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Teamchefin Irene Fuhrmann

APA/GEORG HOCHMUTH

euro 2022

„Die Basis unseres Erfolgs ist unser Kollektiv“

Irene Fuhrmann, Teamchefin der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft der Frauen, im Gespräch mit Radio FM4.

Interview: Karl Schmoll

Radio FM4: Herzlich willkommen und vor allem Gratulation, Irene Fuhrmann. Das Ausscheiden des österreichischen Teams im Viertelfinale gegen Deutschland ist jetzt schon ein paar Tage her. Wie war denn die Stimmung? Direkt nach dem Spiel, sind da die Freude und die Erleichterung über das Erreichte das Größere gewesen, oder ärgert man sich doch ein bisschen und denkt vielleicht, die großen Favoritinnen, die Deutschen, wären eigentlich zu besiegen gewesen?

Irene Fuhrmann: Jede Sportlerin, jeder Sportler will gewinnen. Demnach war schon zuerst die Enttäuschung groß, vor allem, wenn man verfolgt hat, wie das Spiel verlaufen ist. Aber jetzt, wenn wir zurückblicken, wissen wir schon, dass wir Großartiges geleistet haben. Als kleines Land wie Österreich, und da bleibe ich bei meiner Aussage, dass die Qualifikation an sich keine Selbstverständlichkeit war. Und dass wir tatsächlich auch in dieser schwierigen Gruppe mit England, Nordirland und Norwegen wieder ins Viertelfinale gekommen sind, ist absolut als Erfolg zu werten. Trotzdem sieht man, dass heuer wahrscheinlich auch noch mehr möglich gewesen wäre.

Radio FM4: Das Fazit bei allen Fans und den Expertinnen in der Heimat war voller Freude und auch Stolz. Das Ergebnis, aber auch die Art und Weise, wie es erzielt wurde, das Auftreten, waren absolut überzeugend in mehrfacher Hinsicht. Was ist denn das Fazit der Teamchefin?

Irene Fuhrmann: Ein sehr gutes auf verschiedenen Ebenen. Ich habe immer wieder betont, dass mir die Art und Weise, wie unser Team auftritt, nicht nur am Platz, extrem imponiert. Man muss sich vorstellen, dass es schon eine Drucksituation war, dieser ständige Vergleich mit dem Erfolg 2017, aber auch die eigene Erwartungshaltung. Ich finde, dass wir von den Spielleistungen her einen klaren Schritt nach vorne gemacht haben.

Wir haben Bereiche, die uns schon 2017 ausgezeichnet haben, beibehalten, wie zum Beispiel das Spiel gegen den Ball, die Arbeit in der Defensive, aber auch dieses Kollektiv wieder zu leben, diese Leidenschaft, diesen Willen bis zum Ende, dass die eine für die andere kämpft. Andererseits finde ich, dass wir gerade im Spiel mit dem Ball enorme Entwicklungsschritte gemacht haben und mittlerweile, ja, gegen England vielleicht nur einzelne Nadelstiche setzen konnten, aber dann gerade in Spielen gegen so starke Teams wie Norwegen oder auch Deutschland in Phasen oft dominiert haben. Das soll uns viel Selbstvertrauen geben.

Radio FM4: Eine Euro im Mutterland des Fußballs, das Eröffnungsspiel mit 69.000 Zuschauer*innen und Sie und Ihr Team mittendrin. Das ist eigentlich ein Wahnsinn, oder? Vor einigen Jahren nicht vorstellbar. Welche Emotionen haben Sie durchlaufen?

Irene Fuhrmann: Wir haben so hin gefiebert auf dieses Highlight, im Old Trafford gegen den Gastgeber England zu spielen. Dann war das Spiel so schnell da und auch schon wieder vorbei. Ich werde den Moment nie vergessen, als ich mit Viktoria Schnaderbeck im Vorfeld des Spiels zur Pressekonferenz gefahren bin, weil da erstmals eine gewisse Nervosität aufgekommen ist. Als wir dann aber dort angekommen sind und ich in dieses Stadion gegangen bin, ist diese Nervosität komplett gewichen - einer Freude, dass wir hier sein dürfen, einer Freude wie eigentlich ein kleines Kind. Das wird mir ewig in Erinnerung bleiben.

