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Mönichkirchen Winter 2022/23 - kaum Schnee

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FM4 Auf Laut: Wie geht klimafreundlicher Wintertourismus?

Kein Schnee, die Debatte ums Klima und die Landtagswahlen vor der Brust: die erste Saison nach den Corona-Maßnahmen ist auch in Niederösterreich für Orte, die vom Wintertourismus leben, herausfordernd.

Von Rainer Springenschmid

Sowas wie heuer, das haben sie in Mönichkirchen noch nicht erlebt. Sowas wie heuer, das sind grüne Wiesen und Wälder ohne einen Flecken Naturschnee. Diese Bilder kennt man derzeit aus ganz Österreich. In Mönichkirchen am Wechsel sind sie ganz ähnlich: Schmutzigweiß schlängeln sich die Pisten talwärts, alle hundert Meter eine leuchtend gelbe Schneekanone, so als wollten sie allen zeigen, was sie alles tun für ihre Schneesicherheit.

FM4 Auf Laut: Wie geht klimafreundlicher Wintertourismus?

Sommerrodeln im Jänner, Skifahren am Schneeband in grüner Berglandschaft. Die Saison wird immer kürzer – und das Skifahren in niedriger gelegenen Gebieten wird immer weniger: Der Wintertourismus ist schwer getroffen von der Klimakrise – aber er verursacht sie auch mit. Was bedeutet das für Tourist*innen, für den Wintersport, für Gastro und Hotellerie? Wie wird sich Wintertourismus verändern? Wie können wir klimafreundlich im Winter urlauben?

Claus Pirschner diskutiert darüber u.a. mit Verena Stahl von der NGO POW (Protect Our Winters) und mit Anrufer*innen. Am 10.1.2023, um 21 Uhr auf FM4 und im Player.

In Mönichkirchen-Mariensee haben sie, seit das Skigebiet dem Land gehört, eine Menge investiert, um es am Leben zu erhalten. Sie hätten hier nur acht Kilometer weniger Pisten als am Stuhleck, sagt der Betriebsleiter Christoph Stangl stolz. Doch auch hier schweigen die Schneekanonen derzeit, wie fast überall in Österreich. Es ist immer noch zu warm.

Ob das mit dem Klimawandel zusammenhänge, darüber wollen die meisten hier gar nicht viel reden. Heuer sei eine absolute Ausnahme, da sind sich alle einig. Vielleicht ist es für sie aber auch gar nicht so wichtig, woher die aktuelle Situation kommt. Oben auf der Alm, die hier Schwaig heißt und auf 1230 Meter Seehöhe die Mittelstation des Skigebiets bildet, musste man sich schließlich immer schon an der Natur orientieren. Und alle Möglichkeiten nutzen.

„Wir haben die erste thermische Solaranlage schon 1988 oder 1990 gebaut“, erzählt Florian Reithofer, Geschäftsführer im Alpengasthof Enzian auf der Schwaig. In den Gasträumen stehen Kachelöfen, Brennholz stapelt sich an vielen Stellen rund ums Haus. „Mein Vater war da sehr visionär. Wir haben Rückgewinnungsanlagen für die Kühlaggregate, wir nutzen die Abwärme vom Küchenherd, wir haben einen Pelletsofen, eine Wärmepumpe, Photovoltaik – also wir sind hier schon breit gefächert, was das betrifft. Unsere alte Ölheizung läuft vielleicht dreimal im Jahr für einen Tag.“

Mönichkirchen Winter 2022/23 - kaum Schnee

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Auch Christa Koderholt, die einen Skiverleih und eine Pension auf der Schwaig betreibt, heizt schon lange CO2-neutral, ein schon etwas abgeblätterter Aufkleber auf der Eingangstür bestätigt das. So einen Winter wie heuer hätten sie noch nie gehabt, meint sie. Ob das mit dem Klimawandel zusammenhänge? Naja, früher sei schon mehr Schnee gewesen. Aber normalerweise reiche es auch heute noch.

Man bemühe sich schon um Nachhaltigkeit, das wollen alle Gesprächspartner*innen betonen, auch, was das Skigebiet und den Ort angehe. Viel Konkretes ist aber, abseits der eigenen Betriebe, nicht zu hören. Die Hotels setzen auf Photovoltaik und hätten die Heizung umgestellt, meint Skigebiets-Betriebsleiter Stangl, er selbst versichert, sie würden sich alle Mühe geben, Energie zu sparen und seien auch als Skigebiet für Öffi-Anreisende gerüstet. Nach einem ganzheitlich nachhaltigen Tourismuskonzept klingt das nicht – auf der Website des Skigebiets ist zu dem Thema gar nichts zu finden, der Abschnitt „Anreise“ enthält nur eine eingebundene Google Map. Dabei wäre die „Erlebnisalm“ Mönichkirchen-Mariensee von Größe und Lage her eigentlich ideal dafür.

