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Red Bull Dose

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Interview

„Die Dose ist eine Gelddruckmaschine“

Dietrich Mateschitz war der reichste Österreicher, unter seiner Führung wurde „Red Bull“ zu einer der erfolgreichsten Marken weltweit. 2021 hat die unabhängige Rechercheplattform „Dossier“ der Red Bull Erfolgsstory und ihrem Mastermind ein kritisches Heft gewidmet. Georg Eckelsberger, stellvertretender Chefredakteur von „Dossier“, im FM4 Interview über die Geschäfte neben dem Getränkehandel:

Von Boris Jordan

Boris Jordan/FM4: Man kann vielleicht sagen, dass nicht nur die Getränkekühlschränke seit der Gründung von Red Bull anders aussehen. Der Konzern hat sich in einige der wichtigsten Aspekte des sozialen Lebens eingeschrieben: Printmedien aller Art, Fernsehen, Werbung, große Eventkultur, kleine Eventkultur - am auffälligsten natürlich das bekannte Feld Extremsport, aber auch die großen Brocken Formel 1 und Fußball. Jetzt ist Red Bull kein normaler Sponsor oder Geldgeber in diesen Feldern. Was hat Dietrich Mateschitz als Werber anders gemacht?

Porträtfoto

dossier.at

Georg Eckelsberger ist Journalist und stellvertretender Chefredakteur der unabhängigen Recherchepattform „Dossier“.
2021 hat „Dossier“ ein umfassend recherchiertes Heft zu allen Dimensionen der Red Bull Story herausgegeben.

Georg Eckelsberger: Mateschitz als Werber oder „Marketinggenie“ hat einiges anders gemacht. Ein großer Unterschied zu anderen ist das Ausmaß: Red Bull hat unglaubliche 1,8 Milliarden € pro Jahr ins Marketing gesteckt. Nach außen hin meint man ja, Red Bull ist ein Getränkehersteller, aber wenn man sich das genauer anschaut, dann sieht man, dass der Unternehmenszweck nicht der Verkauf von Getränken, sondern die Vermarktung der Marke Red Bull ist. Mateschitz’ Ziel war, durch Marketing dieses Getränk mit gewissen Werten und Idealen aufzuladen, die mit dem Produkt per se eigentlich gar nichts zu tun haben. Deswegen ist es ihm natürlich auch gelungen, dass er so einen hohen Preis für diesen Energydrink verlangen konnte, denn es kostet natürlich in der Produktion so gut wie gar nichts.
Red Bull hat nicht einfach Werbung geschaltet wie andere Marken, sondern sie haben es beherrscht, über Sponsorings, über Marketingaktionen, die Dose „aufzuladen“, wie man das im Konzernsprech nennt, mit Werten wie Abenteuerlust, Wagemut, auch Inspiration, und hat so einen Imagetransfer geschafft, der Red Bull zu dieser wertvollen Marke gemacht hat. Ein anderes Stichwort dazu: die Technik des Event-Marketings, die Red Bull sehr gut beherrscht hat: Sie haben nicht gesagt, wir schalten Werbung in unterschiedlichen Medien und verbreiten so irgendwie unsere Marke, sondern wir organisieren oder sponsern Events selbst, über die dann berichtet wird, und so schaffen wir es in die Medien. Das ist ein cleverer Trick, der sich bei Red Bull seit Jahrzehnten bewährt.

Boris Jordan: Musik und Eventkultur sind zwei der zentralen Standbeine von Red Bull. Das kommt auch daher, dass am Anfang das Getränk sehr stark mit der Tanz- und Rave Szene identifiziert wurde. Es gab die Red Bull Akademie International. Es gibt aber auch Dinge, die einen in diesem Zusammenhang etwas erstaunen, zum Beispiel Infrastrukturprojekte mit jungen Musiker*innen in Südafrika oder Brasilien - das geht über den Imagetransfer hinaus, das ist richtige Infrastrukturarbeit. Wie lässt sich das erklären?

