig muss ich sagen, es ist wahrscheinlich sicher nicht einfach gewesen, auch für die politische Landschaft. Ich habe mich da nicht zu sehr vertieft. Aber es kommen dann halt schon so komische Momente, wo du denkst: Okay, der Baumarkt, der ist okay, aber das Konzert ist noch böse. Natürlich kann man das nicht mit einem Statement so abklären. Da gibt es wahrscheinlich tausend verschiedene Einflüsse.

Was mich am meisten gestört hat - wie jeden, glaube ich, der ein bisschen in eine spirituelle Richtung geht, und da rede ich nicht von Verschwörungstheorien und so -, mir hat die Liebe gefehlt in dem ganzen Ding. Wie umgegangen wird. Eigentlich waren es nur Verbote und Regeln, und ich hab nicht gespürt, dass da was für die Menschen gemacht wird. Das ist aber ein großer Teil, den Künstler machen.

FM4: Bist du denn ein sehr spiritueller Mensch? Was bedeutet „Spiritualität“ für dich?

Parov Stelar: Für mich ist die Spiritualität nichts anderes, als dass ich sag, ich bin davon überzeugt, dass es mehr gibt als die Dinge, die ich offensichtlich sehen kann. Jeder Mensch, der durch eine Krise geht, wird plötzlich auch mit Dingen konfrontiert, wo er sich vielleicht denkt, woher kommt es? Ich bin so aufgewachsen. Durch meine Mutter, die ist ein sehr spiritueller Mensch und ich hab sehr viele Richtungen gesehen, die auch helfen können. Es ist ein schwieriges Thema. Ich glaube, ich lass das so stehen: Es gibt Dinge für mich, die man vielleicht nicht sehen oder spüren kann physisch, und die wirken sehr wohl auf uns ein.

Parov Stelar

Christine Miess

FM4: Streaming ist auch ein Thema, wo man sehr schwer „eine“ Antwort findet. Einerseits ist Streaming so wichtig für Musiker, andererseits verdienen in diesem ganzen Streaming-Game mit Plattformen, die im Besitz der größten Plattenfirmen sind, nur Künstler mit Billionen Plays und alle anderen können sich - verkürzt gesagt - vielleicht mal einen Kaffee von ihren Einnahmen leisten. Wie wichtig ist Streaming für dich?

Parov Stelar: Prinzipiell denke ich mir, der Grundgedanke ist kein schlechter gewesen, aber wir stehen jetzt dort, dass du ausgeliefert bist. Kommst du in eine Playlist rein, dann wirst du gehört. Wenn nicht, gehst du unter mit dem ganzen Ding. Du merkst, das kann eigentlich keiner mehr beeinflussen, außer du stehst ganz oben im Musikbusiness, in der Nahrungskette. Dann kannst du vielleicht was machen. Aber ansonsten? Es ist schon sehr schwierig geworden, gerade für diesen Indiebereich, dass wirklich Sachen entstehen können, dass etwas Neues wachsen kann. Also, ich glaube, der Mainstream ist dadurch sehr viel mehr geworden in den letzten Jahren.

FM4: Du hast sieben Amadeus Awards in der Kategorie Electronic Dance, du hast zehn Amadeus Awards insgesamt gewonnen. Für einen Musikpreis, den es seit 2000 gibt schon auch beachtlich. Was sind so die musikalischen Karriereschritte, wo du sagst, das möchte ich erreichen, das steht auf meiner bucket list?

Parov Stelar: Ich habe jahrelang immer danach gelebt, eben genau diese Liste zu haben. Dort möchte ich hin! Weil ich immer dachte, wenn ich das geschafft hab, dann geht es mir gut. Dann glaube ich mir selbst, dass das cool ist, was ich mache. Und irgendwie bin ich draufkommen, dass dieses Erreichen von Zielen dann plötzlich immer nur eine Erleichterung war! Am nächsten Tag hab ich mir gedacht: Gut und what´s next?

Seit kurzer Zeit bin ich wieder dorthin gekommen, dass ich mir denk, ich mach mir gar keine Ziele. Mein Ziel ist es, dieses Gefühl, was ich zur Musik und zum Musikmachen hab, das möchte mir behalten. Es gibt für den Künstler ja eigentlich nix Schöneres als dass du sagst „Okay ich kann von meiner Arbeit leben!“

FM4: Vor kurzem hat Clare Luzia auf Facebook zu dieser Frage „Kannst du von der Musik leben?“ einen Kommentar gepostet. Sie war verwundert, dass sie die Frage immer wieder gestellt bekommt, als ob die Kunst einzig durch Kohle am Konto legitim wird. Nicht hinter jedem Ding muss eine Zahl stehen. Manche Sachen muss man halt einfach machen. So auch wie du malst und jahrelang gemalt hast, ohne dass eine Ausstellung rausgekommen ist oder ohne, dass du ein Bild verkauft hast.

