Armutsbetroffene teilen ihre Perspektive
Von Ali Cem Deniz & Jenny Blochberger
Die Geschichten, die unter dem Hashtag #ichbinarmutsbetroffen geteilt werden, zeigen, dass Armut weit mehr beeinflusst als den Kontostand. User*innen berichten von Scham und Ausgrenzung, aber auch davon, wie die Armut ihre Gesundheit verschlechtert hat. Oder umgekehrt: wie Krankheiten und Unglücksfälle sie plötzlich in die Armut getrieben haben.
Die Diskussion startete mit diesem Tweet von Twitter-Userin @Finkulasa:
#DasIstHartz4#Armut #Hartz4
— AikO (@Finkulasa) 12. Mai 2022
Wir alle sind Menschen. Wir haben Leben, Geschichten, Erfahrungen.
Wir sind keine "soziale Hängematte". Wir sind nicht faul. Aber wir sind viele.
Ich bin Anni, 39 Jahre alt und beziehe H4. Ich habe mein Fachabitur gemacht, bin durchaus gebildet zu /
Daniela Brodesser ist Kolumnistin, Aktivistin und selbst von Armut betroffen. Sie weiß: Obwohl Armut jeden und jede treffen könnte, werden Betroffene zu oft selbst dafür verantwortlich gemacht.
Armutsbetroffene stehen prinzipiell unter Verdacht faul zu sein und ein System ausnutzen zu wollen. So wirds gern von Medien propagiert.
— Frau Sonnenschein (@danibrodesser) 16. Mai 2022
Wisst ihr was? Es widert mich nur noch an🤮 Checkt mal eure Vorurteile und bildet euch weiter bevor ihr den nächsten Artikel bringt.
Durch die Armut habe sie viele soziale Kontakte verloren, erzählt Daniela Brodesser. Nicht nur, weil sie sich Ausflüge oder Cafébesuche nicht mehr leisten konnte, sondern auch, weil sie einfach Beschämungen nicht mehr erleben wollte. Das kennen auch viele andere Betroffene.
Bei den Menschen, die unter #IchBinArmutsbetroffen ihre Geschichte erzählen, fällt auf, wie sehr sie es verinnerlicht haben, sich rechtfertigen zu müssen.
— Kea (@Mister_Brokkoli) 12. Mai 2022
Ein: "dabei habe ich eine Ausbildung, bin nicht faul", sollte nicht nötig sein.
Armut kann alle treffen. Ist keine Schande.
Mit Krankheit und Armut legt man nicht gleichzeitig die Träume auf Eis. Das ist ein langer, schmerzhafter Prozess, der viel Kraft kostet. Es ist, als würde man sich Schicht um Schicht dessen entledigen, was das Leben ausmacht. Und es gibt keinen Ersatz, keine neuen Schichten.
— Karin (@mistelmaus) 15. Mai 2022
7/7
Wisst ihr, was Menschen fehlt, wenn sie #IchBinArmutsbetroffen sind? Erfolge, Lob, Anerkennung, das Gefühl, etwas sinnvolles zu tun, gebraucht zu werden. Sinnstiftende Tätigkeiten, positive Erlebnisse, Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein.
— Alysanne 安 🏳️🌈 🏳️⚧️ (@cyar_ika) 15. Mai 2022
Entgegen dem Vorurteil von der „sozialen Hängematte“ zeigen die Geschichten, die unter dem Hashtag #IchBinArmutsBetroffen erzählt werden, dass viele eben nicht von staatlichen sozialen Netzen aufgefangen werden. Armut ist eben kein individuelles Problem, sondern müsste politisch gelöst werden.
Armut trotz Broterwerb ist kein neues Phänomen. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen.#workingpoor
— Single Dave, der Asifluencer (@ReverseAuthor) 15. Mai 2022
Nicht erwünscht: Sogenannte „gute Ratschläge“, die die Bürde des Armuts-Managements wieder nur auf die Betroffenen selbst abwälzen.
Ob selbst betroffen oder nicht. Bitte unterlasst ‹Spartipps› unter dem Hashtag #IchBinArmutsbetroffen denn es ist unangemessen und übergrifft. Darum geht es nicht und davon auszugehen, dass 13,4 Millionen Menschen ‹nur nicht richtig sparen können› ist vermessen. Danke.
— #IchBinArmutsbetroffen: @Finkulasa (@einwortmehr) 15. Mai 2022
Publiziert am 16.05.2022