Georg Eckelsberger: Das ist gut beobachtet. Red Bull hatte einiges anders gemacht und war hier sozusagen im Marketing nicht unbedingt auf den schnellen Erfolg aus, sondern hat hier tatsächlich so etwas wie ein nachhaltiges Marketing betrieben. Wobei man immer sagen muss, das Ziel bei all dem ist es schon, diese Red Bull Dosen zu verkaufen, da sollte man sich nichts vormachen. Aber Red Bull hat ja tatsächlich nachhaltig in gewisse Szenen investiert, zum Beispiel die elektronische Musikszene, die Rapszene, um hier natürlich auch wiederum einen Imagetransfer zu bewirken. Das hatte durchaus eine Win-Win Situation zu Folge. Das heißt einerseits, Red Bull hat sich profilieren können in einer ja durchaus eigentlich eher konsumkritischen Szene, nämlich der alternativen Musikszene, indem sie einfach tolle Events veranstaltet haben, wie zum Beispiel die Red Bull Musikakademie, wo über 20 Jahre lang junge Artists auf der ganzen Welt immer wieder eingeladen wurden, ein paar Tage miteinander zu verbringen und gemeinsam Musik zu produzieren. Dorian Concept war in seinen ersten Jahren dabei und hat mir das auch beschrieben als ein Schlaraffenland für junge Musiker, das da von Red Bull organisiert wurde. Wobei man sagen muss: Diese Beziehung ist längst zerbrochen, nämlich ab dem Jahr 2017, als Dietrich Mateschitz in einem seiner ersten Interviews, wo er politische Positionen veröffentlicht hat, signalisiert hat, dass er Verständnis hat für Donald Trump oder für andere rechte Politiker, zum Beispiel auch für Sebastian Kurz und dessen Flüchtlingspolitik, habe. Das ist eingeschlagen wie eine Bombe in der Musikszene. Da hat man dann plötzlich gemerkt, mit welcher Firma man eigentlich seit 20 Jahren unter einer Decke steckt. Und dann ist es auch sehr schnell gegangen. Die Red Bull Akademie war dann innerhalb kürzester Zeit Geschichte. Da hat Mateschitz einfach den Stecker gezogen, nachdem ihn unterschiedliche Artists auf für diese politischen Aussagen kritisiert haben.

Boris Jordan: Während es bei Sport und Musik eher um den Imagetransfer gegangen ist, das rebellische und abenteuerliche Image der Dose zu verbreitern, haben die Medienprojekte vielleicht doch etwas mehr mit der Person Dietrich Mateschitz zu tun. Es gibt Servus TV, es gab auch die Recherche Plattform Addendum. Hier hat er seine politische Meinung eingebracht und es gab aber auch immer Gerüchte, dass er hier weniger taktisch und weniger gut beraten agierte, sondern sehr spontan, fast launisch. Inwieweit war die Tätigkeit von Red Bull als Medienkonzern das persönliche „Baby“ von Dietrich Mateschitz?

Georg Eckelsberger: Also grundsätzlich hat Mateschitz einfach bei allen Tätigkeiten von Red Bull, gerade im Marketing - und das ist nun mal der Hauptzweck von Red Bull gewesen - immer das Sagen gehabt und hat sich auf allen Ebenen eingebracht und das auch bei den internen Medien Projekten. Man muss hier unterscheiden, es gibt auch Red Bull TV und es gibt zum Beispiel das Magazin Red Bulletin, die beide als Marketing Vehikel für die Red Bull Dose funktionieren. Das ist ähnlich, wie ich es beschrieben hatte mit dem Event Marketing. Red Bull hat gesagt, wir schalten jetzt nicht Red Bull Anzeigen in anderen Magazinen, sondern wir gründen selbst ein Magazin, in dem wir Red Bull bewerben. Und andere sollen darin Anzeigen schalten. Und um das Geld legen wir das anderen Magazinen bei. Red Bull hat da den Spieß umgedreht. Auf der einen Seite sind dies die wenigen Medien von Red Bull, die tatsächlich auf die Marke auf die Dose einzahlen, von denen die Dose auch profitiert, wo dann mehr Dosen verkauft werden.
Es gibt aber auf der anderen Seite gewisse Medienprojekte, die tatsächlich einfach Mateschitz entspringen, die er gründen wollte, die seine ganz persönliche Motivation sind und die mit Red Bull gar nichts zu tun haben, nämlich auch schon mit dem Namen, zum Beispiel Servus TV oder Addendum oder jetzt auch aktuell das Magazin „Pragmaticus“. Über seine Motivation, das zu tun, hat Mateschitz öffentlich nicht viel gesprochen. Man weiß, dass sehr, sehr viel Geld in diese Projekte geflossen ist - übrigens Red Bull Geld, nicht privates Geld. Mateschitz hat hier durchaus seine politischen Positionen eingebracht. Das wurde mir auch von vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erzählt, gerade bei Servus TV. Und da merkt man schon ein bisschen den Unterschied zu den Bereichen Sport und Musik. Es lässt sich nicht dieselbe Methode oder dieselbe Herangehensweise einfach auf den Journalismus umlegen: Es ist schon okay, wenn ein Herausgeber die Positionierung des Mediums vorgibt, aber er sollte sich inhaltlich natürlich nicht in die Berichterstattung einmischen. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum diese Projekte bisher großteils wirtschaftlich nicht erfolgreich waren. Die Recherche Plattform „Addendum“ ist kurzerhand eingestellt worden von Herrn Mateschitz und da wird schon auch spekuliert, dass es sozusagen inhaltlich nicht das gebracht hat, was er sich erwartet hat. Aber so ist das nun mal im Journalismus. Man muss hier ergebnisoffen recherchieren und kann sich nicht bestellen, was bei der Recherche rauskommt.