Parov Stelar: Das „Kannst du von deiner Kunst leben“ beinhaltet ja nichts anderes wie „Kriegst du genug Geld dafür?“ Im Endeffekt ist das Leben viel, viel mehr und die meisten Künstler können davon leben, weil das ist ihr Leben. Ich liebe dazu den Ausspruch von Benjamin Franklin der gesagt hat: Die meisten Menschen sterben eigentlich mit 25, werden aber meistens dann erst mit 75 oder 80 begraben. Und ich glaube, das macht einen Künstler aus, der sagt „Ich lebe!“ Wenn du davon, deine Miete noch zahlen kannst und dein Auto und alles rundherum. Großartig! Aber wir sind dann wieder bei deiner ersten Frage „Welche Rolle spielt Kunst, welche Wertigkeit hat sie in unserer Gesellschaft?“

Parov Stelar

Jan Kohlrusch

FM4: Nun aber zu deinem neuen Album „Moonlight Love Affair“ Ich finde es ja ganz gut, Alben über die Gästeliste abzuhandeln. Es ist ja irgendwie das Ergebnis einer langen Freundschaft, Bekanntschaft, künstlerischen Austausches, wenn ein Musiker, eine Musikerin auf einem Song von dir zu hören ist. Auf dem Album ist am Song „Above The Ground“ an den Vocals Avec zu hören.

Parov Stelar: Die Lyrics sind schon vor zweieinhalb Jahren entstanden. Das wäre für Voodoo Sonic schon gewesen. Ich bin aber nie happy gewesen mit meinem Instrumental und habe lange versucht, wirklich ein gutes Instrumental für diese Vocals, die es sich verdient haben, zu bauen. Und es ist mir nicht gelungen und irgendwann habe ich das auf die Seite geschoben und hab zu Avec gesagt „Sorry, ich habe es nicht hingekriegt“.

Und irgendwann später dann bin ich im Studio gesessen und habe ein wahnsinnig cooles Instrumental gehabt, sehr getragen, mit Klavier, aber keine Vocals. Plötzlich, hey Moment! Da liegt noch was auf meiner Festplatte. Ich habe Avecs Vocals reingezogen und das war, wie wenn ich es dafür produziert hätte. Genau so ist der Song entstanden und das ist schon so ein kleiner Gänsehaut-Moment, wo ich mir gedacht habe, Dinge die zusammengehören finden zusammen. Und es braucht manchmal Zeit. Avec hat in ihrer Stimme und in ihrer Performance eine Internationalität drinnen und das ist großartig. Sie ist sehr authentisch in dem was sie macht. Sie lebt auch nicht nur davon, sondern dafür. Und ich glaube, das ist ganz wichtig.

FM4: Den Russian Gentleman Club kennt man ja vielleicht euch als Nebenprojekt vom Georgij von Russkaja. Auf deinem Album gibt es einen Song mit der Band der „Ach Odessa“ heißt. Die Ukraine ist als Thema natürlich brandaktuell.

Parov Stelar: Ich muss ein bisschen weiter ausholen, denn ich habe bei diesem Album ein unglaubliches Timing bewiesen. Gut, dass ich nicht Schlagzeuger geworden bin. Mein Timing ist total daneben. Zum einen „Toxic Lover“ mit den Shangri Las dieses „oh noo“ ist ja schon lang produziert gewesen und plötzlich geht dieses Ding auf TikTok viral. Wir haben ein Jahr lang gebraucht, um das Sample zu klären und dann geht es in einer Quietsch-Version viral, wo dann die Leute so sagen „Jaaa das kennt man ja schon von TikTok“ Aber ja kannst du nicht erklären.

Ähnlich war es auch mit „Ach Odessa“. Letztes Jahr habe ich den Georgij getroffen und sage ihm, dass ich in Odessa spiele und mich schon sehr darauf freue. Und da waren wir von einem richtigen Krieg weit entfernt damals. Und Georgij erzählt von diesem Lied „Ach Odessa“ Es ist eigentlich ein altes Volkslied und vergleichbar zu Ciao Bella Ciao. Er hat gesagt: Hör dir das an, ich habe mit meiner zweiten Band dem Russian Gentlemen Club hier eine Version gemacht, vielleicht kannst du was draus machen. Ich hab einfach aus Spaß begonnen, diesen Song zu zerpflücken und das ist irgendwie gut gelaufen. Schneller gemacht, anderen Basslauf-Beat, die Stimmen von den Jungs sind großartig und es war plötzlich Energie da. Das hab ich mitgenommen nach Odessa, wir haben das gespielt und das war ein Wahnsinn. Die Leute sind richtig ausgeflippt. Es war echt schön zu sehen und ich hab mir gedacht „Das hat Energie!“

