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Fetisch Fassbinder

Wie François Ozon die deutsche Regielegende Rainer Werner Fassbinder als „Peter von Kant“ wieder auferstehen lässt.

Von Martin Pieper

Rainer Werner Fassbinder ist heutzutage vor allem ein klingender Name. Seine über 40 Spielfilme, die das Arbeitstier in gerade einmal 13 Jahren(!) gedreht hat, werden mittlerweile weniger gesehen als zitiert. Was bleibt von Fassbinder? Vor allem für die, die nicht in Filmarchive gehen oder Arte-Spätprogramme gehen, sind die eigentlichen Filme ein fast schon verschollener Kontinent.

Was bleibt sind die schönen Titel, die schon allein ein ganzes Tocotoronic Album füllen könnten: „Angst essen Seele auf“, „Faustrecht der Freiheit“, „Liebe ist kälter als der Tod“, oder auch „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“. So heißen die doppelbödigen Melodramen, in denen Frauen und Männer in allerhand Konstellationen aneinandergeraten und dabei Gesellschaft, Sexualität, Liebe und Nachkriegsdeutschland in meist melodramatisch zugespitzten Szenarien verhandeln.

Apropos Rainer Werner Fassbinder und die Popkultur: Vor einigen Jahren hat das grandios betitelte Projekt „Rainer Werner Bassfinder“ den Regie-Koloss in die Technodisco geschickt, Mit nicht ganz jugendfreiem Cover!

Da wird viel gelitten und geschrien, geweint und geschlagen. Heutzutage würde man vielen dieser Fassbinder-Beziehungen das Wort „Toxisch“ umhängen. Die Posthume Fassbinder Verehrung – er ist 1982 im Alter von nur 37 Jahren gestorben – macht aus dem Mann eine Legende, mit (männlichem) Geniekult natürlich inklusive. Das wirkt auf Nachgeborene einerseits ein bisschen aus der Zeit gefallen, der Topos von der „Kerze, die an beiden Enden brennt“ und der totalen Vermischung von Kunst und Leben, verstellt jedenfalls den Blick auf Fassbinder und seine Filme.

Rainer Werner Fassbinder

APA/dpa/Frank Leonhardt

Fassbinder ist, zumindest für den französischen Filmregisseur François Ozon, mehr als nur ein Eintrag ins Filmgeschichtsbuch. Für Ozon ist Fassbinder so etwas wie ein Säulenheiliger. Schon vor 20 Jahren hat er sich ein damals unverfilmtes Theaterstück von Fassbinder vorgenommen und jetzt legt er mit „Peter von Kant“ einen Film nach, der sich ganz in einem 70er Jahre Fassbinder Universum abspielt. Eine Kölner Wohnung, vier Jahreszeiten, viel mehr Rahmen braucht dieser Film nicht, um diesem fiktiven Filmregisseur Peter von Kant - unschwer als Fassbinder selbst zu erkennen - nahezukommen.

Wir beobachten ihn dabei, wie er trinkt, redet, weint, schwitzt, Drogen nimmt, sich verliebt, oder herumschreit, oder Drehbuchentwürfe diktiert. Da sitzt dann der wahrsten Sinne stumme Diener „Karl“ an der Schreibmaschine. Er ist der unterwürfige Assistent, der all diese Eskapaden mit scheinbar masochistischem Gleichmut erträgt. Weitere Figuren in diesem Kammerspiel: eine gealterte Starschauspielerin, dargestellt vom realen Filmstar Isabelle Adjani, ein jugendlicher Liebhaber, den Peter von Kant „zum Star machen wird“ und schlussendlich natürlich noch „Mutti“, die Mutter des Regisseurs, vom echten Fassbinder-Star Hanna Schygulla mit Würde gegeben.

Peter von Kant

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François Ozon hat in „Peter von Kant“ mit Ausstattung, Musik, Kostüm aber auch Gesten, Körperhaltungen und filmischen Mitteln einen Meta-Fassbinder Film gemacht. Hinter den perfekt inszenierten 70er Jahre Oberflächen stecken aber genügend Brechungen, die verhindern, dass „Peter von Kant“ mehr ist als nur eine musterschülerhafte Nachstellung der alten Fassbinder-Ästhetik.

Mit dem Gender-Tausch von Petra zu Peter, von einer lesbischen Affäre im 70er „Original“, hin zu offen schwulem Begehren erinnert der Ozon-Film an die Strategie von Todd Haynes, der in seinem Film „Far From Heaven“ den Konflikt des Vorbildmelodrams aus den 50er Jahren ins queere gedreht hat.

Für vergnügliche Verstörung sorgt auch die Tatsache, dass in diesem Film alle auf französisch sprechen, durchsetzt mit deutschen Schlüsselworten wie „Prost“ oder „Mutti“. Das „deutsche“ am Fassbinder Kosmos wird so aus der französischen Perspektive von Superfan Ozon zu einem exotischen Dekor zurückgestutzt. Hardcore-Fassbindianer finden diese campe Attitüde, dieses leicht ironisch Zugespitzte des Films vielleicht unpassend. Für alle anderen ist Peter von Kant jedenfalls ein vergnüglicher Zugang in die fast vergessene Welt des deutschen Autorenkinos der 70er Jahre.

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