Tinte und Teufel
Horrorgeschichten spielen ja gerne in düsteren Wäldern oder verlassenen Gebäuden. Nur selten ist ein Zeichenworkshop der Schauplatz des Grauens. Genau dort hat aber vor fünf Jahren das Gruselabenteuer „Bendy and the Ink Machine“ stattgefunden (FM4 hat berichtet), ein Überraschungshit, der klaustrophobischen Horror mit einem Oldschool-Cartoon-Look gepaart hat - ohne dabei über die Maßen verstörend zu sein.
Jetzt ist die drollig aussehende Figur Bendy zurück – aber wir wissen ja, dass es gerade solche Charaktere oft faustdick hinter den Ohren haben. „Bendy and the Dark Revival“ führt uns zurück in die geheimen Räumlichkeiten eines Zeichenworkshops der 1940er und 50er Jahre, wo uns das tintengetränkte Grauen erwartet.
Es ist Juni 1973, und Audrey, ein junges Zeichentalent, macht Überstunden bei seinem neuen Arbeitgeber: der Nachfolgefirma des legendären Entertainment-Unternehmens Joey Drew Studios. Wenige Jahre zuvor ist der gleichnamige Firmengründer verstorben, und jetzt sollen Drews Figuren – etwa Bendy, Boris the Wolf oder die Butcher Gang – in neuen Geschichten weiterleben. Unter anderem eben mit Audreys Hilfe.

Joey Drew Studios
Doch die Überstunden tun uns nicht gut, denn der creepy Hausmeister Wilson führt nichts Gutes im Schilde – und schon bald landen wir in einer bizarren Paralleldimension dieses Zeichenstudios und dringen dort an versteckte Orte im Gebäude vor, von deren Existenz wir bis vor kurzem nichts wussten.
Monster, mehr oder weniger
„Bendy and the Dark Revival“ ist – wie sein Vorgänger – äußerst stimmungsvoll und gruselig. Doch nicht alle Wesen hier sind aggressive Monster, sondern teilen sich in Clans auf, die unterschiedliche Eigenschaften und Ziele haben. Dennoch heißt es oft: weglaufen und verstecken. Wenn wir gerade nicht auf der Flucht sind, durchforsten wir die zahlreichen, verwinkelten alten Räumlichkeiten des umfangreichen Cartoon-Workshops. Überall liegen bekleckerte Puppen und Poster herum, die Wände und Böden sind oft auch mit Tinte gesäumt, und diverse Notizzettel und Tonbänder erzählen darüber, was sich hier vor einigen Jahrzehnten zugetragen hat.

Joey Drew Studios
Hommage an Rapture
Wer die ebenso verstörende wie faszinierende Unterwasserstadt Rapture aus dem Action-Adventure „Bioshock“ (2007) kennt, wird in „Bendy and the Dark Revival“ viele Parallelen finden: Da wie dort gibt es entstellte Wesen, die aber zu einem früheren Zeitpunkt noch keine eindeutig identifizierbaren Monster waren. Es gibt Fraktionen mit eigenen Anführern und eine sonderbare Geschichte, die von Selbstüberschätzung, vom Scheitern, von Wandlung und dem sich langsam entwickelnden Wahnsinn erzählt. Wie in „Bioshock“ können wir unserer Spielfigur Audrey auch hier manchmal seltsame Infusionen verabreichen, die zwar ihren Körper zunehmend entstellen, sie aber auch stärker machen.
„Bendy and the Dark Revival“ besticht durch sein ungewöhnliches Setting und seine düster-hübsche Comic- und Cartoongrafik. Statt in Blut alles in Tinte zu tränken, ist ein cooler ästhetischer Kniff, der dieses Game aber nicht weniger gruselig macht. Dennoch kann das neue „Bendy“ auch von mutigen älteren Kindern (im Zweifelsfall in Begleitung der Eltern) gespielt werden, denn die europäische Alterseinstufungsbehörde PEGI hat das Game ab 7 Jahren freigegeben. Doch wer auch immer sich in den alten Workshop traut: Die eindringliche Warnung, sich vor dem Tintendämon in acht zu nehmen, wird nicht grundlos ausgesprochen.
Publiziert am 29.11.2022