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Von Nicolas Mahler gezeichnete Romy Schneider

Nicolas Mahler, btb Verlag

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Von „Sissi“ bis „Sans Souci“ - Nicolas Mahlers „Romy Schneider“

Nicolas Mahler widmet Romy Schneider eine Werkschau in Buchform. Das tragische Leben der Schauspielerin lässt er dabei unberücksichtigt und ermöglicht so einen Blick auf ihre Filme, der auch Komik zulässt.

Von Pia Reiser

Er habe schon ein bisschen Angst vor den Romy-Schneider-Fans, sagt Nicolas Mahler und habe deswegen mal nachgeschaut, ob sich Fans der Schauspielerin schon im Netz zu Wort gemeldet haben. Auf einem französischen Messageboard tun ein paar ihre Meinung kund, dass man Romy Schneider nicht zeichnen dürfe, wenn man sie nicht liebe. Und: Die Augen habe Mahler viel zu traurig gezeichnet, und so oft sind sie geschlossen, dabei habe sie so schöne Augen gehabt.

Am 23. Mai ist Nicolas Mahler zu Gast im FM4 Filmpodcast.

Die halb oder oft ganz geschlossenen Augen und eine Erschöpfung, die man manchmal in den Zeichnungen in Mahlers neuem Buch „Romy Schneider“ findet, sind vielleicht ein kleines Zugeständnis an die tragischen Ereignisse im Leben von Schneider, die es bei ihr so schwer machen, Leben und Werk zu trennen. Wer einmal auch nur eine Kurzbiographie von ihr quergelesen hat, weiß im Grunde schon zu viel, um ihre Filme bloß als Filme und ihre Rollen nur als Rollen zu sehen. Romy Schneiders Sohn David stirbt bei einem Unfall, ihr Exmann Harry Meyen begeht Suizid und Schneider selbst stirbt im Alter von nur 43 Jahren. „Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider“, sagt sie in einem Interview 1981.

Buchcover "Romy Schneider"

Nicolas Mahler, btb Verlag

„Romy Schneider“ von Nicolas Mahler ist im btb-Verlag erschienen.

Nicolas Mahler lässt das Privatleben der Schauspielerin im Grunde ganz außen vor, bis auf einen Eintrag, wann und wo sie geboren worden und wann und wo sie gestorben ist, richtet er seinen Blick auf ihre Filme. So ist dann auch etwas möglich, was zuvor noch niemand gemacht hat, nämlich ein Zugang zu ihrem Werk mit Komik.

Romy Schneider selbst schreibt an Regisseur Claude Chabrol, er solle sich vor ihr in Acht nehmen, sie habe nämlich keinen Humor. In Interviews und Briefen beweist sie aber das Gegenteil und Mahler greift diese Sätze auf. „Dauernd nur Pool rein, Pool raus, was für’n Beruf“, zitiert Mahler aus einem Brief von Romy Schneider an eine Freundin, in dem sie von den Dreharbeiten zu „Der Swimmingpool“ erzählt. Jedem Film widmet Nicolas Mahler Text und Bild, beides gewohnt knapp und lakonisch-komisch. Während es in seinem Buch „Das Ritual“ aus dem Jahr 2018, das sich mit den Männern hinter den Kulissen von japanischen Monsterfilmen beschäftigt, noch zwingend war, dass die Monster den Filmmonstern nicht zu ähnlich sind, weil es sonst gleich Copyright-Klagen hagelt, ist der Fall jetzt natürlich anders.

Nicolas Mahlers Porträt von Romy Schneider in "Die Dinge des Lebens"

Nicolas Mahler

Hier gibt es eine Leseprobe aus „Romy Schneider“.

Romy Schneider sollte man natürlich schon erkennen, und Mahler, der bekannt für seine langen, dünnen Figuren mit den langen Nasen ist, die oft gar keine Augen haben, muss sich natürlich diesem berühmten Gesicht mit dem Witwenspitz-Haaransatz widmen. Er wollte keine Karikatur erschaffen, so Mahler im Interview, er wollte beim Comichaften bleiben. Mit nur wenigen Strichen erschafft er an die 60 Inkarnationen der Schauspielerin, mein Lieblingsbild ist vermutlich Romy Schneider als Nadine in „Nachtblende“, grade wegen der müden Augen.

