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Bild aus dem Ars Database mit einer riesigen Visualisierung

Ars Electronica / Robert Bauernhansl

Das Ars Electronica Festival 2022 erstrahlt in alter Größe

Nachdem pandemiebedingt in den letzten Jahren Einiges ins Internet verlegt wurde, ist das Ars Electronica Festival unter dem Motto „Welcome to Planet B“ jetzt wieder in gewohnter Größe zurück. Bei 11 Schauplätzen, die sich über ganz Linz erstrecken, kann man spannende Technologien bewundern und sich die großen Fragen der Zukunft stellen. Das Festival läuft von 7. Bis 11. September.

Von David Riegler, Diana Köhler und Aischa Sane

Das Ars Electronica Festival steht seit Jahren für die Verschmelzung von Kunst, Technologie und Gesellschaftspolitik und auch diesmal geht das Festival diesen Weg. Dabei versucht es den schwierigen Spagat zwischen technischen Spielereien und großen gesellschaftspolitischen Fragen. Man findet wie immer auch freakige Roboter und unterhaltsame Virtual Reality Installationen, über allem steht heuer allerdings die sehr ernste Frage, wie man die großen Krisen unserer Zeit bewältigen kann.

Es gibt keinen Planeten B

„Welcome to Planet B“ heißt das heurige Festivalmotto, der Titel spielt an auf den Planeten B, den wir bei unserem derzeitigen Ressourcenverbrauch benötigen würden, um nachhaltig zu leben. Das Festival lädt zu einem Gedankenexperiment ein: Man soll sich vorstellen wir würden in einer perfekten Welt leben, die auf allen Ebenen nachhaltig und fair ist. Welche Wege könnte es geben, um diese Utopie zu erreichen?

Diese Frage stellen sich Teilnehmer*innen aus aller Welt. Studierende, Unternehmer*innen, Aktivist*innen, Forscher*innen kommen hier auf dem Ars Electronica Festival zusammen, um das zu diskutieren. Hier kommen Think-Tanks, Forschungsgruppen und NGOs zu Wort. Das Earth4All-Projekt präsentiert einen Ideenkatalog mit Wegen, die die Menschheit vor einer ökologischen und sozialen Katastrophe bewahren sollen. Ein fiktives Umweltgericht verhandelt täglich kontroverse Streitpunkte rund um Wasserprivatisierung, Migration und Energiepolitik. Und das Ars Electronica Futurelab zeigt im Deep Space 8K mit Virtual Reality eine fiktive Realität, in der alle vorausgesagten Klimakatastrophen eingetreten sind.

Es geht aber nicht darum, mit Horrorszenarien abzuschrecken, sondern vielmehr darum, einen konstruktiven Gedankenprozess auszulösen. Dabei macht man vor keiner Krise halt. Neben der Klimakrise werden auch globale und regionale Konflikte, die Pandemie und Kriege zum Thema gemacht. Im Projekt Dataspace soll mit der Aufbereitung von Daten veranschaulicht werden, welche globalen Auswirkungen der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat. Und auch sonst findet man im Programm unzählige, hochpolitische Projekte.

Foto aus dem Dataspace mit Tabellen zum Ukraine-Krieg

Ars Electronica Futurelab / Raphael Schaumburg-Lippe

„Strong Hair“ als Starthilfe für afrikanische Künstler*innen

Vielleicht müssen nicht alle Gedankenexperimente, welche auf der Ars Electronica stattfinden, einen sofort zu bestimmenden Nutzen haben. Im Bereich der Medienkunst verbildlicht die Künstlerin Kiya Tadele trotzdem, wie potenziell schon im Moment der Konzeption und Ausstellung mit Kunst Lebensrealitäten verändert werden können. Die Rede ist von der Arbeit „Strong Hair“, welches in der Kategorie Cyber Arts mit dem Prix Ars Electronica Prix ausgezeichnet wurde. „Strong Hair“ versammelt 100 Porträts von äthiopischen Frisuren, die in einem 360°-Loop abgespielt werden. Dabei soll die inhaltliche Kraft und Vielfalt der Frisuren abgebildet werden. An ihnen lassen sich nämlich die Nations- oder Stammeszugehörigkeit und der soziale Status von Personen ablesen.

Die Porträts in der Sammlung wurden darüber hinaus als NFTs geprägt und die originalen Videofiles sind in einem dezentralisierten Netzwerk auf unterschiedlichen Computern gespeichert. Kunstsammler*innen haben die Werke bei einer Auktion ersteigert und sie dann zu ihren „Wallets“ hinzufügen können. Nützt das tatsächlich irgendwem was? Ja, denn 10% der Einnahmen aus dem Krypto-Verkauf der Sammlung flossen in das Wallet “Yatreda Ekub”. Mit dem Geld wird wiederum anderen afrikanischen Künstler*innen dabei geholfen, ihre eigene Kunst als NFTs zu prägen. In Konsequenz können sie diese unkomplizierter versteigern.