Drei Wochen später habe ich in Moskau gespielt und mir gedacht ich probiere den Song aus. Alle haben gesagt: Lass das bleiben! Lass das bleiben. Okay, ich lass es bleiben. Aber nach zwei Bier hab ich mir gedacht, hey ich bin Künstler. Ich kann nicht anders und habe anfangen den Song zu spielen. Links und rechts meine Tourmanager haben geschaut, um Gottes willen was machst du? Na, ich probier’s! Und weißt du was? Die Leute sind dort genauso gesprungen, haben mitgesungen. Es war, wo du gemerkt hast, da ist keine Feindschaft, da gibt es etwas Verbindendes. Und den Moment habe ich großartig gefunden und ich hab mich gefreut drüber.

Dann ist es natürlich auf Spotify eingetütet worden, du hast ja lange Vorlaufzeit, der Release Termin war schon lange klar und ich hab mir gedacht puh, da geht es jetzt los. Ich glaub wir haben, was das anbelangt, wirklich eine Punktlandung hingelegt und dann natürlich einen wahnsinnigen Shitstorm geerntet. Ich habe eigentlich geglaubt, dass der von der russischen Community kommen wird, weil sie sagen, ihr macht jetzt eine Hommage an Odessa. Ich habe aber nicht dran gedacht, dass das „featuring the Russian Gentleman Club“ besonders aufstößt und dass Odessa auch noch in der alten Schreibweise mit zwei S geschrieben ist. Okay, da war eine Rechtschreibreform. Und so ist es dann irgendwie losgegangen. Man muss sagen, der Russian Gentlemen Club besteht ja auch aus vielen Ukrainern und ich hab mit Georgij telefoniert, der war auch am Boden zerstört hat gesagt „Marcus ich weiß auch nicht, was ich sagen soll. Es ist einfach absurd, was hier gerade abgeht.“

FM4: Du bist in der Ukraine quasi gecancelt worden?

Parov Stelar: Ich hab zu meiner Band gesagt, ich bin froh dass ich nicht Diplomat geworden bin.

Parov Stelar

Christine Miess

FM4: Den Song „Lights Off“ mit Anduze kann ich mir als Aufsteh-Song zum „In den Tag starten“ sehr gut vorstellen.

Parov Stelar: Anduze ist auch bei uns in der Liveband und ich arbeite mit ihm seit Jahren immer wieder an Songs und er hat eine ganz eigene Stimme und ich spüre, dass ich nicht jedes Instrumental mit ihm machen könnte, weil viele empfinden ihn als zu poppig. Finde ich nicht. Es ist ein Genuss mit ihm zu arbeiten, das macht echt Freude. Und der Song, ich liebe dieses orchestrale mit Elektronik zu verbinden. Der Groove hat auch einen leichten „french touch“

FM4: Du hast das Wort „poppig“ erwähnt. Gibt es Diskussionen im Studio, wo dann tatsächlich auch die Worte fallen „zu kommerziell“ und „zu poppig“?

Parov Stelar: Immer wieder. Ich glaube, das kann man überhaupt nicht verhindern. Was heißt kommerziell?

FM4: Das wär meine Frage.

Parov Stelar: Dass es vielen Menschen gefällt. Ist das automatisch ein Qualitätsverlust? Ich glaube, es ist schwierig zu beantworten, weil es waren schon Songs auf Platz 1 wo man sagt „Wie geht das?!“ Somebody That I Used to Know von Gotye, der dürfte laut Musikindustrie nicht einmal die Top100 ankratzen. Ist ein qualitativer Song, aber jetzt ein Popsong. Ich glaube die Krux besteht eher darin, dass verständlicherweise viele Menschen, die ihre eigene Persönlichkeit auch durch ihr Kunstverständnis in die Richtung definieren: „Ich weiß etwas, was vielleicht wer anderer nicht weiß! Darum möchte ich mich von diesem Mainstream entfernen!“

Wenn irgendetwas von einem Underground-Künstler besser funktioniert oder vielleicht Tendenzen hat sowas anzukratzen, dann gibt es wirklich Leute, die sich da persönlich angegriffen fühlen. Ich habe auch bei vorigen Alben richtige Anfeindungen gekriegt, wo ich dann sag: Hey, ich bin ein Kind der 80er. Ich liebe Synthesizer. Ich liebe Synth-Melodien. Warum muss ich jetzt ein Leben lang nur in eine Richtung produzieren? Ich sample alles! Von Swing bis zu Pop.

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