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Aufgerolltes Geld

Getty Images | Veni vidi...shoot

Was macht Geld mit uns?

In ihrem Buch „Wie viel - Was wir mit Geld machen und was Geld mit uns macht“ schreibt die Journalistin Mareice Kaiser offen darüber, wie viel sie momentan am Konto hat, und spricht mit Menschen, die sehr wenig Geld oder auch sehr viel Geld besitzen.

Savanka Schwarz hat Mareice Kaiser zum Interview getroffen.

Weshalb sprechen wir so ungern über Geld?

Mareice Kaiser: Es liegt vor allem an einem Gefühl, nämlich Scham. Total viele Menschen, mit denen ich über Geld gesprochen habe, haben mir gesagt, dass sie sich für bestimmte Sachen rund um Geld schämen, und zwar sowohl Menschen mit sehr wenig Geld als auch Menschen mit sehr viel Geld. Ich glaube, diese Scham kommt von einer Erzählung, die es in unserer Gesellschaft gibt. Die Erzählung ist: Du musst dich nur hart genug anstrengen, dann klappt das schon mit dem guten Leben und eben auch mit dem Geld. Geld wird zu etwas Individuellem. Wir haben das Gefühl, das liegt an mir selbst, wie viel Geld ich habe, und dabei ist Geld eigentlich etwas sehr Strukturelles. Aber wir glauben diese Erzählung. Das ist so mit Dingen, mit denen wir aufwachsen.

Was hast du im Zuge deiner Recherchen über Reichtum und Machtverhältnisse gelernt?

Mareice Kaiser: Es ist so etwas wie eine Lotterie. Je nachdem, in welche Familie du geboren wirst, dementsprechend hast du halt viel Geld oder wenig Geld. Und Vererben macht die Reichen immer reicher. Das sind eher wenig Menschen ganz oben in der Gesellschaft. Gleichzeitig werden die Armen immer mehr. Ich habe jetzt zur Vorbereitung auf unser Interview auch geschaut, ob es eigentlich große Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland gibt, und habe gesehen, es gibt keine. In Deutschland sind 16 Prozent der Menschen von Armut betroffen und in Österreich sind es 17 Prozent. In Deutschland ist jedes fünfte Kind von Armut betroffen, und das gilt auch für Österreich. Wenn das so eine Zahl ist, dann denkt man sich erst mal, okay, krass, aber dann kann man das auch schnell wieder wegschieben. Wenn man sich aber vorstellt, das fünfte Kind sitzt in der Klasse neben meinem Kind und ist von Armut betroffen - und dann wieder das fünfte, das sind einfach eine Menge Menschen. Wenn man sich dann mit diesen beiden Polen beschäftigt, einmal mit den sehr reichen Menschen und dann mit den Menschen, die sehr wenig Geld haben, wird es irgendwann sehr unverständlich, warum es diese Pole eigentlich gibt, denn das Geld ist ja da, es ist einfach ungerecht verteilt.

Mareice Kaiser

Oğuz Yılmaz | CC BY-SA 4.0

Mareice Kaiser (Foto: Oğuz Yılmaz | CC BY-SA 4.0)

Wie lässt sich eine gerechtere Verteilung herstellen?

Mareice Kaiser: Aus meiner Perspektive gibt es keinen Grund, der dagegen sprechen würde, von oben nach unten zu verteilen. Da gibt es ja verschiedene Möglichkeiten. Es gibt ja zum Beispiel die Organisation taxmenow. Ich habe auch mit Marlene Engelhorn gesprochen, die sich dafür einsetzt, dass sehr reiche Menschen einfach überhaupt mal besteuert werden oder mehr besteuert werden. Den hyperreichen Menschen würde das nicht wehtun und sehr vielen Menschen würde das helfen. Vor allem finde ich, diese Kinderarmut ist so ein großes Problem. Wenig Geld zu haben bedeutet ja für mich als Kind: Kann ich mir die nächste Klassenfahrt leisten, kann ich warme Winterschuhe tragen, kann ich mal ins Kino gehen oder ins Schwimmbad? Wenn Kinder das nicht können, dann können sie nicht teilhaben. Dann können sie nicht gut lernen, haben keine Kapazitäten dafür. Das ist einfach schreiend ungerecht, finde ich, dass Länder wie Deutschland und Österreich sich so etwas wie Kinderarmut leisten.

