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Ex-Oasis-Frontmann Liam Gallagher solo wieder da!

Britpop-Legende Liam Gallagher ist noch kein bisschen müde und legt mit „C´mon You Know“ ein packendes, drittes Solo-Album vor.

von Eva Umbauer

Wenn Liam Gallagher heute schimpft - seine Tiraden, meist gegen andere Musiker, sind berüchtigt - dann hört er sich letztlich mehr wie ein liebevoller, sympathischer, witzereißender „Clown“ an, als der Britpop-Rüpel als den man Liam Gallagher kennt. So sagt der ex-Oasis-Frontmann etwa in einem Interview zu seinem neuen Album, dass Popmusik allen gehört, dass niemand etwa bestimmte Akkorde oder so besitzt, und dass Menschen, die das aber negieren, ordentlich eine mit einem nassen Fisch um die Ohren bekommen sollen. Das hört sich gut an, einen nassen Fisch schwingen und zuschlagen, tun wir dann aber natürlich nicht, ganz abgesehen davon, dass es um den Fisch schade wäre.

Album Cover

Warner Music

„C´mon You Know“ ist am 27. Mai bei Warner Music erschienen.

Mit „C´mon You Know“ leitet der britische Starmusiker Liam Gallagher den Sommer ein. Einen Sommer in dem wir, auch wenn wir die Pandemie nach wie vor ernst nehmen, trotzdem vieles einfach einmal vergessen, wenn wir die neuen Songs des Liam G. hören. Er ist kein „overthinker“, sagt Liam Gallagher anlässlich seines neuen Albums über sich selbst, und meint damit nicht, dass er ein „Dummkopf“ ist - das ist Liam gewiss nicht -, sondern dass er kein Grübler ist. Vielleicht ist genau das einer der Gründe, warum er weiterhin relevant ist und innerhalb kürzester Zeit etwa alle Karten für seine beiden großen Shows für Anfang Juni im Knebworth Park ausverkaufte.

Knebworth Park, nördlich von London, ist jener Ort, an dem im August 1996, Oasis zwei so bedeutende Konzerte spielten. Ich war damals selbst vor Ort, stolperte als Britpop-trunkene junge Frau über das Feld, verpasste den von der Plattenfirma organisierten Bus zurück nach London und fuhr schließlich irgendwann in den Morgenstunden mit einem nicht leicht zu bekommenden Taxi die fünfzig Kilometer heim zu mir nach London. Ich schwärme heute noch von diesem Tag/Abend. Die Magie der Gallagher-Brüder funktioniert auch heute noch, wobei zur Zeit Liam, der jüngere der beiden, der größere Magier zu sein scheint.

Liam Gallagher wird im September fünfzig Jahre alt. Er macht heute brav Stimmübungen bevor er singt und verzichtet auf Milchprodukte, weil diese für die Stimme nicht gut sein sollen. Es zahlt sich aus, Liam ist wirklich gut bei Stimme auf seinem neuen Album. Wenn du jung bist und Sänger in einer Rock´n´Roll-Band, so Liam Gallagher vor wenigen Monaten im Interview mit dem britischen Radiomoderator Chris Moyles, dann machst du so etwas natürlich nicht und solltest auch sogleich wieder vergessen, was ich hier quatsche. Hast du hingegen schon ein paar Jährchen auf dem Buckel, willst dich aber nicht in den Ruhestand vertschüssen, dann musst du ein paar Dinge tun, um weiter singen und spielen zu können.

Und mit einige Jährchen auf dem Buckel, kommt einem vielleicht auch der Gedanke, sich bei seiner Mutter zu entschuldigen. Wofür entschuldigt sich Liam Gallagher bei seiner Mama? Er hat ohnehin stets respektvoll über sie gesprochen. Nun ja, so singt Liam jedenfalls: „Mother, I admit that I was angry for too long, I wish I had more power“. Auch der Vater - ein alkoholkranker Mensch, der sich praktisch nicht um die Familie kümmerte, wird in diesem Song adressiert: „Father, I can see so many things now that you are gone, I wish I had more power“. Es handelt sich um den Album-Opener namens „More Power“, er beginnt mit einem Kinderchor, einer schönen Akustik-Gitarre und referenziert die Rolling Stones und ihren Song „You Can´t Always Get What You Want“.

Die Beatles kommen, eh klar irgendwie, auch vor. Der energiegeladene Rocksong „Better Days“ ist inspiriert von „Tomorrow Never Knows“ von der großen Band aus Liverpool, genauer gesagt dem Drum Beat des Songs. „Better Days“ ist ein perfekter Song, um im Festivalschlamm die Pandemie abzuschütteln. Vielleicht liegt ja irgendwo im Kasten von Mama/Oma oder Papa/Opa noch eine 70er-Jahre-Schlaghose herum, die ziehen wir dazu vorher an. An der Gitarre ist bei „Better Days“ übrigens Nick Zinner von der New Yorker Band Yeah Yeah Yeahs zu hören.

