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The Black Keys und ihr Album "Dropout Boogie"

Jim Herrington

The Black Keys und ihr neues Album „Dropout Boogie“

Die Bluesrock-Traditionalisten The Black Keys liefern auch auf ihrem 11. Studioalbum verlässlichen Bluesrock. Das macht immer noch Spaß.

Der US-Comedian und Late Night-Host Stephen Colbert hat The Black Keys in seiner Sendung einmal als “America’s most trusted band” angekündigt. Für Drummer Patrick Carney ist das ein Ritterschlag. Wenn heute das neue Album „Dropout Boogie“ erscheint, ist es fast auf den Tag genau 20 Jahre her seit dem Release des Debüts „The Big Come Up“.

„Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir Dan (Sänger und Gitarrist Dan Auerbach, Anm.) das erste Exemplar unserer ersten Platte zeigte. Wir wussten nicht, wie man eine Band betreibt oder wie man eine Tour organisiert, aber wir hatten dieses Ding in der Hand und das gab uns Zuversicht“, so Patrick Carney im FM4-Interview.

Holpriger Karrierestart in den 2000ern

Es sollte noch einige Jahre dauern, bis die Karriere der Bluesrocker aus Akron, Ohio in die Gänge kam. Bis dahin tingelten Carney und Auerbach durch kleinere und größere Clubs, während mit The Strokes, The White Stripes und den Kings of Leon die Stromgitarre ein Retro-Rock-Revival feierte.

„Es ist seltsam, aber uns gelang der Durchbruch nach gut acht/neun Jahren, also zu einem Zeitpunkt, als die großen Bands der Rockgeschichte, wie etwa The Clash, bereits wieder am Auseinanderbrechen waren.“ Erst als die „Keys“ auf den Alben „Brother“ (2009) und „El Camino“ (2011), letzteres produziert von Danger Mouse, eine Pop-taugliche Version von Bluesrock entwickelten, stellte sich der kommerzielle Erfolg ein.

Es begann Grammys zu regnen, der klapprige Tour-Van wurde gegen einen Nightliner ausgetauscht, der Blick von der Bühne wurde immer weiter. Für den Geschmack von Patrick Carney etwas zu weit. Das für The Black Keys-Verhältnisse tiefmelancholische Album „Turn Blue“ (2014) läutete eine mehrjährige Burn-Out-Pause ein. Das Comeback Album „Let’s Rock“ (2019) sollte mit einer Rückbesinnung auf die Stromgitarre einen sanften Relaunch einläuten, der jedoch durch die Status-erhaltende Welttour danach erneut auf eine harte Probe gestellt wurde.

The Black Keys und ihr Album "Dropout Boogie"

Jim Herrington

The Black Keys 2022: Patrick Carney (l) und Dan Auerbach (r)

Es folgte das letztjährige, aber noch vor der Pandemie in kurzen Live-Sessions eingespielte, Album „Delta Kream“. Beim damaligen FM4-Interview erklärte Carney, dass es sich bei diesem Covers-Album von Mississippi-Blues-Klassikern um eine Art Entgiftungskur vom großen Popzirkus handle. „Wir wussten gar nicht, ob wir das Material veröffentlichen sollten. Doch es war quasi eine Live-Platte und alle vermissten das Live-Erlebnis. Danach beschlossen wir, nur noch das zu machen, was uns Freude bereitet“.

Zwischen Tradition und Innovation

Nun liegt das Jubiläumsalbum „Dropout Boogie“ vor und es ist ein Kompromiss aus Pflicht und Kür geworden. Das liest sich ernüchternder als das Album klingt. Die Fans von Pop-Rockern wie „Lonely Boy“ und „Tighten Up“ dürfen sich mit den ersten beiden Singles „Wild Child“ und „It Ain’t Over“ auf Radio- und Streaming-freundliche Gassenhauer freuen. Im Rest der 10 Songs umfassenden Sammlung haben Dan Auerbach und Patrick Carney einfach nur Spaß an ihren Instrumenten und mit Freunden wie Billy F. Gibbons von ZZ-Top oder Angelo Petraglia, der bei den Kings of Leon mitmischt.

„Wir jammten in Nashville im Studio von Dan und schrieben 95% des Albums selbst. Wenn wir nicht weiterwussten, griffen wir zu unserem Telefonbuch. Dan und ich produzieren viele Acts. Die Liste ist mittlerweile lang. Wir schreiben auch als Co-Writers an deren Musik mit. Warum es also nicht einmal umgekehrt machen?“

Bis auf die zwei hochpolierten Singles atmet das neue Album den Geist von „Delta Kream“. Die Songs entstanden in kurzen Sessions, Gäste kamen, steuerten ihre Ideen bei und gingen wieder. „Das hat so viel Spaß gemacht, dass wir immer noch jammen und neue Songs schreiben, obwohl der Album-Prozess schon längst zu Ende ist“, so Carney.

