FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Virginia Cowles an einem BBC-Mikrophon, über ihr zwei Flugzeuge

DuMont

Virginia Cowles’ „Looking For Trouble“

Vom Bombenhagel mit Hemingway zum Tee mit Churchill - ein Kriegstagebuch von 1941, verfasst von einer außergewöhnlichen Frau, will wieder entdeckt werden.

Von Boris Jordan

„Looking for Trouble“, geschrieben im Jahr 1941, ist das Reisetagebuch der amerikanischen Kriegsreporterin Virginia Cowles, die von 1936 bis 1941 in Europa von diversen Schauplätzen von Krieg und Kriegsvorbereitung berichtet. Die Frau ist in Vergessenheit geraten, sie war aber eine der typischen Pionierinnen dieser Zeit, wie Amalia Earheart, Martha Gellhorn oder Dorothy Parker, die es geschafft haben, sich in einer männerdominierten Branche durchzusetzen.

Virginia Cowles hat, von Hitler bis Churchill, erstaunlich viele Akteure dieser kriegerischen Zeit selbst getroffen, oft auch in privaten Zusammenhängen. Nicht zuletzt hat sie Mussolini interviewt und war mit Ernest Hemingway im Spanischen Bürgerkrieg.

Buchcover: Virginia Cowles an einem BBC-Mikrophon, über ihr zwei Flugzeuge

DuMont

„Looking for Trouble“ von Virginia Cowles ist von Monika Köpfer neu übersetzt worden und – 82 Jahre nach der Erstausgabe – bei Dumont erschienen.

Mit Hemingway in Spanien

Virginia Cowles ist in den 1930er-Jahren des vorigen Jahrhunderts zuerst Klatschreporterin gewesen und hat über Mode und die Liebschaften von Prominenten geschrieben, bis sie mit 26 beschließt, nach Spanien zu reisen, um vom dortigen Bürgerkrieg zu berichten. Es geht ins republikanische Madrid, das zu dieser Zeit von faschistischen Truppen umzingelt und schwer umkämpft ist. Dort ist sie Teil einer internationalen Gesellschaft von Reporterinnen und Kriegsfreiwilligen, darunter die berühmten KollegInnen Martha Gellhorn und deren späterer Ehemann Ernest Hemingway. Diese beiden sind eindeutig auf Seiten der spanischen Republik und der internationalen Brigaden und berichten in ihren berühmt gewordenen Schriften auch aus deren Perspektive.

Virginia Cowles, sich selbst nicht als Kommunistin oder „links“ bezeichnend, wechselt mit Hilfe ihrer Kontakte zu einem britischen Franco-Sympathisanten in dessen Privatflieger die Seiten und berichtet auch von der Frontseite des faschistischen Spaniens. Durch ihre guten Kontakte und ihr furchtloses Auftreten verschafft sich Virginia Cowles immer wieder Einlass in die innersten Kreise der Macht und des Kriegsapparates, unter anderem interviewt sie den Scharfrichter von Madrid.

Churchill, Chamberlain, Hitler und Mussolini

Auch nach dem Spanischen Bürgerkrieg reist Virginia Cowles in Europa von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz. Sie ist beim Winterkrieg zwischen Finnland und der Sowjetunion dabei, sie bereist die Sowjetunion noch einmal nach dem Hitler-Stalin-Pakt. Sie erlebt in Prag die Annexion Böhmens durch Nazideutschland und den Fall von Paris. Während des „Blitzkriegs“ ist sie in London, wird von Premier Chamberlain empfangen und trinkt mit der Familie Churchill Tee. Sie spricht mit Mussolini und ist in Begleitung der Familie des fanatischen Nazi-Groupies Unity Mitford bei einem Empfang Hitlers dabei.

Stilistisch steht „Looking for Trouble“ der Hemingway-Schule nahe: Knappe Sätze, eine große emotionale Distanz, die journalistische Äquidistanz wird durch etwas trockene Aufzählung des Beobachteten hergestellt. Doch Virginia Cowles durchbricht diese stilistische Strenge oft genug, sie hat - trotz all des Namedroppings und obwohl sie mit den Promis der Zeit in Salons und Restaurants diniert - einen guten Blick auf die unbeteiligten Menschen und darauf, wie diese den Krieg wirklich erleben. Sie berichtet immer wieder über deren Alltag im Kugelhagel zwischen Fanatismus und Fatalismus und über die ständigen BegleiterInnen der Kriegsjahre: Angst, Hunger und den allgegenwärtigen Tod. Sie ist nicht nur um ideologische Distanz bemüht, sondern versagt sich auch weitgehend jeden weltpolitischen oder den Krieg analysieren wollenden Kommentar.

Am Ende lässt sie, die die Größenwahnmänner des 20. Jahrhunderts aus nächster Nähe bei Kriegsvorbereitung und Weltenbrandvisionen beobachten durfte, sich dennoch zu einem politischen Statement hinreißen. Als Bewunderin von Winston Churchill richtet sie den amerikanischen Leser*innen des Buches aus, dass die USA als Bollwerk der Demokratie verpflichtet seien, in den Krieg einzutreten und England gegen die Achsenmächte zu Hilfe zu kommen, denn: „Getrennt werden wir fallen, vereint – und nur vereint – werden wir stehen.“

mehr Buch:

Aktuell: