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Harry Styles auf seiner Love on Tour

Anthony Pham

Harry Styles und seine simple Botschaft der Liebe und Selbstakzeptanz

Mit seiner Love On Tour manifestiert sich Harry Styles als Popstar des Jahrhunderts.

Von Susi Ondrušová

Erziehungsberechtigte, die vor der Stadthalle Wien wild ins Handy tippen, Taschenlampe in die Höhe halten und rufen „Aber ich stehe hier! Wo bist du?“. Das sind die Bilder, die man beim Verlassen der Venue zu sehen bekommt. Die 11.000 Besucher*innen verlassen das Gebäude und tragen ihre Erinnerungen nach Hause. Liegengelassene Sitzpolster, Trinkflaschen und Essensreste erinnern an den Nachmittag, an dem sich schon große Publikumstrauben beim Eingang versammelt haben. Wer ein Ticket für den Stehplatz-Bereich, den Golden Circle ergattert hat, möchte natürlich, wenn schon denn schon, ganz, ganz vorne in der ersten Reihe stehen. Federboas und pinke Cowboy-Hüte gehören zum Dresscode des Love On Tour-Spektakels.

„Be whoever and whatever you want to be!“, ist die Präambel, die der Musiker jeden Abend bei seinen Konzerten dem Publikum erzählt. Und: „Your only job tonight is to have fun!“ Das Konzert-Accessoire der Harry-Styles-Fans sind nicht Stofftiere, sondern Pride-Flaggen. Das Hilfsmittel, um die Konzert-Stimmung zu steigern, sind nicht nur die eigenen Stimmbänder, sondern Regenbogen-Post-Its, die durch die Sitzränge gereicht werden mit der Aufforderung, beim Song „Lights Up“ das Handy zum bunten Scheinwerfer zu machen.

Alica Ouschan über das aktuelle Album „Harry’s House“

Wolf Alice als Support Act

Mitski, Arlo Parks und Wolf Alice heißen die Bands, die Harry Styles als Support-Acts für seine Tour ausgesucht hat. Die Juli-Termine absolviert die Londoner Band Wolf Alice, die für ihr 2017er-Album „Visions of a Life“ mit dem Mercury Prize ausgezeichnet wurde und heuer bei den NME Awards als „Best Festival Headliner Act“ ausgezeichnet wurde. Wolf Alice hat mit Harry Styles’ Verständnis von Pop-Musik mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick erscheint. Der ehemalige One Direction-Sänger Styles kommt vielleicht nicht ganz in die Riot Grrrl-Stimmlage wie sie Wolf Alice in „Play The Greatest Hits“ oder „You’re A Gem“ praktizieren, aber was das Genre der Liebes- und Lebenslieder und des mehrstimmigen Gesangs betrifft, hätte man sich keinen besseren Support-Act wünschen können. Wer „Matilda“ singt, wird auch bei „Safe From Heartbreak“ mitsingen. Fakt. Do try this at home!

Wie gut sich Wolf Alice auf dieser Tour mit Harry Styles aufgehoben fühlen, davon erzählen Theo und Ellie im FM4 Interview: „It’s been incredible. We’ve been blown away by the reactions from the crowd!“

Harry Styles ist sein eigener Show-Effekt

Pyro, Konfetti, Tänzer*innen, Requisiten, Kostümwechsel oder Visuals, damit auch in der letzten Reihe alle mitgerissen werden: Die Trickkiste aus der sich Stars in der Liga eines Chartstürmers wie Harry Styles bedienen können, ist groß. Die Bühne ist schlicht gehalten: bunte Podeste, auf denen die sechsköpfige Band Platz nimmt und ein Laufsteg. Der Show-Effekt bei der „Love On Tour“ ist einzig und allein Harry Styles. Auf der Tour meist gekleidet wie ein Pop-Art-Kunstwerk, diesmal eine Hose in Schachbrettmuster und ein T-Shirt mit einem Pailletten-Kiwi auf der Brust. Die choreographische Tollpatschigkeit, die aus seiner Vorgänger-Band One Direction solche sympathischen Performer gemacht hat, wird hier weitergesponnen. Das Motto könnte auch sein „Dance like nobody´s watching“. Es werden Hüftgelenke geschwungen und mit Ellenbogen getanzt. Bei besonders dramatischen Drums-Einlagen gibt es die Freddie-Mercury-Gewinner-Faust.

Harry Styles auf seiner Love on Tour

Anthony Pham

Die Konzertfotos sind aus München, die Bilder aus Wien lassen sich noch Zeit.

Im Vergleich mit lang erwarteten Konzerten. bei denen das Publikum durchkreischt, übernimmt das textsichere Publikum bei Harry-Styles-Konzerten die Rolle eines Chores. Sie machen mit bei allen Power-Rock-Tracks, bei den Balladen, bei der Disco-Funk-Einlage. Das ein Hallen-Konzert keine Einbahn-Berieselung sein muss, sondern ein kommunikatives Miteinander, dafür gibt es das gute alte Schild! Im Golden Circle sieht man die Fans mit einem „I quit my job for this tour“-Schild. Auf einem anderen steht „Will you design my next Tattoo?“ Ein Fan offenbart mit Edding und Karton, dass der Song „Medicine“ das einzige Antidepressivum ist, das hilft.
Ein Fan mit Beziehungsproblemen wird an diesem Abend auch in einer Einzelsitzung zwischen zwei Songs beraten.

Ein Konzert als Safe Space

Popstar Harry Styles ruft seine Konzerte zu Safe Spaces aus, bei denen man dem Sitznachbarn rechts und links in die Augen schauen soll und „I love you“ sagen, bevor man es auch zu sich selber sagt. Dieser Harry Styles ist das Gegenteil von einem Musiker, der auf einem überheblichen Podest Platz nimmt und sich bewundern lässt. Es wäre nichts leichter als jeden Abend ein „You´ve been wonderful!“ in die Menge zu rufen, Harry Styles ist schließlich auch Schauspieler, aber er wohnt nicht auf einem anderen Stern. Er wirkt gar bescheiden und wird nicht müde, sich zu bedanken, bei jeder einzelnen Person, die ihn in den letzten Jahren seiner Karriere begleitet hat. Die Kusshände ins Publikum, die Thank-You-Rufe, die er beim Abwandern der Bühne in alle Richtungen verteilt: Seine Ergriffenheit wirkt berührend und ansteckend. He made it? We made it!

Harry Styles steht für Inklusion und Selbstakzeptanz. Das weiß auch Leonie, ein Fan aus den vordersten Reihen, die Harry Styles per Schild auffordert „Help me come out“. Diesen Wunsch erfüllt Harry Styles unter tosendem Applaus mit einem Pride-Flaggen-Tanz. Was wäre, wenn das Leben außerhalb der Konzert-Hallen-Wände genauso freundlich und geil wäre? Wenn man auf jede Herausforderung des Alltags ein spitzbübisches Lächeln, eine Sieger-Pose, einen Hüftschwung, einen kleinen Ellenbogen-Tanz erwidert bekommen würde? Ein Harry-Styles-Konzert ist wie eine Tankstelle der Guten Laune. Ladet euch auf so gut und viel es geht. Nehmt alles mit, was ihr mitnehmen könnt. Hände und Herzen. Be kind. You’re so golden.

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