Mein allerliebstes Bild allerdings ist im „Romy Schneider Sketchbook“ zu finden, ein Büchlein, das Mahler im Eigenverlag herausbringt. Hier finden sich Skizzen und Verworfenes und eben eine Zeichnung von Romy Schneider als Helene in „Die Dinge des Lebens“ von Claude Sautet. „Michel Piccoli raucht in diesem Film 26 Zigaretten“, notiert Nicolas Mahler in dem Eintrag zu dem Film aus dem Jahr 1970. Mahler empfiehlt das Melodram als Einstieg in das Werk von Romy Schneider. Der Film beginnt mit dem Ende, das gab es damals noch nicht allzu oft, er ist eine schöne Zeitkapsel und überhaupt: 26 Zigaretten, so Mahler.

Sein Buch eignet sich wegen des freigeräumten Blickes von „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ (1953) bis zu „Die Spaziergängerin von Sans Souci“ (1982) auch für alle, die bis jetzt vielleicht nichts über Romy Schneider wissen, außer dass sie die Sissi war. „Naiv, tierlieb, Papi ist der Beste“, bringt Mahler übrigens die Rolle der Sissi ziemlich auf den Punkt.

Nicolas Mahlers Porträt von Romy Schneider in "Ludwig II."

NIcolas Mahler

Bei den wie hingestreut wirkenden Sätzen im Buch, an denen sicher lang herumgeschliffen worden ist, erkennt man auch den Filmliebhaber Mahler, er verweist auf „Peeping Tom“, empfiehlt Autobiografien („ICH" von Helmut Berger) oder warnt vor ihnen ("... und kein bisschen weise“ von Curd Jürgens), er kategorisiert „Mädchen in Uniform“ als Full Metal Jacket für Mädchen und beschreibt das missglückte Remake eines Murnau-Films mit: „Dieser Film könnte Sie interessieren, wenn Sie wissen wollen, was das Wirtschaftswunder aus dem deutschen Expressionismus gemacht hat.“

Nicolas Mahler präsentiert das Buch "Romy Schneider am 25. Mai 2022 im Filmmuseum- Signierstunde inklusive.

Durch die knappen Formulierungen fällt einem schon beim Durchblättern auf, wie sich bei Romy Schneiders französischen Filmen die Themen wiederholen. Immer wieder unglückliche Beziehungen, Affären, Gefühlskälte, Autounfälle, Trauer. Und: Nationalsozialismus. Es ist auffällig, dass Romy Schneider, deren Vater Wolf Albach-Retty förderndes Mitglied der SS und deren Mutter Magda Schneider zumindest bekannt mit Adolf Hitler war, zu einer Zeit, als die filmische Beschäftigung mit dem Dritten Reich noch eher selten war, gleich mehrere Filme dreht, die die Verbrechen des Nationalsozialismus thematisieren. Das nimmt man ihr in Deutschland und Österreich genauso übel wie gewagtere Filme wie „Trio Infernal“. „Oh Sissi, wie tief bist du gesunken“, schreibt der Boulevard 1974.

Szenenbild aus "die dinge des lebens"

Studiocanal

„Die Dinge des Lebens“: Romy Schneider und Michel Piccoli

Mahler zeichnet beim Eintrag zu „Trio Infernal“ Michel Piccoli - auch er so einer, den man am Haaransatz erkennt - mit blutbefleckter Schürze. Die kleinen Zeichnungen von Romy Schneiders Filmpartner*innen werden vor allem für Liebhaber*innen des europäischen Kinos der 60er und 70er Jahre für große Freude sorgen. Helmut Berger spitzt die Lippen, Jean Paul Belmondo und Yves Montand tragen ihre Nasen zur Schau, Philippe Noiret trägt ein Gewehr. Man erkennt sie alle auf den ersten Blick.

„Romy Schneider“ von Nicolas Mahler, erschienen im btb-Verlag, ist eine höchst unterhaltsame, konzentrierte Werkschau, die mit Knappheit viel zu erzählen weiß, ein Blick auf 58 Filme einer einzigartigen Schauspielerin, eine sehr empfehlenswerte Beschäftigung mit Romy Schneider ohne die vermaledeiten Worte Mythos und Diva.

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Am 23. Mai ist Nicolas Mahler zu Gast im FM4 Filmpodcast. Ein Gespräch über Tarantino-Skepsis und Antonioni-Ennui, über Liebe zum japanischen Monsterfilm und natürlich: Romy Schneider. Den FM4 Filmpodcast gibt es immer montags online ab 22 Uhr und on air um Mitternacht.

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