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Erich Moechel

US-Justizministerium klagt NSA-Vertragsfirmen

Die durch Edward Snowden bekanntgewordene Consulting-Firma Booz Allen Hamilton ist dabei, den einzigen Konkurrenten zu übernehmen, der ihr Quasi-Monopol als NSA-Zulieferer in Frage stellt.

Von Erich Moechel

Rund um die NSA spielt sich derzeit ein seltenes juristisches Schauspiel ab. Das US-Justizministerium (DOJ) hat ein kartellrechtliches Eilverfahren gegen die beiden mithin wichtigsten NSA-Zulieferfirmen angestrengt. Dadurch soll die für Anfang August geplante Übernahme der Softwarefirma EverWatch durch den NSA-Contractor Booz Allen Hamilton noch verhindert werden.

Die Klageschrift zeigt ein rares Sittenbild der Strategien und Methoden, die im militärisch-elektronischen Komplex der USA üblich sind. Sie ist so detailliert, dass EverWatch eine Klage gegen das DOJ wegen Verrats von Geschäftsgeheimnissen angekündigt hat.

Screenshots aus Dokument

U.S. Department of Justice

Eingereicht wurde diese Klage durch das Justizministerium Ende Juni. Die bereits im März gestartete Übernahme sollte laut Plan am 5. August abgeschlossen sein. Die Zeitspanne von drei Monaten dazwischen legt nahe, dass es davor entweder Verhandlungen zwischen dem DOJ und Booz Allen Hamilton gegeben hatte oder das DOJ eine bestimmte Phase dieses Übernahmevertrags abgewartet hatte. (siehe unten)

„Signals Intelligence“, Kernaufgabe der NSA

Booz Allen war der letzte Arbeitgeber Edward Snowdens. Von Booz Allen stammen auch die Folien zum berüchtigten Prism-Programm der NSA.

EverWatch hatte seit 2019 den Markt für Regierungsaufträge aus der „Intelligence Community“ und da vor allem im Bereich der nationalen Sicherheit aufgemischt. Dafür hatte man zwei Dutzend kleinere Unternehmen aufgekauft, die über das im weiteren Bereich „Signals Intelligence“ nötige Knowhow verfügten. Im Zentrum stehen dabei KI-Anwendungen zur Simulation und Modellierung von Datenverarbeitungsprozessen im Bereich „Signals Intelligence“, also der sogenannten elektronischen Nachrichtenaufklärung.

Damit wurde ein im Vergleich zu den „Incumbents“ - den Platzhirschen unter den Contractors - schlankes und schlagkräftiges Unternehmen aufgestellt, das den eingesessenen Vertragsfirmen in Folge einen Auftrag nach dem anderen abjagte. Erst 2021 hatte EverWatch die Folgeausschreibung eines Großauftrags der US Navy gegen die Beratungsfirma CACI gewonnen, die lange Jahre den Bereich maritime Nachrichtenaufklärung alleine dominiert hatte. Die im Militärbereich jeweils neu vergebenen Verträge resultieren ja zum Großteil aus Folgeaufträgen, die immer wieder neu ausgeschrieben werden müssen. Weil die US Navy nun einmal andere Aufgaben und Ziele, Daten und Prioritäten hat, als etwa die NSA, lassen sich die Anwendungen nicht so einfach von einer Agency auf eine andere übertragen.

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U.S. Department of Justice

Booz Allen als Quasi-Monopol

Die Karriere des ehemaligen NSA-Direktors Mike McConnell zeigt die engen personellen Verbindungen zwischen Booz Allen und dem US-Geheimdienstkomplex.

