FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Terra Invicta

Pavonis

Komplexitätsmonster

Das Globalstrategiespiel „Terra Invicta“ türmt Systeme und Spielelemente zu einem überambitionierten und furchterregenden Turm auf, der von der Erdoberfläche bis weit ins Sonnensystem hineinragt.

Von Rainer Sigl

First Contact, das erste Mal Kontakt zu Außerirdischen - und das ausgerechnet jetzt. Die Erde ist in keinem guten Zustand im Globalstrategiespiel „Terra Invicta“, und zwar deshalb, weil die Welt des Spiels genau wie unsere, die echte Welt aussieht - Ukrainekrieg und Klimawandel inklusive.

Im Debütspiel des Indiestudios Pavonis Interactive - zuvor als Macher der berüchtigten „Long War“-Mod der „XCOM“-Reihe bekannt - spiele ich aber keinen Staatschef oder eine ganze Nation, sondern eine von sieben geheimen Fraktionen, die ganz unterschiedliche Ideen davon haben, wie Mensch und Alien miteinander auskommen sollen. Die Palette reicht von der „Resistance“, die sich gegen den unbekannten Feind wehren will, über Opportunisten bis hin zu jenen, die sich den Außerirdischen wie Göttern unterwerfen wollen.

To Infinity, and Beyond

Im Unterschied zu „XCOM“ & Co geht es hier aber nicht in den kleinteiligen Nahkampf gegen Aliens, im Gegenteil: Die längste Zeit der stundenlangen ersten Phasen der trotz Early Access bereits spielbaren Kampagne bekomme ich die Invasoren überhaupt nicht zu Gesicht. Stattdessen agiere ich aus dem Untergrund: Mit meinen AgentInnen unterwandere ich im Geheimen Regierungen und Staaten der Welt, um an Einfluss zu gewinnen, Entscheidungen zu manipulieren und sogar Kriege und Revolten vom Zaun zu brechen.

Erst nach minutiösen und umfangreichen Vorbereitungen entlässt mich das Spiel ins All, wo die direkte Konfrontation mit dem außerirdischen Gegner und natürlich der weitere Kampf gegen die irdischen Widersacher weitergeht. Nach einigen Spielstunden geht es nicht nur mehr um Geopolitik, sondern zusätzlich auch noch um industrielle Weltraumlogistik und physikalisch detaillierte Raumschiffkämpfe - ein Fest für Fans der realistischen Hard-SF etwa von „The Expanse“.

Terra Invicta

Pavonis

Im Weltraum hört dich niemand mikromanagen

„Terra Invicta“ stellt eine faszinierende Frage: Was würde daraus folgen, wenn unsere reale Welt, mit all ihren Problemen und Komplexitäten noch einen ganzen Berg an zusätzlichen neuen Herausforderungen im kosmischen Ausmaß aufgebürdet bekäme? Die Antwort, in ihrer ganzen Konsequenz, lautet hier: Mikromanagement - zuerst im globalen, dann im galaktischen Maßstab.

„Terra Invicta“, entwickelt von Pavonis Interactive und vertrieben von Hooded Horse, ist im Early Access für Windows erschienen.

Wer schon beim Gedanken dran Stress bekommt, hat einen guten Instinkt: Aus der Herausforderung wird hier schnell Überforderung. „Terra Invicta“ ist ein Komplexitätsmonster, und das ist nicht unbedingt positiv gemeint. Die Härtesten der Harten, all jene Hardcore-Strategie-Beißer, die „Crusader Kings 3“, „Stellaris“, „Kerbal Space Program“ und „The Long War“ endlich in einem gewaltigen Megaprojekt vereint sehen wollten, werden daran ihre Freude haben; alle anderen warten zumindest, bis der Early Access des Spiels vorbei ist.

Unter tausend Menüs, Statistiken und Wahlmöglichkeiten liegt hier gewiss irgendwo ein außergewöhnliches, wahnwitzig ambitioniertes Globalstrategiespiel begraben. Die Geduld und Hartnäckigkeit, diese Assemblage verschiedener Zahnräder, die mal mehr, mal weniger gut ineinandergreifen, zu beherrschen und sogar daran Spaß zu haben, muss man aber erst einmal aufbringen.

mehr Rainer Sigl:

Aktuell: