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Regina Spektor

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Regina Spektor ist zurück!

Regina Spektor veröffentlicht mit „Home, Before And After“ ihr erstes Album seit sechs Jahren. Der elektrisierende Piano-Pop der New Yorkerin ist nach wie vor intakt, sie bleibt sich treu, streckt mit ihrem achten Album aber ihre Fühler auch ein wenig nach neuem klanglichem Territorium aus.

Von Eva Umbauer

Das letzte Album von Regina Spektor, „Remember Us To Life“, ist ganze sechs Jahre her, aber was sind schon sechs Jahre für Regina. Ihr Zeitbegriff, so meint sie, ist ein wenig anders als der der meisten Menschen. „I stretch time“, sagt Regina Spektor. Aber irgendwann muss dann wirklich Schluss und die Dinge fertig sein. Dazu hat man als Musiker*in etwa auch einen oder eine Producer*in, man wird ein wenig angetrieben und dazu angehalten, fokussiert zu sein.

In diesem Fall war das John Congleton, ein US-Musiker - The Paper Chase aus Dallas, Texas war seine Band -, der schon mit vielen Musiker*innen im Aufnahmestudio war. Die Produktionsliste von John Congleton ist lang und enthält Namen wie Anna Calvi, Amanda Palmer, Sleater-Kinney und The Staves. Für seine Produktion des 2014 erschienenen gleichnamigen Albums von St. Vincent gewann Congleton sogar einen Grammy.

Regina Spektor und John Congleton schickten einander erst Ideen hin und her. Es herrschten die Lockdowns der Pandemie und man konnte einander nicht treffen, außer eben virtuell. So zu arbeiten war für Regina Spektor anfangs ungewohnt, sie meinte erst, sie kann das nicht, aber dann ging es doch recht gut, und schließlich konnte man einander tatsächlich persönlich sehen und in einem Studio außerhalb von New York die neuen Songs fertig aufnehmen.

Diese neuen Songs hat Regina Spektor sozusagen zwischendurch geschrieben, nicht umsonst sagt sie, dass ihre Songs ein „by-product“ ihres Lebens sind. Sie könnte nie, wie andere Musiker*innen das machen, etwa in eine einsame Berghütte ziehen und dort zwei, drei Wochen Songs schreiben, auch sperrt sich Regina Spektor nicht stundenlang mit Bürozeiten in ein Arbeitszimmer ein, um zu komponieren.

Sie habe dabei keine Ideen, ja, es widere sie an, am Klavier zu sitzen und unter Druck Songs zu schreiben, denn, wenn es gerade nicht geht, dann geht es eben nicht. Regina Spektor steht dann auf, geht kurz spazieren oder kocht etwas. Zwischen Suppe und Hauptspeise kommt dann vielleicht ganz nebenbei eine zündende Idee.

Regina Spektor wurde in Moskau geboren. Als sie neun Jahre alt war, wanderte sie zusammen mit ihren Eltern nach New York aus. Es war keine einfache Entscheidung für die Familie, auch weil Regina bereits als Kind richtig gut am Piano war und später in Moskau vielleicht als Pianistin Erfolg gehabt hätte. Aber Familie Spektor war jüdischen Glaubens und in Russland Diskriminierung ausgesetzt.

Viele jüdische Familien wanderten von Russland in die USA aus, auch die von Jack Dishel, dem Multiinstrumentalisten, der der Gitarrist der New Yorker Anti-Folk-Band Moldy Peaches war und mit dem Regina Spektor verheiratet ist und zwei gemeinsame Kinder hat. Vor drei Monaten starb Reginas Vater. Ilya Spektor war Fotograf, Amateurviolinist und Reginas allergrößter Fan.

Die Songs von Regina Spektor handeln vom Leben, vom Tod und von der Liebe. Sie sind durchdacht und komplex, haben aber gleichzeitig etwas kindlich Unschuldiges und gar Märchenhaftes. Sie sind minimalistisch und intim oder groß und bombastisch. Bedachtes Storytelling trifft auf Pomp und Pathos. Diese Songs haben einen Art-Punk-Spirit oder atmen die Musiktheaterluft des New Yorker Broadway. Die Melodien sind immer exquisit.

Regina Spektor

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„Home, Before And After“ von Regina Spektor ist bei Warner erschienen.

Die Songs von Regina Spektor sind melancholisch oder sogar herzzerreißend, sie können aber auch lustig sein, voller Humor oder auch beißend satirisch. Oft ist der Wechsel schnell und fast wie im Fiebertraum, und Genres gibt es sowieso nicht wirklich in der Musik von Regina Spektor. Weniger „grell“ als früher ist ihre Musik nun, dafür experimentierfreudiger.

Einen dieser Songs vom neuen Album kennen Regina-Spektor-Fans bereits von der einen oder anderen Livedarbietung, nämlich „Becoming All Alone“ - mit dieser die Empathie beschwörenden Textzeile „You have a heart, why don’t you use it“. Endlich hat der Song nun auch auf einem Album ein Zuhause gefunden, genauso wie ein anderer, den Regina in den letzten Jahren immer wieder bei Konzerten spielte, nämlich „Raindrops“.

„Raindrops“ ist ein vom Klavier angetriebener Song - Regina Spektor spielt neben Piano ja auch Gitarre. „Space Time Fairytale“ ist eine eklektische neun-minütige Piano-Ballade, furchtloser Sci-fi-Existentialismus - ein Herzstück vom neuen Album. „One Man’s Prayer“ hat dramatische Vocals, Streicherarrangements und anschwellende Synths. Inhaltlich geht es um einen Typen, der eine Frau benutzt, um sein Ego zu befriedigen.

Das ins Ohr gehende und ein wenig an St. Vincent erinnernde „Sugar Man“ hat ein ähnliches Thema wie „One Man’s Prayer“ und ist perfektes, absurdes Drama. „Loveology“ wiederum ist ein klassischer Regina-Spektor-Song. Bei „Up The Mountain“ mixt Regina frühen 00er-Jahre-Pop und Hip-Hop, wechselt zwischen Sprechgesang und Rap.

„Through A Door“ ist mit seinem plätschernden Piano, dem schmetternden Refrain und den mitreißenden Strings ein wenig Broadway. „Hearts can travel through closed doors“, singt Regina Spektor - „they can wander empty halls“, und weiter heißt es: „If you let your heart go free, it will always come back full home.“ Zuhause ist dort, wo ein Licht brennt, auch wenn du länger weg warst: „Home is where the light’s on, no matter how long you been gone ... the world had changed a little bit.“

„Through A Door“ ist also ein wenig der Song, der dem Album „Home, Before And After“, den Titel gibt. Das Zuhause vor und nach der Pandemie, das Zuhause vor und nach dem Tod des Vaters, das Zuhause in der alten Heimat Russland - vor und nach dem Angriff auf die Ukraine. Der Albumtitel „Home, Before And After“ kann mannigfaltig interpretiert werden. Eines ist jedenfalls laut Regina Spektor gewiss: „Hearts can travel through hard times.“ Ihre achte Platte - eine absolute Herzensangelegenheit.

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