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ÖFB Team der Frauen

APA/GEORG HOCHMUTH

Wie man Fußball der Frauen in Österreich nachhaltiger etablieren kann

„Das Nationalteam bringt Leistungen, die eigentlich in Anbetracht der Verhältnisse in Österreich erstaunlich sind“, so Birgit Riezinger vom Fußballmagazin Ballesterer. Mit uns spricht sie darüber, was in Österreich nötig wäre, um den Fußball der Frauen auf eine breitere Basis zu stellen.

Erst im Viertelfinale war für Österreich Endstation bei der Fußball-EM 2022. Ein im Ergebnis deutliches, dem Spielverlauf durchaus knappes 0:2 gegen Deutschland beendete den erfolgreichen Auftritt der ÖFB-Frauen in England.

Schon vor fünf Jahren zeigte das Team mit einem Halbfinaleinzug bei der EM auf, man versprach sich davon einen großen Anschub für den Fußball der Frauen in Österreich. Was ist davon geblieben? Und was braucht es jetzt, um den Schwung mitzunehmen und Fußball der Frauen in Österreich nachhaltig zu etablieren? Birgit Riezinger ist Sportjournalistin und schreibt unter anderem für das Fußballmagazin Ballesterer. Während der Vorrunde in England hat sie das österreichische Team begleitet. Mit uns hat sie über ihre Einschätzung der Situation in Österreichs Fußball-Landschaft gesprochen.

FM4: Der Viertelfinaleinzug bei der EM war wieder ein riesiger Erfolg für den österreichischen Fußball, für den österreichischen Fußball der Frauen. Was müsste man denn jetzt tun, damit dieser Erfolg nachhaltiger wirkt als beim letzten großen Erfolg 2017?

Birgit Riezinger: Es ist schwer da irgendwo anzufangen. 2017 hat der ÖFB zugegeben, dass sie auf den Erfolg gar nicht vorbereitet waren. Inzwischen ist tatsächlich etwas passiert, aber es waren halt nur kleine Schritte. Die Bundesliga hat zum Beispiel einen Sponsor bekommen, es gibt jetzt auch eine zweite Ausbildungsstätte in der Steiermark, nicht vom ÖFB, aber immerhin, das gibt’s. Es ist aber viel zu wenig.

Es braucht mehr Spielerinnen. Österreich hat ganz wenige Spielerinnen, nur knapp 11.000. Das ist wirklich sehr, sehr wenig. Es braucht mehr Vereine, es braucht mehr Spielmöglichkeiten für Mädchen. Also es gibt viele Mädchen, die einfach aufhören müssen, weil sie zum Beispiel in einen Klub nicht aufgenommen werden können, weil sie entweder die Spielstärke nicht haben oder weil sie, weil es dort schon zu viele Spielerinnen gibt.

Es braucht mehr Engagement von Männer-Fußballvereinen im Frauenfußball. Auch da ist jetzt was passiert, zuletzt hat sich Rapid gemeldet, nach langem Herumeiern würde ich sagen. Die wollen jetzt etwas mit Frauenfußball machen, geben sich aber sehr viel Vorlaufzeit und da hoffe ich, dass dann was Gescheites rauskommt. Aber es ist nicht alles. Das allein reicht nicht. Die Austria engagiert sich jetzt schon seit vier Jahren im Frauenfußball und meiner Ansicht nach recht halbherzig. Mal schauen, ob sie es in dieser Saison besser hinkriegen. Es ist ja noch immer Sankt Pölten Serienmeister. Und die haben ja nur eine Kooperation mit dem Männerverein, die haben das eigentlich sehr eigenständig aufgebaut. Eigentlich muss der Anspruch der Austria und dann auch von Rapid ganz klar sein, dass sie da Meister werden. Red Bull Salzburg will gar nichts mit Frauenfußball zu tun haben. Die geben das auch so kund. Ich glaube aber, dass sich das schon ändern wird, weil der Schwesterclub RB Leipzig ja schon im Frauenfußball aktiv ist. Und wenn die Salzburger das machen würden, dann glaube ich schon mit einem ordentlichen Budget.

Für einen Frauen-Fußballverein braucht man ja gar nicht so viel Budget. Sankt Pölten hat ein Jahresbudget von - genau weiß ich es nicht mehr, aber über 500.000 Euro. In den Regionen bewegt sich das ja. Das ist ein kleiner Teil vom Budget für einen Männerverein. Ganz vereinfacht gesagt: Man braucht nur ein bisschen mehr investieren und dann ist man schon vorne.

