EU-Kommission überprüft SWIFT-Abkommen mit den USA
Von Erich Moechel
Das transatlantische Abkommen gegen Terrorfinanzierung (TFTP), besser bekannt als SWIFT-Abkommen, wird von der EU-Kommission gerade überprüft. Das ist der Antwort von Kommissarin Ylva Johansson auf eine Anfrage im EU-Parlament zu entnehmen. Die Ergebnisse sollten laut Johansson bereits zu Jahresende vorliegen.
Diese und eine weitere parlamentarische Anfrage gehen auf Berichte von ORF.at zurück, die wiederum auf offiziellen Dokumenten der CIA und des Ausschusses für Bürgerrechte im US-Kongress basieren. Daraus geht hervor, dass diese Finanztransaktionsdaten aus dem europäischen SWIFT-System auch an die CIA zum Data-Mining übergeben werden. Ein offener Vertragsbruch steht damit im Raum.
CIA PLOB
Finanzdaten aus „nicht-amerikanischen Quellen“
Die erste parlamentarische Anfrage kam im Mai von MEP Moritz Körner (Liberale). Der warf der Kommission vor, bei einem dringenden Verdacht auf Vertragsbruch einfach zuzusehen.
Auf Antrag zweier Senatoren musste die CIA Ende Jänner eine Reihe interner Dokumente veröffentlichen, die auf systematischem Abgriff von Finanztransaktionsdaten samt Data-Mining verweisen. Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass die CIA seit 2016 aus „nicht-amerikanischen Quellen“ systematisch massive Datensätze von Finanztransaktionen mit KI-Programmen analysiert. Der Geheimdienstausschuss des Senats wurde erst nach fünf Jahren, nämlich im April, 2021 über die Existenz dieses Programms informiert. Die US-Senatoren Martin Heinrich und Ron Wyden hatten daraufhin Alarm geschlagen, nämlich in der Annahme, dass darunter auch Daten von US-Staatsbürgern sind.
Tatsächlich handelt es sich um Daten aus dem EU-Raum, wo fast alle Finanztransaktionen ins gesamte EU-Ausland in beide Richtungen über das europäische SWIFT-System abgewickelt werden. Es gibt außer SWIFT Europa sonst weltweit kein weiteres „nicht-amerikanisches“ Finanzdatentransaktionssystem, über das auch nur annähernd derartige Datenmengen abgewickelt werden. Wie also kommt die CIA an diese Datensätze? Von der EU-Kommission stammten die Daten jedenfalls nicht, wie Johansson in ihrer Antwort beteuerte: „Es gibt kein anderes von der EU unterzeichnetes Abkommen über in der EU gespeicherte Zahlungsverkehrsdaten, und keine andere US- oder EU-Behörde hat direkten Zugang zu den betreffenden Daten“ heißt es in der Stellungnahme Johanssons. Dass heißt, die CIA kann diese Datensätze nur von den beteiligten Behörden erhalten, nämlich entweder von Europol oder dem Finanzministerium der USA.
PCLOB
Die Schlüsselrolle von Europol
Data-Mining der CIA in europäischen Finanzdaten in allen bekanntgewordenen Details.
Sehr wohl Zugang zu diesen SWIFT Datensätzen hat aber Europol. Aus den SWIFT-Datencentern in Belgien und Holland transferiert diese Behörde im Rahmen des TFTP-Vertrags gegen Terrorfinanzierung monatlich enorme Datensätze aus dem SWIFT-System an das US-Finanzministerium . Die Durchsuchungen finden stets unter der Aufsicht von EU-Notaren statt, sind strikt auf terroristische Straftaten und Namenssuchen beschränkt, Weitergabe oder Data-Mining sind strikt untersagt. Datensätze von Nicht-Verdächtigen müssen gelöscht werden, für Treffer gilt eine Speicherfrist von fünf Jahren. Etwa 40 Prozent aller Suchen gingen auf EU-Anfragen zurück, das US-Finanzministerium agiere quasi als Dienstleister für Europol, heißt es in einem Bericht des „Privacy and Civil Liberties Oversight Board“ (PCLOB) an den Kongress.
„Eurojust und Europol erhielten zwischen dem 1. März 2014 und dem 31. Dezember 2015 durchschnittlich 530 Hinweise pro Monat und zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 30. November 2018 monatlich 2350 Hinweise vom US-Finanzministerium“, schreibt Johansson in ihrer Anfragebeantwortung. Bei so vielen Treffern muss es sich monatlich um eine bedeutende Menge an strukturierten Datensätzen handeln, die von Europol an das US-Finanzministerium übermittelt werden. Die von der CIA beklagte lange Zeitdauer der Sammlung lässt die Hypothese zu, dass diese Datensätze ebenfalls auf monatlicher Basis an die CIA gelangen (siehe Screenshot ganz oben). Die von Europol übermittelten Datensätze sind ja im wesentlichen Listen von Einzeltransaktionen, die Banken listenweise untereinander verrechnen. Diese Einzeltransaktionen stammen von Firmen, Brokern, Versicherungen oder Privatpersonen. Neben anderen Weltregionen. Ein Großteil des Zahlungsverkehrs zwischen dem EU-Raum und dem gesamten nahen Osten ist darin abgebildet
PCLOB
Die Umstände der Überprüfung
Das Auffliegen des ersten SWIFT-Skandals 2006 und die gesamte Berichterstattung der ORF-Futurezone zum Thema SWIFT bis 2010
Nach vier Monaten des Mauerns und der Berufung auf die eigene Uninformiertheit verspricht die Kommission, das Ergebnis dieser Untersuchung noch in diesem Jahr zu präsentieren. Da es sich um eine transatlantische Angelegenheit handelt, führt das ein gemeinsames Untersuchungskomitee durch. Diese Überprüfung ist höchstwahrscheinlich bereits angelaufen. Das Ergebnis wird ganz ähnlich wie das der bisherigen Überprüfungen des TFTP-Vertrags ausfallen: butterweiche Formulierungen der wenigen Passagen, in denen Differenzen zu erkennen sind.
Der aktuelle ist nämlich nicht der erste Skandal rund um die Finanzdatenplattform SWIFT, der aber in keinem der vier bekanntgewordenen Skandale irgendeine Mitverantwortung zuzuweisen ist. In jedem dieser Fälle ging es um Finanzdatensätze aus Europa, die vertragswidrig von US-Diensten abgezogen wurden. Aufgefallen waren dabei in schnöder Abwechslung sowohl die NSA wie die CIA und die Folge waren regelmäßige Überprüfungen des TFTP-Programms. Die Perioden dauerten manchmal etwas länger, dann wieder kürzer, je nachdem, ob es gerade wieder einen Skandal und peinliche Medienberichte dazu gab.
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Publiziert am 18.09.2022