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Leonardo DiCaprio in "The Revenant" und Frances McDormand in "Fargo"

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50 Shades of White: Kino zwischen Unschuld und Verderben

Die Farbe Weiß steht im Mittelpunkt des heutigen Sendung „Hallo FM4“. Dazu eine kleine Filmauswahl: Polizist*innen und Kriminelle versinken im Schnee, Leonardo DiCaprio irrt durch die winterliche Wildnis, Johnny Depp verfällt dem Kokainrausch. Und in einem österreichischen Meisterwerk wird Weiß zur Farbe der zerstörten Unschuld.

Von Christian Fuchs

„Für den standardmäßigen dramaturgischen Einsatz von Farben in Filmen lassen sich einfache Beispiele nennen“, sagt das Internet. „So steht die Farbe Weiß häufig für Unschuld, aber auch für Reinheit, Sterilität und Kälte.“ Danke, aber da ist noch viel mehr möglich.

„Drei Farben: Weiß“ heißt ein gefeiertes Beziehungsdrama des Regisseurs Krzysztof Kieślowski. Das Spektrum ist natürlich entschieden größer. Besser könnte man von 50 Shades of White sprechen, wenn es um das Kino geht.

Ikonische Schneewestern wie „Leichen pflastern seinen Weg“, winterliche Thriller wie „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, harte Actionfilme wie „Der Schneemann“ kommen einem in den Sinn. Der blütenweiße Anzug, in dem sich John Travolta dem „Saturday Night Fever“ hingibt. Horrorschocker wie Dario Argentos „Tenebrae“ mit ihren klinisch weißen Dekors. Österreichische Blödeleien wie „Das weiße Rössl am Wolfgangsee“. Und natürlich eine blutige Tragikomödie der Coen Brothers, die das moderne Indiekino definierte.

Blutiger Schnee

Ja, die gleichnamige Fernsehserie ist auch überwiegend toll, aber hier soll es nur um die Farbe Weiß in Filmen gehen. „Fargo“ gehört immer noch zu den allerbesten Werken der Brüder Joel und Ethan Coen. Die Geschichte vom Provinz-Loser Jerry Lundegaard, der beschließt, seine Frau von zwei Gaunern entführen zu lassen, um den reichen Schwiegerpapa zu erpressen, fasziniert mit rabenschwarzem Humor und Melancholie zu gleich.

Brutal geht es auch zu. Schauspieler wie Frances McDormand, William H. Macy, Steve Buscemi und Peter Stormare agieren in Topform. „Fargo“ gehört jedenfalls zu den lässigsten Schneefilmen, ein schrulliger (Alb-)Traum in schmutzigem Weiß.

Verloren im Weiß

Bleiben wir draußen in der Kälte. Die Geschichte spielt sich irgendwo in der schneeverwehten Wildnis von Missouri ab, irgendwann in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine Jagdexpedition endet im Chaos. Amerikanische Ureinwohner überfallen die Truppe, die unbarmherzige Natur gibt den Männern beinahe den Rest.

Für den Trapper Hugh Glass kommt es aber noch schlimmer. Nach einer Attacke durch einen Grizzlybären lassen ihn seine Kameraden sterbend zurück. Aber Glass kämpft gegen den Tod, erst recht, nachdem ein finsterer Kompagnon seinen Sohn ermordet.

Handlungstechnisch passiert nicht viel in „The Revenant“, einer prototypischen Rachegeschichte. Aber der Plot ist nebensächlich, auch wenn der Film auf einem wahren Vorfall beruht. Der wahnwitzig ambitionierte und grausam schöne Film will die Bildsprache des Kinos verändern. Ganz viel Weiß, mittendrin der verlorene Leonardo DiCaprio, längst ein verlässlicher Garant für Intensität.

Weißes Pulver, leere Blicke

Vom „Schnee, auf dem wir alle talwärts fahren“ hat Falco einst gesungen und er dachte dabei nicht an winterliche Wettermomente. Kokain fehlt in kaum einem modernen Gangsterfilm, ist seit Al Pacinos Drogenexzessen in „Scarface“ glamourisiert und verdammt.

Wie das weiße Pulver einst aus Kolumbien in die USA gekommen ist, davon erzählt der ziemlich gute Film „Blow“. Johnny Depp, damals auch noch in Topform, schlüpft in die wahre Rolle des Kokaindealers George Jung, der ganz Amerika mit Euphorie versorgt. Am Anfang strahlt der Hippie George Jung noch den einst verschmitzten Charme des Schauspielers aus, gegen Ende ist der Blick fahl und leer.

Vom Verlust der Unschuld auf ganz andere Weise erzählt ein österreichisches Meisterwerk. „Das weiße Band“ gilt zurecht als vielleicht bester Film von Michael Haneke, veredelt durch einen Auslands-Oscar. Der Titel bezieht sich auf ein Symbol, mit dem ein strenger Pastor seine Kinder schmückt, als Zeichen der Reinheit.

Jedenfalls eine Art Horrorfilm, ohne ein Horrorfilm zu sein, wie so Vieles vom strengen Haneke. In kontrastreichem Schwarzweiß sehen wir ein deutsches Dorf in Krisenstimmung. Haneke zeigt frustrierte, hasserfüllte Kinder mit lächelnden Gesichtern, die zukünftige Generation Nationalsozialismus. „Das weiße Band“ wirkt weniger konstruiert als die anderen Streifen des Regisseurs, fast schon klassisches Kino - und deswegen noch intensiver.

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