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Eisschwimmen am Badeschiff

Gersin Livia Paya/radio fm4

Das große Zittern - Eisschwimmen im Dezember

Der Sprung ins kalte Wasser ist nicht mehr nur in Skandinavien beliebt. Auch in Österreich gewinnt das eisige Wasser an Beliebtheit. Worauf ist zu achten? Und wie fühlt es sich an? Wir haben den Selbsttest gemacht.

Von Gersin Livia Paya

„Es hat 6,2 Grad, jetzt sind wir also noch beim Kaltwasserschwimmen, ab 5 Grad ist es eigentlich Eisschwimmen“, sagt der sehr sanfte, aber hartgesottene Extremsportler und Eisschwimm-Trainer Josef Köberl.

Es ist 8 Uhr früh, Feiertag und das Wetter ist grau und nebelig, um die 3 Grad Lufttemperatur - alles Andere als Badewetter. Am Donaukanal in Wien ankert das Badeschiff mit unbeheiztem Outdoor-Becken. Rundherum sind nur die frühen Vögel zu sehen und ein paar sehr warm eingepackte Jogger:innen, die uns mit großem Staunen beobachten.

Eisschwimmen am Badeschiff

Gersin Livia Paya/radio fm4

Josef Köberl gibt vorab noch ein paar Tipps: „Wenn einem ganz kalt ist, sollte man mit dem Aufwärmen nicht bei den Fingerspitzen anfangen, denn sonst strömt das kalte Blut dann hin zum Herzen und das kann durchaus unangenehm werden und bis hin zum Tod führen“, warnt er.

Köberl gibt sich dieser Gefahr schon seit 10 Jahren hin, er hat über 5.000 Menschen in Österreich schon für das Baden im kalten Wasser begeistert und trainiert gerade das israelische Schwimmteam für das Eisschwimmen. Er ist Weltmeister im Winter Biathlon, hat Weltrekorde im Eisschwimmen gebrochen und ist den Ärmelkanal in unter 15 Stunden durchschwommen. Aber sein Go-To Schwimmbecken ist der Donaukanal: „Oft geh ich in der Mittagspause schwimmen, danach hab ich so viel Energie, dass mich meine Kolleg:innen nicht aushalten“, sagt er.

Wer Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System hat, sollte lieber darauf verzichten. Doch wer Eiseskälte, Wind oder manchmal auch Schneetreiben feiert – ist hier genau richtig. Josef springt mehrmals die Woche mit seinen Kursteilnehmer:innen ins kalte Wasser und weiß, dass es mehr als eine Kopfsache ist und auch Vorbereitung braucht.

Was sind die wichtigsten Tipps zum Eisschwimmen?

Josef erklärt:

  • Zeit lassen, Zeit nehmen beim reingehen, mit jedem Schritt tiefer ins Wasser, tief in den Bauch - durch die Nase atmen
  • Vorher keinen Koffein trinken, wegen der Blutgefäße
  • die Bekleidung ausgebreitet bereitlegen
  • Nicht zu heißen Tee dabei haben, wenn das große Zittern kommt, kann man sich leicht damit anschütten
  • Im Wasser auf ruhige Atmung achten!
  • Den eigenen Schmerz beobachten und Schmerz-Management betreiben
  • Das Wichtigste zuerst: Beim rausgehen schnell zuerst Socken und Unterwäsche anziehen (die Motorik lässt dann schnell nach)

Mit Fokus ins Wasser

In aller Ruhe schälen wir uns also aus unserer lockeren Wintermontur, schlüpfen in unsere Badekleidung und gehen auf kaltem Boden zum Pooldeck des Badeschiffs. Das Wasser hat knappe 6 Grad und bevor wir überhaupt darüber nachdenken können ist Josef schon im Wasser. Das Training im Becken ist ideal für Anfänger:innen, der Boden ist sichtbar und nicht dunkel wie in der Donau, es gibt Festhaltemöglichkeiten und einen Indoo-Bereich zum Aufwärmen.

Eisschwimmen am Badeschiff

Gersin Livia Paya/radio fm4

Positive Auswirkungen

„Viele kommen wegen dem Adrenalinkick und vor allem immer mehr Frauen kommen, um sich mit dem eigenen Körper mehr auseinanderzusetzen“, sagt Josef. Schon kurze Einheiten bewirken viel: „Man ist immer lustig danach und stößt Endorphine und Dopamine und viele andere Gefühle querbeet aus und man weiß, man hat Extremes geleistet und das stärkt einen natürlich auch.“

Wir verbringen insgesamt 16 Minuten im eiskalten Wasser, Josef achtet auf unsere Pupillen und kann dabei sehen, ob wir Angst haben, fokussiert sind, Glücksgefühle verspüren oder im Überlebensmodus sind. „Dieser Prozess im Gehirn schützt uns vor Lebensgefahr und je tiefer wir reingehen ins Wasser, desto mehr beginnt dieser Prozess und wir spüren immer wieder einen Schmerz an verschiedenen Stellen“, so Köberl.

„Zu Beginn zittert der Körper leicht und heizt sich gleich auf und dann kommt irgendwann der Moment, wo der Körper friert, man fängt an in die Brust zu atmen und braucht mehr Sauerstoff und dann ist der Moment wo man rausgeht, meistens nach ca. 15 Minuten“, erklärt er.

Viel schwimmen oder sprechen war nicht wirklich möglich, aber es ist das passiert, was ich persönlich so am Extremsport liebe: Das völlige Rauszoomen aus den Gedanken, rüber ins reine Körpergefühl und für einen Augenblick sind alle Probleme und Gedanken weg. „Man merkt gar nichts mehr, man ist nur bei sich selbst, auch bei depressiven Menschen fällt oft die Last ab und sie sind dann total bei sich selbst und beobachten plötzlich Menschen und Fische, was sie sonst nicht tun würden“, sagt Köberl. Auch bei mir wurde dann alles ersetzt durch einen puren Kick an Energie und Endorphinen.

"Nicht Härte, Wärme schmilzt das Eis“

Wir schleppen unsere knallroten Körper raus, noch bevor ich zu zittern anfange, geht es schnell in die Socken und in die Unterwäsche. Mein Körper durchläuft mehrere Kälteschauer und die Füße fühlen sich an als hätte ich zwei Eisklumpen am Ende meiner Beine. Von der heißen Dusche rät Josef ab, zumindest solange das Zittern noch andauert.

Zu dem körperlichen Taubheitsgefühl kommt dann das absolute Glücksgefühl dazu. Das gute Gefühl danach ist das, was uns alle hierher gebracht hat und das beste daran? Der Glücks-Peak ist von Dauer und zieht sich oft über 1-2 Tage, zumindest bei mir. Pro Tipp: Ich bin jeden Sonntag eisschwimmen und nehme die Energie davon mit in die ganze Woche.

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