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Harry Styles

Lillie Eiger

Mit Harry Styles zum All you can eat-Buffet in „Harry’s House“

Sanft streichelnde Sounds, perfekt für ein Glas guten Rotwein zum Sonnenuntergang nach einem heißen Tag. Feelgood-Tunes, die unter die Discokugel locken. Oder sich melancholisch Erinnerungen hingeben. Auf Harry Styles’ drittem Album „Harry’s House“ ist für alle was dabei.

Von Alica Ouschan

Vom Teenie-Schwarm zum Rockstar, so könnte man die steile und unerwartete Karriere des 28-jährigen Briten wohl am besten beschreiben. Denn als Harry Styles vor fünf Jahren sein erstes Solo-Album veröffentlichte, war dies der Befreiungsschlag, der ihn ein für alle mal vom One-Direction-Boyband-Image loseisen und den Grundstein für eine Bilderbuchkarriere legen sollte.

Plattencover von Harry Styles' "Harry's House"

Columbia Records

Mittlerweile ist Harry Styles nicht nur einer der erfolgreichsten Pop-Musiker unserer Zeit, er überrascht Kritiker*innen auch immer wieder mit ausgezeichnet geschriebenen Radiopop- und Rocksongs, die raffinierter sind, als erwarte. Sein Talent, seine popkulturelle Relevanz und die Qualität seiner Musik abzustreiten, ist mit dem erneuten Volltreffer, seinem dritten Album „Harry’s House“ schlichtweg unmöglich geworden.

Harry’s Style

So haben sich der dreckige Rock-Sound vom ersten Album und der sommerliche und teils tieftraurige Vibe der zweiten Platte, die bisher eine Art ausgeglichenes Spannungsverhältnis erzeugt haben, in einer durchdringenden Ästhetik vermischt. Harry Styles hat endlich seinen (Achtung!) Style gefunden und den zieht er gnadenlos durch.

Wie schon zuvor gibt es Nummern, in denen Harry ordentlich auf die Tube drückt und Vollgas gibt, diese Tracks halten sich wieder mit den ruhigeren Songs die Balance. Die einzige vorab veröffentlichte Single „As It Was“ wurde nicht nur innerhalb kürzester Zeit zum viralen Hit, der Track vereint all das, was die besondere Ästhetik der Platte ausmacht.

24/7 golden Hour

In „Harry’s House“ ist durchgehend Golden Hour, also die Zeitspanne kurz nach Sonnenauf- bzw. vor Sonnenuntergang, wo das Licht am schönsten ist. So fühlt es sich beim Hören jedenfalls an. Wie ein schöner Moment, den man unbedingt festhalten muss, weil er zu schnell vorbei geht, dabei aber nicht aufs Genießen nicht vergessen will. Wie der letzte warme Tag des Sommers, bevor der Herbst anbricht und es wieder früher dunkel wird.

Während das letzte Album so etwas wie eine Trauerphase abgebildet hat, wird hier zwar ebenfalls zurück auf die schönen und schlimmen Momente geschaut, jedoch mit einem wohlwollenden Blick von jemandem, der mit der Vergangenheit abgeschlossen und Frieden mit sich selbst und der Person, die man damals war, gefunden hat.

Und wem diese vagen Umschreibungen des Vibes in „Harry’s House“ zu wenig aussagekräftig sind, der kann eine riesengroße Auswahl an kulinarischen Köstlichkeiten probieren - und das ist jetzt ausnahmsweise mal nicht metaphorisch gemeint. Denn in den Lyrics finden sich Aufzählungen von unterschiedlichsten Speisen und Getränken. So zählt er im fulminanten Opener „Music for a Sushi Restaurant“ die Zutaten für Sushi auf und verwandelt sie gleichzeitig zu einem Beziehungsrezept („Green eyes, fried rice, I could cook an egg on you“).

Essen, überall Essen!

In „Grapejuice“ sinniert Harry über das, was war, während er eine Flasche Rotwein aus dem Jahr 1982 schlürft. Ist es Zufall, dass ausgerechnet die Tracks, in denen es ums Essen und Trinken geht, die Besten auf der Platte sind? Jedenfalls dichtet keiner so schöne Liebesgedichte mit und über Essen, als Harry Styles, wie zum Beispiel dieses Schmankerl aus dem Song „Keep Driving“.

Maple syrup
Coffee, pancakes for two
Hash brown, egg yolk
I will always love you.

Formulierungen wie diese finden sich so einige, und generell sind die Aussagen der Texte recht simpel gehalten. Es scheint den Songs gerade deshalb vielleicht an der ein oder anderen Ecke an Substanz zu fehlen, gleichzeitig ist der musikalische Stil aber so überzeugend und organisch, dass sie das überhaupt nicht zu brauchen scheinen. Und was nach wie vor eine ganz große Kunst bleibt, die Harry Styles auf jeden Fall beherrscht, ist, Liebeslieder zu schreiben, die nicht vor lauter Kitschüberfluss ungenießbar werden.

Der musikalische Stil nimmt sich einiges aus der Beatles-Ecke, noch viel mehr aber aus Soul, Disco und Funk mit. „Ist das noch Pop?“, geistert es einem durch den Kopf, eine Frage, die im Laufe des Hörens der Platte immer egaler zu werden scheint. Das Album nimmt immer wieder Fahrt auf, um dann durchzuatmen. Tanzen und rasten, Kopf ausschalten und sich in Gedanken verlieren.

Die Sehnsucht nach der Ferne, aber noch viel mehr nach dem Gefühl, dann wieder nach Hause zu kommen - wobei das Zuhause manchmal eben auch eine Person ist, darum geht’s auf „Harry’s House“. Dieses Gefühl muss aber nicht als solches benannt werden, viel mehr schwingt es zwischen den Zeilen, durch die Musik mit. Vielleicht ist das genau der Grund, weshalb Harry Styles’ Musik so gut funktioniert. Weil er es schafft, emotionale Momente in Songs so zu konservieren, dass ihre Essenz für alle gleichermaßen köstlich schmeckt.

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