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Dwarf Fortress

Bay12 Games

Game

Ein Spiel wie kein anderes

Die absurd ambitionierte Zwergensimulation „Dwarf Fortress“ erscheint in ihrer kommerziellen Version mit neuer Grafik, Tutorials und verbessertem UI, bleibt aber ebenso herausfordernd wie faszinierend - ein Kultspiel, das diesen Namen verdient wie wenige sonst.

Von Rainer Sigl

Seit über 20 Jahren arbeiten die US-amerikanischen Brüder Tarn und Zach Adams an ihrem Traumspiel, fertig ist „Dwarf Fortress“ nach eigenen Aussagen erst zur Hälfte. Spielen kann man es aber schon lange, und das haben seit dem ersten Release einer Alpha im Jahr 2006 Millionen Hartgesottene bereits getan. Der Ruhm eilt diesem seit Beginn kostenlosen Spiel voraus: Es wird im New Yorker Museum of Modern Art gemeinsam mit anderen berühmten Spielen als Kunstwerk ausgestellt und ermöglicht dem Brüderpaar Adams durch freiwillige Spenden der Fans das Bestreiten ihres Lebensunterhalts. Soeben ist das Wunderwerk in einer ganz neuen, erstmals kostenpflichtigen Version auf Steam erschienen.

„Dwarf Fortress“ ist eine Aufbausimulation in einer Fantasywelt, hier lenke ich die Geschicke einer Kolonie von Zwergen. Das Besondere an diesem Spiel ist, dass so gut wie alles simuliert und zu Beginn jeder Welt prozedural neu berechnet wird: Geologie, Vegetation, Gesundheits- und Gemütszustand einzelner Figuren, Kleidung, Physik und sogar eine tausendjährige Vorgeschichte. „Dwarf Fortress“ ist der wohl ehrgeizigste Versuch, eine ganze Welt von Grund auf im Computer zu simulieren. Die gesammelte Komplexität seiner Berechnungen, die im Hintergrund ablaufen und sogar mächtige neue Prozessoren herausfordern, ist jener kommerzieller und wissenschaftlicher Industrieversuchsanlagen in der Flugzeug- und Raumfahrtindustrie vergleichbar.

Strike the Earth!

Und das alles, um das Schicksal eines Haufens virtueller Zwerge und ihrer Welt zu simulieren. Wie in einer Mischung aus den „Sims“, „Civilization“ und den „Siedlern“ plane ich Grundrisse und Gebäude, organisiere Versorgung, Handwerk und Logistik und muss mich hin und wieder auch gegen Feinde zur Wehr setzen. Der Aufbauteil ist das Herzstück des Spiels, der „Legends“-Modus erlaubt es, die reich verknüpften Beziehungen der Figuren zu ihrer Welt und ihrer Geschichte im Hintergrund zu erforschen. Der bislang nur in der Freeware-Version spielbare „Adventurer“-Modus ist ein klassisches Rogue-like; meine zuvor gebauten, blühenden oder bereits gescheiterten Festungen kann ich darin als Abenteurer besuchen.

„Dwarf Fortress“ ist ein Kultspiel, das sich im Lauf der Jahre begeisterte Fans gemacht hat, darunter auch viele Gamedesigner*innen. Das große „Minecraft“, aber auch Spiele wie „Prison Architect“ und „Rimworld“ haben Dwarf Fortress als direkte Inspiration genannt.

Dwarf Fortress

Bay12 Games

Endloser Geschichtengenerator im neuen Look

„Dwarf Fortress“, entwickelt von Bay 12 Games und vertrieben von Kitfox, ist für Windows erschienen.

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Die absurde Komplexität des Spiels und vor allem den Reichtum seiner Simulation sieht man ihm nicht an - oder naja: irgendwie doch. Bis vor kurzem sah „Dwarf Fortress“ nämlich auf den ersten Blick aus wie eine abgestürzte Textverarbeitung, ein wilder, nur für Eingeweihte lesbarer Salat aus Buchstaben und Sonderzeichen in allen möglichen Farben. Das und das geradezu grotesk umständliche User-Interface, in dem 20 Jahre lang gewachsene Konventionen wild durcheinander wucherten, schreckte alle bis auf die Härtesten von diesem Wunderwerk ab.

Die dieser Tage erschienene kommerzielle Version von „Dwarf Fortress“ ersetzt den Buchstabensalat durch simple, aber übersichtliche Grafik, bietet In-Game-Tutorials und macht vor allem das hyperkomplexe User-Interface einfacher nutzbar. Das senkt die Einstiegshürde, allerdings nur ein wenig: „Dwarf Fortress“ ist trotz der immer noch minimalistischen Grafik eines der komplexesten Spiele überhaupt, das aus sich selbst und seinen Systemen heraus immer neue, wilde Geschichten und Erlebnisse generiert.

Jetzt oder nie

Wahnwitzige Bauprojekte, tragische Schicksale, absurde Katastrophen und epische Abenteuer: Weil alles in „Dwarf Fortress“ simuliert und prozedural generiert wird, ist jede Partie einzigartig und das Spiel ein virtueller Experimentierkasten, in dem es kein Gewinnen, sondern nur ewiges Staunen und unterhaltsames Scheitern gibt. Losing is fun, so lautet immerhin seit Jahren das Motto des Spiels; auf der Fanseite DF Stories belegen hunderte Geschichten die beispiellose Fähigkeit dieses Spiels, immer neue Narrative zu generieren.

Wer dieses Wunderwerk bislang nur von ferne betrachtete, sollte sich jetzt einen Ruck geben: Geduldige Einarbeitung braucht es auch mit der neuen Version auf jeden Fall immer noch, doch wer sich darauf einlässt, findet in „Dwarf Fortress“ ein spielerisches Paralleluniversum wie kein anderes.

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