„Hast du sie gesehen…?“ und feministische Intervention aus Lateinamerika

Wie lateinamerikanische Künstler*innen sich Fragen zu kollektiver und individueller Identität, Kultur und Geschichte annähern, ist im Lentos Kunstmuseum Linz zu beobachten. Im Rahmen der Ausstellung „A parallel (r)evolution — Digital Art in Latin America“ schaffen sechs Künstler*innen Räume zur Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Spannungsfeldern in Lateinamerika. Beispielsweise geschieht das mithilfe von Elektronik, Klang und Licht oder Künstlicher Intelligenz.

Welche Ausmaße Gewalt an Frauen in Mexiko annimmt, thematisiert Dora Ytzell Bartilotti mit dem elektronischen Kunstwerk „¿La has visto…?“, Deutsch: „Hast du sie gesehen…?“ Mehrere Stimmen flüstern aus Büsten, die mit Stoffstreifen bekleidet sind, eben diese Frage. Auf den Stoffstreifen sind die Namen gewaltsam verschwundener Frauen zu lesen. Mit „¿La has visto…?“ möchte Dora eine Suche nach den Frauen konstruieren und das Verschwinden der Frauen als gesellschaftlichen Missstand in den Fokus rücken.

Arbeit: "La has visto" - viele kleine Stoffstücke

Dora Ytzell Bartilotti

Die sechs Künstler*innen, deren Arbeit in “A parallel (r)evolution — Digital Art in Latin America” ausgestellt wird, wurden alle mit dem CIFO-Ars Electronica Award für aufstrebende lateinamerikanische Künstler*innen ausgezeichnet.

Handys die auf Kunst schauen

Auf der Ars Electronica wird Kunst mit Technologie für Menschen gemacht. „Aber was passiert, wenn wir diese Gleichung umdrehen?“ Das haben sich vier Forscher*innen gefragt und beschlossen, Kunst für Smartphones zu entwickeln, „Ars for nons“, heißt es. Es geht um Kunst für „Non-Humans“ also Nicht-Menschen, zu denen zählen Pflanzen, Tiere aber auch eben Technologie, so auch Smartphones.

Wie das funktioniert? Acht weiße Boxen stehen vor den Besucher*innen, die sich direkt dort eine App herunterladen müssen. Dann stellen sie ihr Smartphone in die Box hinein, wo mit den Cache-Daten des Handys und allen Handys die diese Box zuvor „besucht“ haben, Klänge und Bilder erzeugt werden, die auf die Wände der Box projiziert werden. Das erzeugt im ganzen Raum eine zwitschernde, piepende Soundkulisse.

Das Smartphone genießt so eine Kunstperformance, an der es selbst beteiligt ist! Denn es stellt zwar Daten zur Verfügung, aber es hört und filmt zugleich auch selbst ständig mit, hat also in gewisser Weise Sinnesorgane, mit denen es seine Umwelt wahrnimmt.

Warum sollen wir uns überhaupt darüber Gedanken machen, wie ein Handy Kunst wahrnehmen könnte? Irgendein Ding, das kein Bewusstsein hat? In diesem Gedankenexperiment geht es darum, den Blick weg vom Menschen, auch auf andere Akteur*innen auf diesem Planeten zu richten. Weil genauso, wie wir auf sie einwirken, wirken diese auch auf uns ein. Gerade im Hinblick auf die Klimakrise sei das relevant, sagen die Forscher*innen von „Ars for nons“. Denn dieser menschen-zentrierte Blick herrsche schon viel zu lange vor und sei im Grunde verantwortlich für die Klimakrise. Ein Perspektivenwechsel sei nötig, weg vom Menschen als einzigem handelnden Akteur, hin zu einer Wahrnehmung des Menschen als Teil eines großen Ganzen.

Auch das FM4 Spielekammerl ist vor Ort

Das Angebot des Ars Electronica Festivals ist überwältigend und es ist nicht immer leicht, den Überblick zu behalten, aber man kann auch einfach durch eine der Locations schlendern und sich von der Themenvielfalt überraschen lassen. FM4 berichtet nicht nur vor Ort, man kann uns auch besuchen, nämlich beim FM4 Spielekammerl. Dort wird heuer großteils auf Technik verzichtet, denn gemeinsam mit den Expert*innen vom Spieleverein Paradice dreht sich alles um Brettspiele. Das alles gibt es auch als Stream auf dem FM4 Twitch Account zu sehen.

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