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APA/AFP/ANATOLII STEPANOV

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Warum Friedensverhandlungen mit Moskau im Moment sinnlos sind

Multimilliardär Elon Musk hat den jüngsten Versuch eines Prominenten gestartet, die Ukraine von Gebietsabtretungen zu überzeugen, um den russischen Angriffskrieg zu beenden. Dabei wolle gerade Russland keine echten Verhandlungen, sagt der Völkerrechtsexperte Ralph Janik im FM4-Interview.

Von Simon Welebil

Elon Musk hat dieser Tage wieder einmal für Twitter-Aufregung gesorgt. Diesmal mit einem 4-Punkte-Plan für Friedensverhandlungen in der Ukraine. Musks Plan sieht unter anderem vor, dass die Provinzen, die Russland letzte Woche nach Scheinreferenden völkerrechtswidrig annektiert hatte, unter Aufsicht der UNO neu über ihre Staatszugehörigkeit abstimmen sollten. Der Krim hingegen spricht Elon Musk diese Selbstbestimmung hingegen nicht zu.

Diese Aktion Musks hat große Wellen geschlagen, verstärkt durch Reaktionen des ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenskyj und anderer. Musks Forderung nach Friedensverhandlungen, bei denen die Ukraine auf Teile ihres Staatsgebietes verzichtet, reiht sich aber in eine ganze Reihe ähnlicher Forderungen von Intellektuellen oder Politiker*innen. Völkerrechtsexperte Ralph Janik kritisiert diese Vorschläge im FM4-Interview:

Ralph Janik

Elisabeth Pfneisl

Ralph Janik

Simon Welebil: Warum sind Rufe nach Verhandlungen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden, im Moment wenig sinnvoll?

Ralph Janik: Weil Russland nach allem, was man weiß, keine echte Verhandlungsbereitschaft gezeigt hat. Es wird immer wieder signalisiert, man würde eh verhandeln, aber wenn man ein bisschen in die Tiefe geht, zeigt sich immer, dass Russland von seinen Zielen nicht abweicht. Und das Ziel war ja am Anfang auch wirklich diese „Denazifizierung“. Und damit meint man einen Regime Change, das heißt, man verlangt als Maximalziel, dass die Ukraine gänzlich anders regiert wird, Gebiete abgibt und im Prinzip unter russischer Fuchtel steht. Das ist also keine echte Verhandlung, das ist Erpressung.

Wann haben denn Verhandlungen, um Kriege zu beenden, überhaupt einen Sinn?

Ralph Janik: Verhandlungen kann man natürlich immer führen. Man muss aber realistisch bleiben, wie gut die Erfolgsaussichten für diese Verhandlungen sind. Viele Kriege enden eben nicht mit Verhandlungen, sondern weil eine Seite eindeutig gewinnt oder weil es zum Beispiel im betroffenen Staat zu einer Revolution kommt. Man denke an den Ersten Weltkrieg und die sowjetische Revolution. Da war dann auch der Kampfwille ungleich niedriger und deswegen ist dann die entstehende Sowjetunion bzw. eben damals Russland zum Beispiel aus dem Ersten Weltkrieg ausgeschieden. Also: Verhandeln kann man immer. Man muss aber realistisch sein, was die Erfolgsaussichten betrifft.

The peace symbol and the inscription reading "No to war", drawn on a wall in Moscow on October 4, 2022

Natalia KOLESNIKOVA / AFP

„Nein zum Krieg“-Aufschrift in Moskau im Oktober 2022

Wir haben in dem Sinne jetzt zwei Parteien, die Forderungen haben, die sich nicht vereinbaren lassen. Das heißt, verhandeln kann man nur, wenn eine der Parteien ihre Forderungen ändert.

Ralph Janik: Ja, oder zumindest auf die andere Partei zugeht. Das Grundproblem ist aber, dass die Verhandlungen und die Verhandlungspositionen gänzlich inkompatibel sind. Russland geht es ja um viel mehr als diesen vorgebrachten Grund - von wegen NATO-Erweiterung und Bedrohung und dergleichen. Es gibt ja keine in diesem Sinne reale Bedrohung für Russland. Das heißt, Russland hat das Maximalziel, die Ukraine gänzlich zu verändern, maßgebliche Teile unter die eigene Kontrolle zu bringen. Und die Ukraine hat das nachvollziehbare Ziel zu sagen - polemisch gesprochen - Schleicht’s euch aus unserem Staat.

Wenn Verhandlungen im Moment nichts bringen, welche Szenarien bleiben dann, dass dieser Krieg endet?

Ralph Janik: Das eine Szenario sieht so aus, dass die Ukraine es schafft, Russland aus dem Gebiet zu vertreiben, also vor allem aus dem Süden und dem Osten. Dann bleibt die große Frage: Was ist mit der Krim? Hat die Ukraine auch die militärischen Fähigkeiten und bekommt sie ausreichend Waffen, um Russland auch aus der Krim zu verdrängen? Und das andere Extrem - aber das negative Extrem - wäre, dass Russland weiter eskaliert, weil es sich in die Ecke gedrängt fühlt. Und im allerschlimmsten Fall wäre das sogar etwas, was man als taktischen Nuklearschlag bezeichnet, was wir alle nicht wollen, was man aber seriöserweise nicht zu 100% ausschließen kann.

Wir haben im Verlauf dieses Krieges sehr viele schlimme Bilder gesehen, sehr viele schlimme Nachrichten gehört, von der Zerstörung ganzer Städte über die Massaker von Butscha oder Isjum. Warum glauben Sie, dass es aber immer wieder so plumpe Forderungen gibt, jetzt in Friedensverhandlungen einzutreten? Ganz egal, ob das jetzt vom Philosophen Precht kommt oder jüngst von Elon Musk?

Ralph Janik: Wir haben alle ein nachvollziehbares Interesse daran, dass diese Situation aufhört, dass Frieden eintritt. Und viele versuchen sich dann in vereinfachenden und deswegen gut klingenden Lösungsvorschlägen oder Lösungsansätzen. Das Problem dabei ist nur, dass das alles viel mehr über uns oder die betreffende Person aussagt als über die reale Lage vor Ort. Also zum Beispiel der angegriffene Staat, dass der jetzt einfach sagt: Gut, wir geben da soundsoviele Quadratkilometer unseres Gebiets ab und dafür ist dann eine Ruhe, und die Personen, die es betrifft, wenn sie unterdrückt werden, ja, Pech gehabt. Das funktioniert vielleicht bei „Game of Thrones“ oder bei Videospielen, aber nicht in der echten Welt.

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