Im konkreten Fall der Klage geht es nun um die Folgeausschreibung eines NSA-Programms namens „Optimal Decision“, das seit 2002 unter einem anderen Titel ("Mason I,II und III) alle paar Jahre neu ausgeschrieben wird. 2002, 2007 und 2014 hatte Booz Allen alle diese Aufträge als Generalunternehmer gewonnen, 2014 war das Unternehmen überhaupt der einzige Bewerber gewesen. Konkurrent SAIC, der einzige ernsthafte Mitbewerber, hatte davor das Marktsegment verlassen, ein neuer Rivale für Booz Allen war nicht in Sicht. Die Anforderungen sind sehr speziell, denn „Firmen, die für die NSA Modellierungs- und Simulationsservices anbieten, müssten ‚Signals Intelligence‘ von der Sammlung, Verarbeitung bis zur Analyse verstehen“, heißt es in der Klageschrift.

Weiters müssten sie über die von der NSA eingesetzten Technologien wie Hard- und Software für „Signals Intelligence“ ebenso wie über die Datenarten, -umfänge und -formate und deren Verarbeitung Bescheid wissen und welche Art der Verarbeitung sinnvolle Ergebnisse bringe. Über die Jahre habe das zu einer Quasi-Monopolstellung für Booz Allen Hamilton geführt, heißt es in der Klageschrift. 2019 war mit Everwatch plötzlich ein zweiter aussichtsreicher Bewerber für „Optimal Decision“ aufgetaucht. Das Unternehmen ist intern völlig anders organisiert als die Incumbents, laut Klageschrift geht sogar Booz Allen davon aus, dass EverWatch um Längen besser aufgestellt ist, als das eigene, riesige Unternehmen.

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Wie EverWatch aufgestellt ist

2013 hatte Amazon zusammen mit Booz Allen IBM den Großauftrag der CIA für Cloud-Computing abgejagt.

Es ist ein lange bekanntes Problem im Militärbereich, dass gerade talentierte Entwickler sehr oft nicht dazu gebracht werden können, sich regelmäßig peinlichen Volldurchleuchtungen („Security Clearances“) samt Lügendetektor- und Drogentests zu unterziehen. EverWatch umgeht dieses Problem durch ein zweigleisiges Modell, in dem sämtliche unproblematische Elemente eines KI-Softwareprojekts für den Intelligence-Komplex von Codern ohne entsprechende Klassifizierung entwickelt werden können. Darüber hinaus hatte man mit den Firmenübernahmen auch die Führungskräfte samt deren Security Clearances eingekauft.

Darunter müssen auch Führungskräfte gewesen sein, die Erfahrung mit Software-Services zur Verarbeitung von SIGINT-Daten hatten. Und so kam es, dass bis zum Frühjahr wieder zwei Firmen für die Neuausschreibung in Frage kamen. Zu diesem Zeitpunkt führten die beiden Unternehmen bereits Geheimverhandlungen über eine Fusion, bereits im Dezember sollte man sich darüber handelseins gewesen sein. Der NSA waren diese Verhandlungen bis zum Frühjahr offenbar nicht bekannt.

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Wer hinter der Übernahme steckt

Da die Ausschreibung für „Optimal Decision“ nun unmittelbar bevorstehe, so die Klageschrift, sei es undenkbar, dass sich ein weiterer Bieter einstelle. Durch diese Übernahme wäre die NSA abermals mit einem Monopol konfrontiert, „das schädigt den Wettbewerb, trifft die Steuerzahler und beeinträchtigt die Services der NSA“. Die Ausschreibung Für „Optimal Decision“ ist für den Herbst geplant.

Eingefädelt hatte diesen Deal eine private Investment-Bank namens Baird, die sich zuletzt auf Übernahmen unter „Government Contractors“ spezialisiert hatte. Egal wie das Gericht entscheiden wird, mit diesem Deal, der frontal gegen die Interessen des geheimdienstlichen Militärkomplexes der USA gerichtet ist, haben Baird, Booz Allen und auch die Führungsebene von EverWatch die NSA herausgefordert und sich bei den US-Militärs sehr unbeliebt gemacht. Das wird nicht ohne Folgen bleiben.

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