FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Luna Jordan

Sasha Ilushina

metoo

Reden statt Dichthalten

Luna Jordan arbeitet als Film- und Theaterschauspielerin in Deutschland und Österreich. 2022 wurde sie für ihre Rolle in dem Spielfilm „Fuchs im Bau“ mit dem Österreichischen Filmpreis in der Kategorie Beste weibliche Nebenrolle ausgezeichnet. Ihre Rede bei der Preisverleihung nutzte sie, um auf sexuellen Missbrauch in der österreichischen Film- und Theaterbranche aufmerksam zu machen. Auch sie sei mit gerade einmal 20 Jahren schon vier Mal Opfer von sexuellem Missbrauch an Filmsets und in Theaterhäusern geworden.

Luna Jordan im Gespräch mit Melissa Erhardt

Radio FM4: Luna, du hast in deiner Rede beim Österreichischen Filmpreis auf den sexuellen Missbrauch in der österreichischen Film- und Theaterbranche aufmerksam gemacht, auch auf deine eigenen Erfahrungen. Warum war es dir wichtig, das Thema anzusprechen?

Luna Jordan: Ich habe das angesprochen, weil ich an den Tagen davor von vielen Kolleginnen wieder Geschichten gehört habe, die mich sehr getroffen haben. Meistens mache ich mir gar nicht so viele Gedanken über Vorfälle, die mir passieren - auch wenige Tage vor dem Filmpreis ist mir wieder was passiert an einem Set in Deutschland -, aber wenn engen Freunden was passiert, das verletzt mich irgendwie auf eine andere Art und Weise. Und weil ich wusste, dass ein Regisseur an dem Abend anwesend war, der auch nominiert war, dachte ich, werde ich das Wort ergreifen und das ansprechen, ohne Namen zu nennen.

Radio FM4: Wie war es für dich, öffentlich darüber zu reden? Wie waren die Reaktionen darauf?

Luna Jordan: Ich habe im Vorhinein überhaupt nicht über die Reaktionen nachgedacht und ich glaube, das ist auch gut so, weil sonst hätte ich mich das gar nicht getraut. Ich war sehr überrascht, weil die Reaktionen waren alle durchweg positiv, sehr unterstützend und verständnisvoll, kamen aber hauptsächlich von weiblichen Kolleginnen, was ich gar nicht so verstehe.

Meinem besten Freund ist auch kurz davor einen Übergriff passiert, mit einem Regisseur. Ich finde, es ist überhaupt nicht Geschlechtern zuzuordnen, sondern das ist einfach ein strukturelles Machtproblem. Ich finde es dann immer so ein bisschen lächerlich, dass immer nur Frauen sich melden und sich gegenseitig Support schenken. Es betrifft genauso Männer.

Radio FM4: Hast du auch Angst gehabt, wie sich das auf deine eigene Karriere auswirken könnte?

Luna Jordan: Auf jeden Fall. Ich glaube, das hat man immer. Ich glaube, das hat man auch, wenn einem ein Übergriff passiert am Set, wenn man das dann bei der Produktion anspricht oder zu einer Vertrauensstelle geht. Da ist immer eine gewisse Angst dabei, dass man danach nicht mehr arbeiten wird oder dass sich das rumspricht.

Oft arbeiten Täter mit Tätern zusammen.

Mir ist aufgefallen, dass es so bestimmte Kreise gibt in unserer Branche, oft arbeiten Täter mit Tätern zusammen. Das ist natürlich auch ganz praktisch, wenn man dann weiß, okay, von den Leuten will ich mich eher fernhalten. Aber oft weiß man das auch nicht, und dann ist halt einfach der Gedanke da: Oh Gott, was ist, wenn ich keine Jobs mehr bekomme? Und dass es grundsätzlich rufschädigend ist für einen, gerade wenn man noch jung ist. Gerade wenn man erst anfängt, weiß man nicht, was das für Auswirkungen hat. Juristisch gesehen ist es ja auch komplex, weshalb man keine Namen nennen kann. Es sind viele aufwendige Schritte und sehr viel Ungewissheit, ob man wirklich am Ende des Tages Gerechtigkeit bekommt oder Geld zahlen muss auch noch.

Radio FM4: Du hast in deiner Rede unter anderem dazu aufgefordert, das Schweigen zu brechen. Gerade diese Praxis des Schweigens ist in den letzten Tagen immer wieder kritisiert worden: Viele in der Branche wissen von Übergriffen, wissen von Missbrauchsfällen, aber niemand sagt etwas oder nur sehr wenige. Warum, glaubst du, ist das Schweigen gerade in dieser Szene so heftig?

Luna Jordan: In unseren Kreisen, in unserer Filmszene ist oft alles bekannt, also untereinander. Unter Kolleg*innen wissen oft fast alle, wer was gemacht hat, weil sich das einfach rumspricht, sehr schnell, vor allem in Österreich, weil die Branche da verhältnismäßig klein ist. Genauso dieser Skandal mit Florian Teichtmeister, das war schon vor Monaten bekannt. Genauso der zweite Täter, der jetzt vielleicht auch in den nächsten Tagen öffentlich genannt wird. Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll. Es ist gut, dass sich das in unseren Kreisen rumspricht, weil dann kann jeder für sich entscheiden, will ich mit dieser Person arbeiten oder nicht.