Liam Gallagher stieg für das Video zu „Better Days“ Zusammen mit seiner Band auf das Dach des historischen Midland Hotels in Manchester und performte, während die Menschen in den umliegenden Büros und auf der Straße zusahen. Das Video bekommt einen cineastischen Touch, wenn sich der Himmel psychedelisch verfärbt, und ist eine Anspielung auf die legendäre Apple-Corps-Dachshow der Beatles. Regie führte der mehrfach für einen Grammy nominierte Paul Dugdale.

Der positive Spirit des Songs wird noch verstärkt, indem Liam für den Rest des Jahres alle britischen Einnahmen aus dem Song an War Child spendet. Die Wohltätigkeitsorganisation setzt sich für den Schutz, die Bildung und die Rechte von Kindern ein, die von Krisen und Kriegen betroffen sind, und kämpft gegen die Ursachen der Konflikte, um eine sicherere Zukunft für Kinder in Kriegsgebieten auf der ganzen Welt zu schaffen. Liam Gallagher unterstützt War Child seit längerem.

Der positive Vibe ist auch im Albumtitelsong zu hören. „C´mon You Know“, hat Songzeilen wie „C’mon, you know it’s gonna be alright, and we’re gonna dance all night. C’mon on you know get up, stand up if you feel alive. I only wanna see you smile, c’mon on you know.“ Liam Gallagher sagt über sich, insgesamt ein positiv denkender Mensch zu sein, eben kein „overthinker“, auch wenn er, wie er sagt, immer wieder viel Bullshit redet, vor allem eben über andere Musiker.

„C´mon You Know“ ist das dritte Soloalbum von Liam Gallagher, und Liam ist darauf insgesamt noch besser als am letzten. Er hat wieder mit den US-Musikern/Produzenten Andrew Wyatt und Greg Kurstin zusammengearbeitet. Die Produktion ist eine schimmernd-poppige, der raue Pelz des Liam Gallagher wird dennoch nicht niedergebürstet.

Manchmal rappt er fast - beim aggressiven, an Punk, an die Stooges, aber auch an Dub-Reggae erinnernden „I´m Free“, manchmal klingt er bittersüß - bei „It Was Not Meant To Be“, wo Oasis-Gründungsmitglied Paul „Bonehead“ Arthurs wieder unverkennbar die akustische Gitarre spielt. „Everything´s Electric“ ist ein großer Stadion-Song, wie ihn Oasis so nie zusammengebracht haben - Dave Grohl spielt Schlagzeug und ist Co-Autor des Songs, neben Liam und Greg Kurstin.

„Too Good For Giving Up“ ist eine Piano-Ballade und das interessante, theatralische „Moscow Rules“ - mit Cello, Flöte und einem Saxofon-Solo - ist ein Spionage-Song, der nichts mit der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine zu tun hat. Der Song wurde von Liam Gallagher schon viel früher geschrieben, zusammen mit Ezra Koenig von der New Yorker Band Vampire Weekend. Sollte das Stück jedoch, allein wegen dem Titel, als unpassend empfunden werden, dann nehme ich es einfach von der Platte, meinte Liam Gallagher zuletzt.

„What happened to the world we knew“, fragt sich ein nachdenklicher Liam Gallagher im Song „World´s In Need“ und „I´m shining like a diamond in the dark“, singt Liam Gallagher in „Diamond In The Dark“. Liam der Leuchtturm. Er erfindet sich mit „C´mon You Know“ nicht neu, was aber auch gar keinen Sinn machen würde, dennoch ist genug Experimentelles vorhanden. Sollte das nicht immer komplett aufgehen, dann geb ich einfach der Pandemie die Schuld daran, lacht Liam Gallagher, sie hat ihn schließlich mit ihren Lockdowns eingesperrt und ihm etwas zu viel Zeit zum Überlegen gegeben. Liam G. wie er leibt und lebt: Gut, dass er nichts von seinem Humor verloren hat.

„C´mon You Know“ von Liam Gallagher ist am 27. Mai bei Warner erschienen. Gleichzeitig kam sein Live-Album „Down By The River Thames“ heraus: Liam Gallagher ließ sich im Dezember 2020, mitten im tiefsten Lockdown-Winter, nicht davon abbringen, ein gewaltiges Livestream-Ereignis auf die Beine zu stellen. Als die Idee zu dieser Show aufkam, orientierte sich Liam Gallagher an den Sex Pistols und The Clash und beschloss, ebenfalls in See, oder besser, in den Fluss zu stechen. Gemeinsam mit einer tollen Live-Band schipperte er auf einem Frachtkahn die Themse hinunter und spielte.

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