Man hört diesen Boogie-Rock-Jams und harten Sixties-Blues-Nummern das Schnaufen und Stampfen der Live-Sessions an. Das kommt manchmal auch mit Fahne in der Luft, so wie im Song „Good Love“ mit Billy F. Gibbons von ZZ Top, dem die „Keys“ genug Raum für seine typischen Gitarren-Licks ließen.

„Billy war zufällig in der Stadt und Dan hat ihn angerufen. Er brachte eine Flasche Wein mit ins Studio und schenkte sich ein Gläschen ein. Da jammten wir für 45 Minuten und hantelten uns entlang einiger Blues-Schemen. Als wir fertig waren, stand Billy auf und lachte zufrieden. Dan improvisierte Vocals dazu und spielte den Bass ein. Fertig!“

Raus aus dem College, rein in die Musik

Der Titel „Dropout Boogie“ ist eine Referenz an einen gleichnamigen Song von Captain Beefheart, ein Idol von Auerbach und Carney. Er verweist aber auch auf die eigenen Erfahrungen: „Wir haben beide das College geschmissen. Vor Kurzem haben wir gescherzt, was wohl aus uns geworden wäre, wenn wir den Abschluss gemacht hätten“, erzählt Carney. „Wohl nicht sehr viel.“

Dass die Keys über Humor und Ironie verfügen, zeigen ihre teils Slapstick-mäßigen Selbstinszenierungen. Auf dem Cover von „Dropout Boogie“ sind Carney und Auerbach als Koch und Handwerker in 1930er-Jahre-Outfits zu sehen und wirken dabei ein wenig wie Stan Laurel und Oliver Hardy.

The Black Keys und ihr Album "Dropout Boogie"

Easy Eye Sound

„Während meiner High School-Jahre habe ich als Koch gearbeitet. Ich musste wegen meines Alters lügen, weil man in Ohio erst ab 16 arbeiten darf. Ich verdiente wenig, aber arbeitete sehr viel. So konnte ich mir nach und nach eine Gitarre, einen Bass, ein Schlagzeug und einen alten Vierspur-Rekorder kaufen. Ich hasste es natürlich, weil die meisten meiner Schichten am Wochenende waren und da fanden ja die ganzen Konzerte statt, die ich sehen wollte.“

Dass das Innovationsmoment der Black Keys, also die Vermählung von Rock und Blues mit zeitgenössischen Popsensibilitäten, auch schon wieder eine Dekade zurück liegt und man den neuen Verhältnissen gegenüber nicht mehr ganz so aufgeschlossen ist, zeigt sich im Video zur ersten Single „Wild Child“ auf sympathische und weniger sympathische Weise.

Dort schlüpfen Carney und Auerbach in ihre alten Jobs, heuern in einer High School an und werden von Lehrer:innen und Schüler:innen gleichermaßen malträtiert. Zum Schluss kündigen die beiden per Mittelfinger, offenbaren ihre wahre Rockstar-Identität und brausen in ihren Luxuskarossen davon, während die Übeltäter:innen perplex zurückbleiben.

Sympathisch ist es deswegen, weil es zeigt, dass man es auch als nerdiger Dropout schaffen kann. Weniger sympathisch ist, dass vor allem die Schüler:innen als ein diverser, narzisstischer und degenerierter Haufen dargestellt werden, dem jeglicher Sinn für Realität und Verhältnismäßigkeit abhandengekommen ist. Derartiges Youngster-Bashing, wenn auch komödiantisch überhöht, erinnert an Anti-FFF-Trollerei im Netz oder an Kommentarspalten reaktionärer Boulevard-Blätter.

Patrick Carney scheint das bewusst zu sein und bietet einen Perspektivenwechsel an: „Es ist unsere Art zu demonstrieren, dass wir nicht mehr ganz so junge Männer sind, die einfach den Anschluss an die Zeit verloren haben.“

Nach 20 Jahren in Tourbus und Düsenjet hadern The Black Keys noch immer mit ihrer Identität zwischen Juke-Box-Joint und Rock am Ring. Auf „Dropout Boogie“ haben sie sich einen gangbaren Weg erspielt – zumindest bis zum nächsten Album. Wer auf Hits wie „Lonely Boy“ pocht und die beiden vorab veröffentlichten Singles bereits auswendig mitsingen kann, braucht das neue Album nicht unbedingt. Wer auf die Bärte von ZZ Top steht, schon.

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