Wir haben es tatsächlich geschafft, mit dieser gewissen Gelassenheit und Leichtigkeit nicht nur in dieses Spiel zu gehen, sondern diese auch beizubehalten. Das war so ein kleiner Schlüssel zum „Erfolg“, zu dieser Art und Weise, wie wir über das gesamte Turnier als Team aufgetreten sind.

Radio FM4: Die Leistungen der Österreicherinnen waren wieder gekennzeichnet von einer großen mannschaftlichen Geschlossenheit. Das gemeinsame Arbeiten gegen den Ball, das koordinierte Pressing und so weiter. War Ihnen das bei der Vorbereitung schon klar, dass das so gut funktionieren wird und dass das wieder ein großes Asset sein wird? Man hatte als Teamchefin nicht so viel Zeit, mit den Spielerinnen zu arbeiten, wie im Club.

Irene Fuhrmann: Wir haben gewusst, dass wir nur stark sind, wenn wir im Kollektiv stark sind. Weil es einfach so ist, dass andere Nationen deutlich mehr individuelle Qualität haben. Das heißt nicht, dass unsere Spielerinnen sich nicht die letzten Jahre auch in den stärksten Ligen Europas weiterentwickelt haben, aber die Basis unseres Erfolgs ist einfach unser Kollektiv.

Man muss sich vorstellen, die Routiniers, die Säulen des Teams, die arbeiten schon so lange miteinander, teilweise über ein Jahrzehnt. Sie haben so viel gemeinsam aufgebaut und gekämpft für gewisse Anerkennung und Wertschätzung. Das schweißt einfach zusammen. Und sie schaffen es auch, die Jungen zu integrieren und diese Werte weiterzugeben.

Radio FM4: Ich glaube, bei dieser Euro zu sehen, dass oftmals Teams nach einem oder zwei Gegentoren zusammenbrechen, komplett die Ordnung verlieren und sich dann Konzentrationsfehler et cetera einschleichen. Aus einem anfangs ausgeglichenen Match wird ein Debakel schlussendlich. Nicht bei Österreich, nicht bei Ihrem Team. Gegen England als auch gegen Deutschland hat man das Gefühl gehabt, da wird bis zum Schluss gefightet, da wird nie aufgegeben, vor allem schmeißt man nach Rückschlägen nicht die Nerven weg. Wie kommt es zu dieser mentalen Stärke?

Irene Fuhrmann: Das ist etwas, das uns schon die letzten Jahre ausgezeichnet hat. Wir haben auch eine Sportpsychologin mit Mirjam Wolf, die sehr viel mit unseren Spielerinnen arbeitet, sowohl individuell als auch in Kleingruppen, aber auch an diesem Teamcharakter und dieser Teamidentität. Man spürt das einfach jeden Tag in der Arbeit. Natürlich gibt es Zeiten, wo auch der Spaß im Vordergrund steht, und das muss auch unbedingt so sein in unserem Fall, aber ja, dieses Vertrauen zu haben, wenn es notwendig ist, fokussiert zu sein und präsent zu bleiben, egal was passiert, und sich wieder zu regulieren, das funktioniert einfach extrem gut mittlerweile.

Radio FM4: Man merkt, dass sich auf der Ebene der Nationalteams jene Länder durchsetzen, die auch über starke Frauenligen verfügen. Schauen wir auf Österreich, fällt der Befund eher schlecht aus. Es gibt, auch von Seiten des ÖFB, viel Kampagnenarbeit, Bewusstseinsarbeit. Sehr viele junge Mädchen kicken, auch auf Vereinsebene, was früher nicht so der Fall war. Da tut sich schon einiges. Aber bei fast allen Vereinen müsste noch ein großes Umdenken einsetzen und der Frauenmannschaft viel mehr Wertschätzung entgegengebracht werden. Finanziell auf alle Fälle, aber auch, was Respekt und Anerkennung betrifft. Einfaches Beispiel: Welche Mannschaft darf wann auf welchem Platz trainieren? Da gibt es schon noch grobe Unfairness, muss man sagen. Glauben Sie, dass dieser Boom bei der Euro dazu führen wird, dass sich vielleicht auch auf dieser Ebene endlich etwas bewegt? Oder versandet das Ganze wieder bis zum nächsten Großereignis-Fußballfest?