Mönichkirchen Winter 2022/23 - kaum Schnee

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Vielleicht will sich zum umkämpften Thema Klimamaßnahmen niemand öffentlich die Zunge verbrennen. Die Gemeinde Mönichkirchen ist fest in ÖVP-Hand, neben den üblichen Schaukästen der drei großen Parteien ist die einzige öffentlich sichtbare Wahlwerbung für die Landtagswahlen in drei Wochen in den Landesfarben blau und gelb gehalten, mit denen die regierende Partei seit Jahren wirbt. Auch an den Fahnenstangen am Ortseingang weht die Aufforderung, Mikl-Leitner zu wählen.

Kurz vor Corona war ein heftiger politischer Streit um einen neuen Parkplatz mit 246 Stellplätzen entbrannt. Grüne und Klimaschützer*innen im Land forderten vehement, die öffentliche Anreise zu forcieren, statt Wald für neue Parkplätze zu roden. Der Parkplatz steht inzwischen - heute, am ersten Tag nach den Weihnachtsferien bei Nebel und leichtem Nieselregen ist er erwartungsgemäß fast leer. Und das trotz flexiblen Ticketpreisen, weswegen die Tageskarte heute nur 32 Euro kostet.

Mönichkirchen ist für Tagesskiausflügler*innen aus Wien und Wiener Neustadt nicht weniger geeignet als die bekannten Platzhirschen Semmering und Stuhleck: Mit Zug und Bus ist man in anderthalb Stunden aus Wien im Ort, die 700 Meter zum Skigebiet geht man ohne Ski problemlos. Und für Gäste, die öffentlich anreisen, habe man ja auch den Skiverleih errichtet – mit Photovoltaik auf dem Dach, meint Betriebsleiter Stangl. Aber natürlich ist das auch wieder ein Kostenfaktor, um die 50 Euro muss man rechnen – und nicht an jedem Tag sind die Ticketpreise so günstig wie heute, wo das halbe Skigebiet wegen Schneemangel gesperrt ist.

Mönichkirchen Winter 2022/23 - kaum Schnee

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Einige wenige reisen auch mit voller Ausrüstung öffentlich an, erzählt der Busfahrer, der mich als einzigen Fahrgast vom Bahnhof Aspang heraufbringt. Die Verlängerung der Buslinie bis direkt zum Skigebiet werde schon seit Jahren diskutiert, erzählt er. Er hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es zu den heurigen Semesterferien so weit sein könnte. Wendemöglichkeit und Haltestelle für die Linienbusse sind schon da, und die Busse fahren auch heute schon herauf zur Talstation, um dort ihre Pause zu machen und auf die Rückfahrt zu warten, nur die Fahrgäste müssen sie im Ort absetzen.

Auch Tomasz ist mit dem Auto aus Polen gekommen. Neben einem Schulskikurs sind er, seine Lebensgefährtin und ein befreundetes Paar schon mehr als die Hälfte der heutigen Pistenbenutzer:innen. Tomasz kennt das Gebiet schon aus dem Sommer, der wenige Schnee stört ihn nicht. Die Anreise mit dem Auto sei für ihn die beste Option, meint Tomasz. Bei dem ganzen Gepäck sei das mit Zug und Bus nicht wirklich eine Lösung.

Mönichkirchen Winter 2022/23

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Ob die Auslastung gleichbleibend sei oder doch zurückgehe, da sind sich die Mönichkirchener*innen nicht ganz einig. Manche merken schon einen deutlichen Rückgang in den letzten Jahren, auch ohne Corona einzurechnen. Christa Koderholt spürt eher eine Zunahme des Wintertourismus, die Leute würden lieber weniger weit fahren und bevorzugten kleine Skigebiete.

Auf der Schwaig sind sie mit der Auslastung in den Weihnachtsferien jedenfalls zufrieden, trotz fehlendem Schnee und warmem Wetter. Der Tourismus habe hier am Wechsel ganz sicher eine Zukunft, glauben sie unisono, allerdings sei der Sommer inzwischen wichtiger als der Winter, wie das benachbarte St. Corona setze man hier auf Wandern und Mountainbiken. Trotzdem: Der überwiegende Teil der Investitionen fließe in den Wintertourismus.

In den nächsten Tagen erwartet man wieder Minusgrade in Mönichkirchen, dann werden die Schneekanonen wieder angeworfen. „Wir sitzen schon da mit einem leichten Zucken“, sagt Christoph Stangl. „Sobald das Wetter es zulässt, legen wir los.“

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