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Erich Moechel

Katastrophenwarnsystem AT-Alert kommt ohne Schnörkel

„Die österreichische Regelung ist deutlich kompakter und einfacher strukturiert“ als der Ansatz in Deutschland, so die Experten der AG-Kritis. Beide Systeme für Cell Broadcast seien allerdings gleich spät dran.

Von Erich Moechel

Bis 21. September läuft die Umsetzungsfrist für AT-Alert, mit dem die Richtlinie EU-Alert auch hierzulande umgesetzt wird. Wie auch die deutsche folgt ѕie eng den Vorgaben aus Brüssel, allerdings mit einem Unterschied.

Während DE-Alert sämtliche EU-Zusatzoptionen umsetzt und so eher einem Katastropheninformations- als einem operativen Warnsystem ähnelt, beschränkt sich AT-Alert auf die Kernfunktion des Warnens. Das ist die gute Nachricht. Die weniger gute ist, dass auch hier ähnliche technische Umsetzungsprobleme wie in Deutschland zu erwarten sind.

Diagramm Architektur

AT-Alert

Diese Graphik zeigt den Ablauf einer solchen Warnmeldung, allerdings von rechts nach links. Am rechten Rand sind die Landeswarnzentralen als Aussender der Warnungen („Cell Broadcast Emitter“ CBE). Die Nachricht läuft dann über die „Government Internet Exchange“ (GovIX) und das Regierungsnetz aconet, parallel dazu gibt es das auf VPN-Verbindungen basierende Redundanznetz, falls es im aconet Probleme geben sollte. Sodann passiert die Warnung die Meldezentralen in Wien, Graz oder Linz, dort sind die Cell Broadcast Center der drei Mobilfunkfirmen angeschlossen, die über eigene Netze verfügen, deren Untermieter, die virtuellen Mobilfunkbetreiber (MVNOs) sind dabei inkludiert. Die Verordnung über die technische Ausgestaltung eines öffentlichen Warnsystems samt Anhängen und Erläuterungen.

Probleme auf Ebene der Smartphone-Betriebssysteme

In Deutschland kamen zusätzlich dreistellige Header in den Verordnungstext, nachdem die AG Kritis den Ausschluss älterer Handys kritisiert hatte.

Das Problem tritt bei beiden dominierenden Betriebssystemen für Smartphones auf. Wie schon bei den Warn-Apps zu Corona zu beobachten war, sind es offensichtlich die Sicherheitsmaßnahmen sowohl von Apple wie auch von Google, die einem ordnungsgemäßen Funktionieren entgegenstehen. Die deutsche wie die österreichische Corona-App mussten ständig im Vordergrund laufen und einkommende Bluetooth-Signale verarbeiten, obwohl das Smartphone im gesperrten Zustand war. Da auch illegale Stalkerware zur physischen Verfolgung von Menschen ganz ähnliche, technische Voraussetzungen benötigt, war diese Funktion auf Ebene der Betriebssysteme geblockt. Bei den Corona-Warn-Apps war daher ein Update der Betriebssysteme nötig.

Laut der AG Kritis, einer deutschen Technik-Denkfabrik zur kritischen Infrastruktur, funktioniert DE-Alert für Apple iOS und Google-Android ab Version 11 wie geplant. Das sollte auch auf AT-Alert zutreffen. Ob das auch auf die vielen Android-Varianten, die unter den Brandings der Mobilfunkbetreiber laufen, zutrifft, konnte von den Experten allerdings nicht genauer beurteilt werden. Hier hat der österreichische Gesetzgeber jedenfalls schon vorgesorgt, denn die Verordnung schreibt den Mobilfunkern explizit vor, dass sie dafür sorgen müssen, dass AT-Alert auf den Smartphones, die sie vertreiben, problemlos funktioniert. Ein OTA („over the air“) Software-Update sollte im Zweifelsfall dafür genügen.