Radio FM4: Es wird quasi aus einem strukturellen Problem ein individuelles. So liegt es im Endeffekt an dir, ob du sagst: Hey, ich lass mich drauf ein, oder: Hey, ich kann das einfach nicht, weil ich will nicht belästigt werden oder was auch immer. Das ist dann individualisiert.

Ich finde es wichtig, dass diese gegenseitige Aufklärung da ist.

Luna Jordan: Die letzten Monate wurde wieder ein Projekt gecastet von dem Regisseur. Man weiß, dass er übergriffig war. Viele enge Leute aus meinen Filmkreisen wurden dafür angefragt, und ich habe es als meine Pflicht gesehen, wenn ich davon erfahren habe, die darüber aufzuklären. Ich will niemandem einen Stein in den Weg legen oder so, das ist ja von jeder Person die eigene Entscheidung: Will ich mit diesem Menschen zusammenarbeiten oder nicht? Traue ich mich das, lass ich mich darauf ein? Alle haben schlichtweg gesagt: Nee, dann werde ich dieses Casting absagen. Davon war ich sehr überrascht, weil das habe ich jetzt auch nicht erwartet.

Luna Jordan

Sasha Ilushina

Luna Jordan

Ich verstehe das auch, wenn Leute sagen: Ich würde es gern machen, weil ich an das Projekt glaube, und die Menschen sind mir egal, was sie gemacht haben, weil ich davon nicht direkt betroffen bin. Aber ich finde es einfach wichtig, dass diese gegenseitige Aufklärung da ist. Ich glaube, das ist langsam im Kommen.

Das war nicht immer so, dass sich die Sachen so rumgesprochen haben. Es wird öffentlicher, und immer mehr Aufmerksamkeit liegt auf diesem Thema, was wahnsinnig wichtig ist, damit das in Zukunft einfach weniger wird und die Leute sich das nicht mehr trauen und verschwinden aus unserer Szene.

Radio FM4: Die Schauspielerin Verena Altenberger hat auf Twitter geschrieben, sie hätte sich gerade am Anfang jemanden gewünscht oder ein Netzwerk gewünscht, das sich supportet und eben auch aufklärt bei sowas. Wie siehst du das heute?

Luna Jordan: Wir haben die Vertrauensstellen, die ganz toll sind, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass noch immer ein wirklicher Austausch fehlt. Ich kann mich nur mit den Kollegen und Kolleginnen austauschen, die ich persönlich kenne oder mit denen ich gerade drehe. Es wäre schon toll, wenn es noch Vertrauenskreise gäbe, wo man sich austauschen könnte, mit ganz verschiedenen Leuten aus der Branche. Es ist ja departmentübergreifend. Ich bin immer in meiner Regie- und Schauspielblase, aber das kann genauso Maskenbildner*innen betreffen. Es kann Leute vom Kostüm betreffen, vom Ton. Es ist so breit gefächert, und ich bin mir sicher, dass es auch nicht nur in unserem Beruf so ist, sondern in ganz vielen Berufen. Aber weil wir auf so eine intime Art und Weise zusammenarbeiten, passiert das, glaube ich, sehr viel schneller.

Super wichtig wäre auch, was Netflix schon angefangen hat, dass jedes Mitglied aus dem Team vor jeder Produktion eine Einweisung mitmachen muss. Zum Verhalten am Set, wie man miteinander umgeht, was man sagen darf, einfach so eine allgemeine Aufklärung, was ist erlaubt, was ist nicht erlaubt, was ist diskriminierend, was ist übergriffig. Es ist total simpel, wie das erklärt wird, aber einfach super wichtig.

FM4 Auf Laut: Sexualisierte Gewalt und Vertuschung im österreichischen Film

Der bekannte österreichische Schauspieler Florian Teichtmeister war im Besitz großer Mengen von Dateien, die sexuelle Gewalt gegen Kinder zeigen. Er ist geständig und steht ab Anfang Februar vor Gericht. Das Historiendrama „Corsage“, in dem Florian Teichtmeister den Franz Joseph spielt, bleibt im Rennen um den Auslandsoscar. Gleichzeitig gibt es offenbar auch Vorwürfe gegen einen zweiten Schauspieler aus dem Cast des Films.

Was ist ein richtiger Umgang mit solchen Verdachtsfällen und Beschuldigungen? Inwieweit ist das Vertuschen von Fällen sexualisierter Gewalt in der Filmbranche ein strukturelles Problem?

Zu Gast bei FM4 Auf Laut sind die Drehbuchautorin Ines Häufler und die Schauspielerin Luna Jordan.

FM4 Auf Laut gibt es auch als Podcast.

mehr Film:

Aktuell: