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Bilder aus einem Sozialmarkt in Wien

APA/ROBERT JAEGER

Teuerungen: Viel Zulauf bei Sozialmärkten

Wir erleben die höchste Teuerungswelle seit 40 Jahren. Strom, Gas, Benzin – alles wird teurer. Die Mieten steigen schon lang und nun auch noch die Lebensmittelpreise. Das spüren bereits viele aus dem Mittelstand. Für Armutsbetroffene sind die Mehrkosten eine umso stärkere Belastung. Immer mehr Menschen kaufen daher in Sozialmärkten ein.

Von Barbara Köppel

Es ist viel los im Sozialmarkt des Wiener Hilfswerks in der Neustiftgasse. In der Obst- und Gemüseabteilung hat sich eine lange Schlange gebildet. Die frischen Früchte werden hier nur rationiert abgegeben. Ein halbes Kilo Erdbeeren gibt es schon um einen Euro, eine kleine Tube Kinderzahnpasta um 10 Cent.

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Wo spürst du die aktuellen Teuerungen und wie gehst du damit um? Das besprechen wir heute Abend, am 31.5. 2022 ab 21 Uhr in FM4 Auf Laut.

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Oder ruf an unter: 0800 226 996.

Ich komme mit einem Kunden ins Gespräch: Ende Zwanzig, lange Haare, wir stehen vor den Süßwaren. Thomas ist freier Dienstnehmer, sein Einkommen liegt allerdings unter der aktuellen Armutsgefährdungsgrenze von 1.371 Euro pro Monat. Das musste er für seine Einkaufsberechtigungskarte nachweisen. Thomas ist hier Stammkunde. In letzter Zeit hat er bemerkt, dass immer mehr Menschen im Sozialmarkt einkaufen. Das bestätigt auch Peter Kohls. Er ist der Geschäftsfeldleiter der Sozialmärkte des Wiener Hilfswerks:

„Wir bemerken die Entwicklungen der letzten Wochen und Monate auf jeden Fall. Wir haben sehr viele neue Kunden, die uns erzählen, dass sie sich den Einkauf im normalen Supermarkt einfach nicht mehr leisten können. Für jene, die durch die aktuellen Teuerungen sowieso schon jeden Cent umdrehen müssen, macht es eben einen Unterschied, ob das billigste Viertel Butter statt wie letztes Jahr etwa 1,30 Euro kostet oder wie heute jenseits der 2 Euro liegt.“

Sozialmarkt in Wien

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Zulauf durch Ukrainekrieg und Teuerungen

Hinter der Kassa überprüfen nach dem Einkauf hier ausnahmslos alle ihre Rechnung: Familien mit Kindern, ältere Personen, der eine oder andere Studierende. Die machen nur einen kleinen Anteil aus und kommen meist nur vorübergehend, sagt Peter Kohls. Zulauf komme derzeit eher aus anderen Gruppen. Ich treffe auch gleich mehrere Frauen aus der Ukraine. Eine erzählt mir, dass sie und ihr 14-jähriger Sohn mit nur 315 Euro pro Monat auskommen müssen. „Neben denjenigen, die von der Teuerung so stark betroffen sind, kommen natürlich auch gerade viele Vertriebene aus der Ukraine in unsere Sozialmärkte“, erklärt Kohls. „Das sind die zwei großen Strömungen, die derzeit den Kundenzuwachs bei uns verursachen.“

Alles, was in den Sozialmärkten des Wiener Hilfswerks verkauft wird, wird von Unternehmen, Gastronomie oder Großhändlern gespendet. Durch den Ukrainekrieg sind die Spenden vor Ort in den Märkten etwas zurückgegangen. Und der größere Zulauf bedeutet, dass es in den Sozialmärkten nun weniger Ware pro Kunde gibt. Es sei schwieriger geworden, die Nachfrage ausreichend abzudecken, so Kohls. Vor allem frisches Fleisch und Hygieneartikel kaufen daher viele noch woanders. Thomas etwa gönnt sich auch mal Bioprodukte: „Hin und wieder gehe ich auch zum Billa oder Spar. Da achte ich dann weniger auf die Preise, sondern darauf, dass die Produkte bio und aus der Region sind. Das ist mein Luxus.“ Er erzählt auch Anekdoten vom Dumpstern und weiß, welche Müllräume nun verschlossen sind und Lebensmittelrettung und soziale Versorgung verhindern.

Bilder aus einem Sozialmarkt in Wien

APA/ROBERT JAEGER

Doch was tun gegen die Teuerungen bzw. dafür, dass sich die Leute wieder mehr leisten können? „Schön wäre es, wenn es für Unternehmen im Lebensmittelbereich noch mehr Anreize gäbe, Waren zu spenden. Das würde uns im Moment helfen“, sagt Peter Kohls abschließend. Thomas hingegen wünscht sich einen höheren Mindestlohn. Dass es derzeit zumindest Vorschläge gibt, auch die Sozialleistungen an die Teuerungen anzupassen, findet er auch wichtig. Doch bis sich dahingehend etwas grundlegend verändert, werden die Schlangen an den Sozialmarktkassen weiterhin lang sein.

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