Irene Fuhrmann: Die Bundesliga hat sich tatsächlich entwickelt in den letzten Jahren, aber Sie sprechen es an, es gibt einfach infrastrukturelle Probleme in unseren Vereinen. Das hängt natürlich schon auch damit zusammen, dass wir mehr Sponsoren an Bord holen müssen, weil es immer auch um finanzielle Mittel geht. Deswegen würde es uns ja auch helfen, wenn Männerclubs Frauensektionen aufbauen und wir mitschnabulieren dürfen an der Infrastruktur.

Die großen Länder wie Deutschland oder England zeigen es vor oder auch Spanien, wo einfach sehr namhafte Clubs eine Signalwirkung haben und dann einfach mit wenig Mitteln auch sehr viel erreichen können. In Österreich ist noch viel zu tun. Wir sind auf einem guten Weg und es gilt, nachhaltig diese Euphorie mitzunehmen.

Da bedarf es gewisser Maßnahmen und einer Bündelung der Kräfte. Das wird nicht von heute auf morgen funktionieren. Dahingehend bin ich schon sehr gespannt auf die nächsten Wochen und Monate, was sich tut, gerade auch im Bereich der Breite. Ich glaube, ein Ziel unserer Spielerinnen war tatsächlich, auch wieder das Bewusstsein für den Sport bei den Eltern zu schaffen. Die Eltern spielen eine ganz entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Mädchen, die den Wunsch haben, Fußballerin zu werden, auf ihrem Weg zu unterstützen.

Genauso gilt es, Vereine zu sensibilisieren, überhaupt eine Chancengleichheit herzustellen, Mädchen mehr Optionen zu geben, egal, ob in der Schule oder eben im Verein, sich anmelden zu können, mitspielen zu dürfen. Dann kommen wir in die Liga, wo es gilt, die nächsten Schritte zu gehen, um step by step den Anschluss zu finden. Dennoch ist unsere Liga jetzt wertvoll, gerade für unsere jungen Spielerinnen, um sich dort als Persönlichkeiten zu entwickeln, als Führungsspielerinnen gestärkt aus dem ein oder anderen Jahr, nachdem sie bei uns vielleicht die Akademie abgeschlossen haben, rauszugehen.

Wenn wir international mithalten wollen, müssen unsere besten Spielerinnen derzeit irgendwann den Weg ins Ausland suchen, weil sie dort im Training, aber auch in den Spielen professionellere Strukturen vorfinden und mehr gefordert sind.

Radio FM4: Das ist vielleicht eine Parallele zum Männerfußball.

Irene Fuhrmann: Wir brauchen hier nur in unseren Kader schauen. Wir sind stark, weil wir sehr viele Legionärinnen haben, die sich über viele Jahre in den besten Ligen etabliert und dort auch entwickelt haben. Aber das ist ja nichts Negatives. Unsere Liga jetzt ist für mich gefühlt eine Ausbildungsliga für die jungen Spielerinnen. Dennoch wäre es natürlich wünschenswert, dass große Vereine auf diesen Zug aufspringen und dann auch voll dahinterstehen und wirklich die Form pushen.

Radio FM4: Zum Abschluss etwas Einfacheres: Warum gewinnen die Engländerinnen den Titel im eigenen Land?

Irene Fuhrmann: Ich glaube, ein Schlüsselfaktor, das habe ich schon vor der Europameisterschaft gesagt, ist, dass sie einen Schachzug gemacht haben, indem sie Sabrina Wiegmann verpflichtet haben, die ganz genau weiß, wie sich das anfühlt, was die Spielerinnen brauchen, worauf sie als Trainerin achten muss, um im eigenen Land diesem Druck standhalten zu können. Und weil sie extrem dynamisch, extrem athletisch sind.

Radio FM4: Und warum gewinnt die deutsche Nationalmannschaft?

Radio FM4: Weil sie dann vielleicht doch im Kollektiv noch stärker sind und vielleicht eine Spur im taktischen Bereich cleverer.

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