FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Soak

Sam Hiscox

SOAK: „Mit diesem Album habe ich meine Stimme und meinen Sound gefunden!“

„If I Never Know You Like This Again“ heißt das dritte Album von SOAK. Darin hat sich die nicht-binäre Musiker*in Bridie Monds-Watson alias SOAK mit ihren tiefsten Ängsten konfrontiert. Im Interview spricht SOAK übers Songwriting als Ort der Begegnung mit sich selbst und über das Finden der eigenen Stimme.

Von Michaela Pichler

Wem sagt der Ort Derry etwas? Die zweitgrößte Stadt Nordirlands ist nicht nur Schauplatz der sehr empfehlenswerten Netflix-Comedy-Serie „Derry Girls“, aus Derry stammt auch die nicht-binäre Musiker*in Bridie Monds-Watson alias SOAK. Allerdings ist SOAK schon als Teenager der Heimatstadt entwachsen und hat auf Festivalriesen wie dem Glastonbury gespielt. Nun ist SOAKs drittes Album erschienen.

SOAK Cover

SOAK / Rough Trade

„If I Never Know You Like This Again“ von SOAK ist via Rough Trade erschienen.

Kluge Sätze und die Kunst der Selbstreflexion

„Es liegt sehr viel Ehrlichkeit in diesem Album. So ehrlich war ich noch nie in Bezug auf mein Leben und meine Unsicherheiten. Ich hatte auf einmal keine Angst mehr davor, ich selbst zu sein. Also dachte ich mir, ich zieh jetzt einfach mein Ding durch“, erzählt SOAK im FM4 Interview. Nach ziemlich genau zehn Jahren im Musikbusiness ist es für SOAK also endlich an der Zeit, die Masken fallen zu lassen und der Person ins Auge sehen, die hinter dem Soloprojekt steht. Kein Wunder also, dass Bridie Monds-Watson alias SOAK erstmal tief durchatmen muss, bevor es auf dem neuen Album mit dem Opener „Purgatory“ losgeht.

When my life flashes before my eyes
Will I be ready or beg for more time
Nothing scares me like my irrelevance
That’s why I fill every silence with nonsense

"Nichts macht mir mehr Angst als meine Bedeutungslosigkeit / Deshalb fülle ich jede Stille mit Nonsens” - kluge Sätze wie dieser könnten auch von Musik-Kolleg*innen wie Courtney Barnett stammen. Mit „Nonsens“ haben die Lyrics auf dem neuen Album aber nichts zu tun. Die Dinge, an denen sich SOAK hier abarbeitet, gehen ganz schön tief. Vor kurzem hat sich SOAK als nicht-binär geoutet. Mit welchen Unsicherheiten eine queere Person in einer heteronormativen Gesellschaft konfrontiert wird, kommt in den zehn Songs immer wieder zum Vorschein. Wenn es zum Beispiel um eine Fernbeziehung geht wie im Track „Bleach“. Da malt sich SOAK die schlimmsten Szenarien aus, während SOAKs Freundin ein Austauschjahr in Tokyo macht. Während das Love-Interest auf den Mount Fuji blickt, kriechen Sehnsucht und Selbstzweifel bis nach Europa in SOAKs Kopf.

And what if you fall in love overnight
with some posh boy on a gap year?
I can’t compete with anatomy
I’ll never be the real deal

Nach solchen Sätzen muss man sogar als Hörer*in auch mal schlucken. Wenn man sich die Songs auf „If I Never Know You Like This Again“ durchhört, hat man dieses Bild einer ziemlich selbstreflektierten Person vor Augen. So würde sich SOAK allerdings nicht unbedingt beschreiben. „Ich bin eine sehr ausweichende, konfliktscheue Person. Musik ist der einzige konstante Ort in meinem Leben, der mir tatsächlich Raum gibt, meine Gedanken und Gefühle zu verarbeiten und irgendwie zu verstehen, warum ich so bin, wie ich bin.“

Die Schule des Songwritings

Klanglich hört sich diese Verletzlichkeit bei SOAK nicht nach sentimentalem Folk an, sondern viel mehr nach 90er-Jahre-verliebtem Indie-Rock. Die Stimme sitzt tiefer und selbstbewusster, an manchen Stellen heult die Gitarre mehr auf, ist mehr Verzerrer drauf als noch vor ein paar Jahren. In der Selbstreflexion hat SOAK nicht nur sich selbst gefunden, sondern vor allem den eigenen Sound, wie die Künstler*in strahlend im Interview erzählt: „Jedes Mal, wenn ich ein neues Album mache, fühlt es sich wie ein Neustart an. Jetzt mit dieser Platte fühlt es sich an, als wären alle Alben davor nur eine Schule gewesen, in der ich gelernt habe, wie man ein Mensch ist in dieser Welt und wie man richtig Songs schreibt."

Diese ständigen Zweifel sind so ermüdend. Da ist es eine angenehme Abwechslung, das einfach mal nicht zu spüren.

„If I Never Know You Like This Again“ ist ein Tauschgeschäft, das aufgeht: Gerade dann, wenn SOAK sich allen Selbstzweifeln und Ängsten stellt, wird SOAK im Gegenzug mit Selbstbewusstsein und Vertrauen belohnt. Dieser kathartische Moment versteckt sich immer wieder in den neuen Songs. Am schillerndsten kommt er aber wohl in der Schlussnummer „Swear Jar“ zu Tage, wenn SOAK zuerst ganz allein zur schrammelden Akustikgitarre singt und dann schließlich mit einem mehrstimmigen Chor soundtechnischen Support bekommt: „Where have I been all my life? / Watching myself from the sidelines / Won’t you wake me up sometime?“ Aufgeweckt hat sich am Ende dann eben doch SOAK selbst und darauf ist die Songwriter*in auch stolz - eine neue Erfahrung in der Release-Gefühlspalette.

mehr Musik:

Aktuell: