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Kummer beim Frequency 2022 verbeugt sich

Patrick Muennich

Nach dem Regen ist vor der Show: Der erste Tag am FM4 Frequency

Wenn die Generalprobe so richtig schlecht läuft, wird die Premiere umso besser, schreibt Alica Ouschan gestern über das Prequency, bei dem es ein bisschen drunter und drüber gelaufen ist. Für den ersten wirklichen Frequency-Tag trifft das, naja, sagen wir: fast zu.

Von Melissa Erhardt

Erst einmal so viel: Der Donnerstag beginnt heiß, sehr heiß. Die Körper schwitzen, je dichter aneinander, desto mehr, die Sonne brütet direkt auf die Köpfe der Festivalbesucher*innen und wer hier am Gelände keinen Bucket Hat oder Cap hat, ist sowieso ein bissi aufgeschmissen. Als „die schönste Hölle, die es gibt“, wird Buntspecht-Frontmann Lukas Klein diesen Zustand später beschreiben - und man wünschte, man hätte die Metapher selbst gefunden. Was da hilft: Eine Abkühlung in der Traisen oder eine kurze Dusche unter den aufgestellten Wassersprühern vor der Greenstage.

Zurück aber zur Premiere. Da hat sich wegen dem Massenauflauf bei der Red Bull Stage am Mittwoch ein bisschen was verändert. Auf der Greenstage eröffnet nicht wie geplant der US-amerikanische Comedy-Rapper Zack Fox, sondern quasi sein deutsches, etwas begabteres Pendant SSIO. Der wurde kurzerhand „hochverlegt“, damit auch alle in den Genuss seiner Show kommen können. Über Inhalt und Humor des Bonner Rapper kann man gerne streiten („keine Moral, nur Unterhaltung“, so sein Credo), über seine Skills wahrscheinlich nicht. Das findet wohl auch die gigantische Crowd vor der Bühne, die sich erstaunlich früh vom Campingplatz zur Bühne bewegt hat, um ihn wenigstens diesmal zu sehen.

Ein bisschen weniger los ist währenddessen auf der Space Stage, wo die exzentrischen Hyperpopper 100 gecs die Bühne eröffnen. Gestern noch in der Grellen Forelle in Wien zu Gast, ist der Autotune bei den beiden US-Amerikaner*innen schon wieder auf Anschlag gedreht, es scheppert und kracht, die kleine aber feine Crowd mosht zu Bangern wie „money machine“ und „mememe“ und jeder, wirklich jeder ist hyped. Großes Highlight: Dylan Bradys knallgelber Sternenhut und die Visuals, die im besten Fall die abgecrackte Version von Transformers sind, im schlimmsten Fall M&M’s auf Halluzinogenen. Auf alle Fälle ein würdiges Opening.

Ortswechsel auf die ÖBB Stage: Dort sind Buntspecht schon mitten in ihrem Set, die Bühne ist fast schon zu klein für den Bardenpop der sechsköpfigen Wiener Truppe. Macht aber nichts, hier wird ausgelassen getanzt, die Leute sind gut drauf und haben bunte Outfits an. Das fällt einem tatsächlich auf - vor allem, wenn man gerade von der Green Stage kommt, wo gefühlt jeder ein weißes T-Shirt anhat. Buntspecht hätte problemlos auch eine größere Bühne bespielen können, ob sie dann aber denselben cozy & vertrauten Vibe gezaubert hätten? Wahrscheinlich nicht.

Dann ist es 17 Uhr, der Himmel zugezogen, die Sonne weg. Der kanadische Rapper BBNO$ hat noch nicht begonnen, wir wollen rüber zu Kummer auf die Space Stage. Auf dem Weg hin kommt uns eine Menschenmasse im Laufschritt entgegen. Irgendwer jammert „Ich hab Blasen“, die Begleitung antwortet „Jo des is jetzt wurscht, komm!“.

Dann die News: Kummer musste sein Konzert nach zwei Tracks absagen, Gewitterwarnung, alle sollen in ihre Autos. Drei Minuten später schüttet es in Strömen, die Konzerte sind vorübergehend pausiert. Während sich einige vielleicht schon auf das Schlimmste einstellen, kommt alles eigentlich ganz easy: Nicht einmal eine Stunde später ist das Unwetter vorbeigezogen, nur die Kummer- und BBNO$ Fans mussten dran glauben. Alles andere wird mit ein bisschen Verspätung nachgeholt. Und wer eignet sich für den zweiten Opener des Tages besser, als die britischen Glass Animals mit ihrem hazy Synthpop? Eben.

„I missed this country, man”, ruft Frontsänger Dave Bayley über beide Ohren grinsend in die Menge, während er wie ein Flummiball über die Bühne hüpft, seine Backen mit Luft aufplustert, Grimassen schneidet und dabei immer wieder seine Zunge rausstreckt, ein bisschen so wie ein erschöpfter, aber durch und durch zufriedener Hund. Zu den nerdigen Outfits der Gruppe passen auch die Visuals, Retro-Pacman und Windows96 (oder 2000?) Pop-Ups, alles bunt, alles Glass Animals. Songs der 10-jährigen Bandgeschichte werden hier zum Besten gegeben, „Life Itself“ als grandioser Opener, „Gooey“ als Ich-komm-zu-euch-ins-Publikum-Track. Aber man merkt schon: Der Großteil der Crowd ist nur für einen Track da und wartet mit Handy-Zücken, Mitgrölen und Insta-Video machen brav bis zum Schluss: „Heat Waves“ natürlich - ein Track, der ein paar Stunden zuvor wie die Faust aufs Auge gepasst hätte.

Der Tag endet schließlich, wie er begonnen hat: Hip-Hop-lastig. Auf der Space Stage übernimmt mit 24kGoldn der sympathische Rapper und Musiker aus San Francisco, der 2020 mit seinem Track „Mood“ ganze acht Wochen lang die Billboard Charts dominiert hatte. Ob er denn jetzt endlich wisse, wie es sich anfühlt, an der Spitze zu sein, frag ich ihm im Interview: „Oh yes“, antwortet er lachend, „This is what I’m doing this for, to live like a rockstar“.

Dafür, dass er vor der Show noch stundenlang geschlafen hatte und beim Interview eher müde wirkte, kommt die Rockstar-Attitüde eine Stunde später tatsächlich heraus, wenn er die Menge nämlich ordentlich aufhypet - und zwar mit trappigen Bangern und großen Motivationssprüchen, die eigenen Dreams zu chasen.

Das glorreiche Ende des Abends liefern schließlich Cypress Hill, das Rap-Kulttrio aus Los Angeles, die es definitv noch immer drauf haben - auch ohne Sen Dog, der wegen einer kürzlich erfolgten Operation nicht auftreten kann. „Is Austria ready for the hill? We’re getting ready to smash the stage!“, posten sie kurz vor Auftritt noch auf Instagram und versprechen keinen Deut zu viel. Hier wird Oldschool-Rap groß geschrieben, Boom-Bap mischt sich da mit wilden Live-Percussions, es wird gescratcht, mitgenickt und gespittet, während sich thematisch fast alles um das grüne Gras dreht. Ein gutes Ende für einen durchwachsenen, ersten (bzw. zweiten) Tag.

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