Boris Jordan: Ich verstehe, dass Sie als Enthüllungsjournalisten keine Spekulationen in die Zukunft stellen. Aber nicht wenige Österreicherinnen und Österreicher waren überrascht, dass Dietrich Mateschitz am Red Bull Konzern gar nicht die Mehrheit hält und, dass die Zukunft von seinen PartnerInnen und Partnern in Asien abhängt. Werden jetzt Projekte, die nicht sofort Geld bringen, eher eingestellt - was würden Sie da schätzen?

Georg Eckelsberger: Prognosen sind schwierig und deswegen kann man ja auch nur Szenarien durchgehen, oder gewisse Fakten festhalten. Ein Faktum ist eben, dass durch die Unternehmensanteile die Mehrheit und deswegen die Entscheidungsgewalt nicht in Österreich liegt, sondern bei den thailändischen Teilhabern, die 51 % besitzen. Das heißt, letztlich ist es deren Entscheidung, wer das Unternehmen führt und wie sich das Unternehmen ausrichtet. Man muss aber dazu noch sagen, dass Herr Mateschitz ja nicht umsonst diese Position im Unternehmen hatte, er ist schon der Vater des Erfolgs dieser Marke, dieses Unternehmens und überhaupt dieser ganzen Getränkesparte. Das heißt, es wären natürlich die thailändischen Mehrheitseigentümer jetzt schlecht beraten, hier plötzlich alles hinzuschmeißen, was Mateschitz unbestrittener Weise erfolgreich etabliert hat. Es ist aber natürlich fraglich, wie es jetzt mit den anderen Projekten aussieht. Und das fragen sich gerade viele, die eben nicht direkt in Verbindung stehen mit der Marke Red Bull, sondern die eher vielleicht einen sentimentalen, persönlichen Wert für Herrn Mateschitz hatten, wie zum Beispiel Servus TV, die vielleicht auch einem politischen Sendungsbewusstsein geschuldet waren.
Aber ohne da jetzt zu viel zu spekulieren: es sind sicher diese Teile des Unternehmens, die jetzt mit einem Fragezeichen versehen sind. Ich glaube nicht, dass die Red Bull Eigentümer aus Thailand plötzlich das gesamte Sportsponsoring infrage stellen würden, das ja letztlich über Jahrzehnte Red Bull zu diesem Milliarden Konzern gemacht hat. Die Red Bull Dose ist eine Gelddruckmaschine, bei der jährlich Milliarden Euro übrig bleiben, die eben in Marketing investiert werden können. Und bei manchen Projekten ist es so, dass die sich dann mit der Zeit rechnen. Dazu zählt übrigens auch manches Medienprojekt, wie zum Beispiel das sehr erfolgreiche Magazin „Servus in Stadt und Land“, das sich selber schon rechnet. Viele andere Dinge nicht. Und das muss es zum Teil auch nicht, da sind wir wieder bei Musiksponsoring, zum Beispiel: das Ziel ist ganz einfach, noch mehr Dosen zu verkaufen, so dass sich die Käufer wohl dabei fühlen, diese 1,50 Euro oder was auch immer für diese Dose im Supermarkt abzulegen. Das ist der eigentliche Zweck und deswegen muss das auch nicht alles direkt Geld bringen.

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