Finanzierungsübersicht

AT-Alert

Mit etwa neun Millionen Euro Anlaufkosten in den ersten beiden Jahren und einem jährlichen Finanzierungsbedarf in Folge von etwas mehr als 800.000 Euro für den laufenden Betrieb ist dieses österreichweite Warnsystems konkurrenzlos günstig.

Was wie nicht oder doch funktionieren wird

In Griechenland wurde Cell Broadcast vor allem zur Warnung vor Waldbränden schon 2019 eingeführt. Die Zahl der Todesfälle hat sich seitdem stark reduziert.

Auf iPhones wird Cell Broadcast frühestens ab Version iOS 16 funktionieren, die für den Herbst angekündigt wurde. Ältere Android-Versionen lassen sich zwar manuell konfigurieren, laut AG Kritis eine umständliche Angelegenheit. Dasselbe gilt für die verschiedenen Android-Versionen der Smartphone-Hersteller. In diesem Fall sind es also die Betriebssysteme, die einer Benachrichtigung des Benutzers entgegenstehen, obwohl darunter, auf der Ebene des SIM-Card-Betriebssystems, alles funktionieren sollte. Das wiederum trifft leider nicht auf alle Mobilfunkendgeräte zu.

Ältere Endgeräte und wohl auch einfache Seniorenhandys arbeiten noch mit dreistelligen „Message Headers“, die technischen Spezifikationen für Cell Broadcast des European Telecom Standards Institute (ETSI) sehen allerdings ausschließlich vierstellige Headers vor. In Deutschland hat der Gesetzgeber reagiert, in dem Warnungen der höchsten Alarmstufe zusätzlich mit dreistelligen Headers versendet weXCellBroadcast XKatastrophenschutzrden. In Frankreich hat man das Problem ignoriert, dort funktioniert das Warnsystem überhaupt nur in LTE-Netzen. Es wird also interessant zu sehen, für welche Lösung sich Österreich entscheiden wird.

Typen-Übersicht

AT-Alert

Spalte drei zeigt, dass die Umsetzung ausschließlich mit vierstelligen Headers operiert. Die wurden allerdings weder in Deutschland noch in Österreich erfunden, vielmehr stammt diese Vorgabe von der Standardisierungsorganisation ETSI. Die beiden Spalten ganz rechts beziehen sich auf Verfügbarkeitsdauer der Aussendungen in den Mobilfunknetzen und die Abfolge der Aussendungen. Diese Analyse der AG Kritis von DE-Alert ist nicht die einzige zum Thema, die von den Experten für kritische Infrastrukturen veröffentlicht wurde.

Das sagt die AG Kritis über AT-Alert

Die Kernfunktion von Cell Broadcast ähnelt eher Radio oder TV als Mobilfunk, allerdings können die jeweiligen „Zielgruppen“ ad hoc geographisch genau ausgewählt werden. Dadurch werden nur die tatsächlich Gefährdeten alarmiert.

„Die österreichische Regelung ist deutlich kompakter und einfacher strukturiert“ als der Ansatz in Deutschland, heißt es von der AG-Kritis dazu. Und während man in Deutschland auf Softwareupdates der Mobiltelefonhersteller warte, würden die Mobilfunknetzbetreiber in Österreich verpflichtet, Geräte, die sie verkaufen, so zu konfigurieren, dass die Alarmmeldungen empfangen werden können: „aus unserer Sicht eine clevere Festlegung, die den Rollout beschleunigen dürfte“. Cell Broadcast kann nämlich auch auf älteren Android-Geräten manuell konfiguriert werden, was durchschnittliche Benutzer freilich überfordern könnte.

„Auf der anderen Seite hat Österreich es verabsäumt, auch dreistellige Message-IDs zu verwenden - ältere Handys werden damit die Alarmmeldungen nicht empfangen können“, so die AG Kritis abschließend. Aus den vorliegenden Dokumenten gehe auch nicht klar hervor, bis wann diese Festlegungen umgesetzt werden müssten. Dabei liege Österreich, genau wie Deutschland, „deutlich hinter dem Zeitplan der EU, der initial vorsah, dass das System in allen Mitgliedstaaten im Juni 2022 funktioniert.“

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