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Weihnachtsdeko in der Justizanstalt Stein

Savanka Schwarz/fm4

Gnade schenkende Weihnachtszeit – Weihnachten in Haft

Knarrende Holzbänke, hell leuchtende Weihnachtsbäume und Lieder bei denen eher leise mitgesummt, als kräftig mitgesungen wird. Eigentlich wie bei jeder anderen Weihnachtsmesse. Eigentlich. Denn bei der Weihnachtsmette in der Justizanstalt Stein, klingt das sonst eher obligatorische „Vergib uns unsere Schuld“ sehr ernst.

Von Savanka Schwarz

In der Justizanstalt Stein sitzen rund 800 Männer ihre Haftstrafe ab. Und ‚in Stein‘ sitzt bekanntlich nicht der kleine Ladendieb. Viele der Männer hier wurden wegen Mord, Totschlag oder Vergewaltigung verurteilt.

Bei der Weihnachtsmette in der Justizanstalt Stein, klingt das sonst eher obligatorische „Vergib uns unsere Schuld“ sehr ernst.

Und mit hier meine ich an diesem Mittwochnachmittag auch die Weihnachtsmette, die in der Kirche in der Justizanstalt Stein sattfindet. Es ist die erste nach Corona. Geladen sind Mitarbeiter*innen, ausgewählte Gäste und Insassen, die sich für die Veranstaltung angemeldet haben. Prinzipiell darf sich jeder Insasse anmelden. Selten wird die Teilnahme aus Sicherheitsgründen verwehrt. Das Sicherheitsgebot während der Mette ist enorm. Jeweils am linken und rechten Ende der Holzbänke stehen Justizwachbeamt*innen, die jede Bewegung der Insassen genau beobachten. Die Kirche ist in den Hafttrakt integriert, unterscheidet sich optisch von innen allerdings nicht von anderen Kirchen.

Ich besuche die Kirche vor der Mette, um ein paar Fotos ohne Menschen zu machen. Sowohl die Anonymität der Insassen als auch der Sicherheitsbeamten muss gewehrt werden. Als ich eine Stunde später wieder komme, starren mich 80 hier inhaftiere Männer an: junge Männer mit trainierten Oberarmen und Tattoos im Gesicht, alte Männer mit grauem Haar und Stock. Mir wird ein Holzsessel ganz vorne zugewiesen. Später werde ich umgesetzt, aus Sicherheitsgründen, weil die Ministranten, ebenfalls Inhaftierte, sonst zu nah neben mir sitzen würden.

Glaube, Familie und die eigene Schuld

Die Messe leitet Bischof Alois Schwarz. Das Besondere für ihn an diesem Nachmittag ist, dass die Insassen sehr emotional werden. Viele Menschen finden während des Haftvollzugs neu oder wieder zum Glauben. Dass Gott auch sie liebe, falle gerade Männern in Haft schwer anzunehmen, sagt der Bischof. Er erzählt, dass die Insassen zu Weihnachten einerseits viel an die eigene Familie denken, sich aber auch mit der eigenen Schuld auseinandersetzen.

Das bestätigt auch Sandra Gaupmann, sie ist die Leiterin der psychologischen Abteilung in Stein. Um die Weihnachtszeit suchen einige vermehrt das Gespräch mit den Psycholog*innen. Da viele Insassen besonders rund um den Jahreswechsel darunter leiden, von der Familie getrennt zu sein, versucht die Justizanstalt zum Beispiel mit erweiterten Besucher*innenzeiten zu unterstützen. In manchem Fällen dürfen Inhaftierte über Weihnachten nachhause. Sonst werden viele Karten und sogar kleine Geschenke verschickt. Die Männer in der JA Stein haben die Möglichkeit aus ausgewählten Katalogen zu bestellen. Außerdem gibt es einen kleinen Shop im Gefängnis, der zur Weihnachtszeit auch Weihnachtskarten verkauft.

Auf Bedürfnisse der Insassen eingehen

Der Psychologin Sandra Gaupmann ist es ein großes Anliegen, im Rahmen des Möglichen auch auf die Bedürfnisse der Insassen einzugehen: „Wir müssen die Insassen sinnvoll beschäftigen , damit sie die Bevölkerung und uns nicht beschäftigen und Insassen einfach nur wegzusperren ohne ihnen einen atmosphärischen Ausgleich zu bieten, wie eine Weihnachtsfeier oder Besuchsmöglichkeiten zu Weihnachten, das wäre ein kurzfristiges Denken und es macht Insassen nicht ungefährlicher, wenn man ihnen das verbietet.“

Weihnachtsgrüße habe er bereits verschickt, erzählt mir ein etwa 50-jähriger Insasse. Ein paar Anrufe stünden noch aus. Auch er denke in der Weihnachtszeit besonders viel an seine Liebsten. Es ist sein einundzwanzigstes Weihnachtsfest in Haft. Er ist sehr dankbar, dass er noch ein paar Angehörige und Freunde hat, mit denen er sich austauschen kann, denn viele hier hätten das nicht mehr, sagt er. Über Weihnachten vor seiner Zeit im Gefängnis möchte er nicht sprechen. Schlechte Erinnerungen. Er denke lieber an die Zukunft. Falls er nächstes Jahr Weihnachten nicht mehr in Haft verbringen muss, will er es mit seinen Freunden und Angehörigen feiern. Wo, sei ihm eigentlich egal. Hauptsache mit Menschen, die ihm etwas bedeuten. Dieses Jahr allerdings unterstützt er musikalisch am Keyboard die Weihnachtsmesse in der Justizanstalt.

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