Was darüber hinaus eine wirklich eine extrem traurige Entwicklung ist: Nacht 2017 gab es - unter Anführungszeichen - kurzzeitig gute Zuschauerinnenzahlen bei den Spielen. Unter Anführungszeichen, weil für österreichische Verhältnisse, was in Wahrheit schlechte Zahlen waren. Das waren dann so 2500. Und das ist dann nach der Euro sogar schlechter geworden, als es vor der Euro war. Jetzt halten wir bei eninem Schnitt aus den letzten fünf Testspielen vor der EURO von circa 1000! Und das ist wirklich ganz ganz mager. Also da muss sich der ÖFB wirklich fragen, wie bekommen wir die Leute ins Stadion? Das ist echt eine sehr dürftige Entwicklung.

Birgit Riezinger vom Ballesterer im FM4 Studio

Radio FM4

Birgit Riezinger vom Fußballmagazin Ballesterer war mit dem österreichischen Nationalteam unterwegs in der Vorrunde

FM4: Ich habe von einem Bundesligaverein gehört, bei dem auf den Plätzen Frauen und Mödchen nur trainieren dürfen, wenn dort nicht gerade die Männer zugange sein. Ist das so?

Birgit Riezinger: Das ist ganz oft noch der Fall, dass die Frauen einfach zu wenig Trainingszeiten haben. Ein Ausnahmefall war da Union Landhaus. Das ist der traditionsreichste Frauen-Fußballverein in Österreich. Die sind jetzt aber in der zweiten Liga, weil sie sich von der Austria getrennt haben. Das ist ein Frauenverein und die haben eine eigene Sportanlage, dort läuft das gut. Ich glaube auch in Sankt Pölten läuft das gut. Aber ja, bei vielen Vereinen ist es so, dass man sich dann einfach irgendwie daran orientieren muss, wann halt sonst kein Männerthemen spielt. Dann dürfen halt die Frauen trainieren.

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FM4: Was müsste man denn im Mädchen-Bereich machen, oder überhaupt in unterklassigen Vereinen? Was wäre da eine Möglichkeit, mehr Frauen zum organisierten Spielen zu bringen?

Birgit Riezinger: Man muss mehr in die Schulen gehen, würde ich sagen. Das, glaube ich, hat der ÖFB jetzt auch vor. Es gibt viele kleine Projekte, zum Beispiel Kick it like Nina, das ist ein Projekt von Nina Burger, der ehemaligen Nationalspielerin. Es gibt lauter so kleine Sachen, aber große Wirkung hatten die bis jetzt noch nicht.

Man sieht vor allem in Wien, dass ein großes Potenzial nicht ausgeschöpft wird, nämlich von Mädchen mit Migrationshintergrund. Es gibt jetzt im Nationalteam eine einzige Spielerin mit Migrationshintergrund. Es wird jetzt ein bisschen mehr bei Nachwuchsteams, aber da wäre ein Riesenpotenzial da. Es gibt natürlich sehr viele Mädchen mit nicht-österreichischen Wurzeln. Die muss man erreichen, man muss Werbung machen, man muss das ganz aktiv machen. Das Nationalteam bringt Leistungen, die eigentlich in Anbetracht der Verhältnisse in Österreich erstaunlich sind. Das muss man wirklich sagen. Da klafft dann eine riesen Schere auf.

FM4: Weil jetzt in vielen Ländern diskutiert wird oder in manchen Ländern auch schon umgesetzt wurde: Gleiche Bezahlung für Frauen- und Männerteams. Wäre das eine Lösung von von oben?

Birgit Riezinger: Natürlich braucht es mehr Geld. In einzelnen Nationalteams wurde Equal Pay durchgesetzt, das sind die USA zum Beispiel, das ist aber auch Norwegen, Spanien, soweit ich weiß. Aber das heißt ja noch immer nicht, dass die so viel verdienen wie die Männer. Es gibt da ja noch immer eine riesige Lücke. Da geht es vor allem um die Clubs, was sie dann bei den Clubs verdienen! Ja, natürlich, eine Erhöhung ist gut. In der österreichischen Bundesliga gibt es insgesamt vielleicht zwölf Profi-Spielerinnen, und die meisten davon bei Sankt Pölten. Alle anderen spielen für Taschengeld. Wir haben auch im Nationalteam ein Spielerin, Jasmin Eder, die arbeitet Vollzeit beim ÖFB und ist Nationalspielerin. Also eh erstaunlich, aber das sind natürlich keine Bedingungen, wie man wirklich professionell Fußballspielen kann.

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