Weshalb wäre ein offener Umgang beim Thema Geld so wichtig?

Mareice Kaiser: Wir lösen oder verbessern das nur, wenn wir darüber sprechen. Das war auch der Grund, warum ich das Buch schreiben wollte. Ich wollte quasi die Geldkarten auf den Tisch legen und sagen: So sieht es aus, zum Beispiel bei mir, aber eben auch bei Menschen, die weniger Geld haben als ich, bei Menschen, die mehr Geld haben als ich. Ich wollte darüber sprechen, um auch diese Ungerechtigkeit sichtbar zu machen. Denn wenn wir nicht über Geld sprechen, nützt das nur einem kleinen Teil der Gesellschaft, nämlich den Menschen, die sehr viel davon haben. An dieser Scham, über die wir schon gesprochen haben, liegt es eben, dass viele Menschen, die von Armut betroffen sind, auch nicht darüber sprechen. Das ändert sich jetzt ein bisschen, zum Beispiel durch solche Aktionen wie #ichbinarmutsbetroffen. Das dürfen wir aber nicht Menschen überlassen, die von Armut betroffen sind, weil die jeden Tag existenzielle Sorgen haben. Das müssen dann schon auch solidarische Menschen machen, die finanziell vielleicht ganz gut durchs Leben kommen.

Wieso reden wir weniger mit armen Menschen als über arme Menschen?

Mareice Kaiser: Ich glaube, das liegt daran, dass Geld ja auch Macht ist. Viele Menschen, die in Positionen sind, in den Medien zum Beispiel, aber auch in der Politik, sind Menschen mit viel Geld. Und Menschen, die von Dingen nicht betroffen sind, finden dann eben auch bestimmte Themen nicht relevant. Zum Beispiel habe ich das beobachtet bei der Diskussion um das 9-Euro-Ticket in Deutschland, das dann ja irgendwann als 49-Euro-Ticket wiederkommen sollte. Viele Menschen aus den Medien haben das so als positiv bewertet und haben gesagt: Ist doch super, 49 Euro. Das waren eben Menschen, für die es keinen Unterschied macht, ob das jetzt 9 oder 49 Euro sind, für die 40 Euro keinen Unterschied machen. Das ist natürlich schwierig, wenn Menschen über etwas urteilen und in den Medien schreiben und für Öffentlichkeit sorgen, die absolut keine Ahnung von so einer Lebensrealität haben und es im Zweifel dann sogar als unwichtig abtun.

Am Anfang des Buches stellst du die Frage, wie Geld ein Thema ohne Tabu werden kann. Hast du eine Antwort darauf gefunden?

Mareice Kaiser: „Wie viel. Was wir mit Geld machen und was Geld mit uns macht

Rowohlt

„Wie viel. Was wir mit Geld machen und was Geld mit uns macht“ von Mareice Kaiser ist bei Rowohlt erschienen.

Mareice Kaiser: Indem wir uns eben bewusst machen, dass das kein individuelles Problem ist und dass es wirklich daran liegt, politische Rahmenbedingungen zu schaffen, Strukturen zu schaffen, wie man das besser aufteilen kann. Wenn wir uns dessen bewusst sind, dann ist klar, wir sind ein kleiner Teil von diesem System und aus den und den Gründen ist es für mich schwieriger, an Kohle ranzukommen. Wenn wir uns dessen bewusst sind, dann ist es nicht schwierig, darüber zu sprechen, dann ist es auch kein Tabuthema mehr. Mir ist wichtig, dass es bei Geld und Geldverteilung vor allem auf Solidarität ankommt und dass das nicht funktioniert, wenn Menschen, die von Armut betroffen sind, dafür kämpfen müssen. Die brauchen einfach Verbündete. Taxmenow ist ein ganz gutes Beispiel. Aber es können auch Menschen sein, die irgendwo in der Mitte sind. Natürlich geht es immer um politische Veränderungen, ohne die geht gar nichts, aber man kann auch echt im privaten oder im Berufsleben mal nach rechts und links schauen und gucken: Hey, wer braucht eigentlich was? Wo sind meine Privilegien? Wo kann ich vielleicht auch etwas abgeben, und es geht mir trotzdem weiterhin gut und den anderen Leuten vielleicht besser.

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