FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Clara Luzia mit Blumenstrauß in der Hand, liegend

Marylise Vigneau

Clara Luzia starrt auf die Sterne

Zwischen Angst vor dem Klimawandel, dem Hintenanstellen des Ego und dem Durchdrungensein von Liebe. Clara Luzias neues Album „Howl At the Moon, Gaze At The Stars“ ist ein raues und zugleich tröstendes Album.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Es gibt Gefühle, die kann man nicht beschreiben. Sie lassen sich nicht einordnen und man erhält keine „Handlungsanweisung“ von ihnen. So geht es Clara Luzia immer wieder. So hat die Niederösterreicherin schon früh zur Musik gefunden, um ihr inneres Gefühlsleben jenseits der Worte zu erforschen. So auch heute noch, denn anstatt mit Worten zu ringen, hat die Sängerin und Songschreiberin einen Song über nicht zuordenbare Gefühle geschrieben. „This Feeling’s Got No Name“ ist der Eröffnungssong für das achte Studioalbum mit dem Titel „Howl At The Moon, Gaze At The Stars“. Eine raue Nummer voller Dringlichkeit, die uns wie ein Mantra daran zu erinnern scheint, dass wir alle ein Leben zu leben haben. In welcher Situation wir auch gerade stecken.

Erneut zurück zu den Wurzeln

Schon ganz früh hat Clara Luzia mit einem Vier-Spur-Tonbandaufnahmegerät sich daran versucht, Songs zu schreiben. Sie liebte das Experimentieren, das Spielen mit Harmonien und Mikrophonen. Mit der Gründung ihres eigenen Labels Asinella Records 2006 hat dann die Professionalisierung begonnen. Die Zusammenarbeit mit dem Produzenten Alexander Nefzger bescherte der zurückhaltenden Songwriterin 2008 einen Amadeus Austrian Music Award für das zweite Album „The Long Memory“. Fortan arbeitete Clara Luzia mit verschiedenen Produzent*innen zusammen, veröffentlichte ein großartiges Album nach dem anderen und lieferte 2014 mit dem Nina Simone Cover von „Sinnerman“ den Titelsong zu Andreas Prochaskas preisgekröntem Film „Das finstere Tal“.

Albumcover Clara Luzia "Howl At The Moon, Gaze At The Stars"

Asinella Records

„How At The Moon, Gaze At The Stars“ erscheint am Freitag, 28.1.2023, auf Clara Luzias Label Asinella Records

Ein Jahr später rückte das Arbeiten am Sound mit der Platte „Here’s To Nemesis“ mehr in den Vordergrund. Mit Julian Simmons ging sie schon damals back to the roots, dem engen Zusammenarbeiten und Schreiben der Songs mit einem Produzenten.

Mit „Howl At The Moon, Gaze At the Stars“ geht Clara Luzia noch weiter zurück in ihre musikalische Vergangenheit. Nämlich zu dem Punkt, an dem sie selbst ihre Songs aufgenommen hat. Durch jahrelange Theater- und Filmmusikarbeit haben sich ihre skills, was das Produzieren betrifft, verbessert. Somit hatte Clara das Selbstvertrauen, sich dem angefachten Feuer der DIY-Methode hinzugeben. Dem Klang von „Howl At The Moon, Gaze At The Stars“ tut dies keinen Abbruch, im Gegenteil. Die Stücke klingen unmittelbarer, rauer und kommen aus den tiefsten Bewusstseinsschichten der Singer/Songwriterin.

Ein Song wie „On The Wayside“, der mit flirrenden, glitzernden Gitarren und swingendem Schlagzeugbeat sich zu einem opulenten Refrain aufschwingt, erinnert an die frühen Songs von „The Ground Below“, die eine musikalische Unbeschwertheit vermittelten.

So ist es nicht verwunderlich, dass Clara Luzia mit „All I Wish For“ einen Song von „The Ground Below“ von 2016 ins Hier und Jetzt transportiert. 2023 klingt dieser Song reduzierter und düsterer. Mit treibender Elektronik, verhalltem Schlagzeug und veränderten Harmoniebögen vermittelt er die Grundstimmung des Albums recht gut. Es ist eine gewisse Hilflosigkeit herauszuhören. Diesmal weniger aufgrund der eigenen Herzenslage als vielmehr durch den Blick auf das Weltgeschehen.

Sich in Relation setzen

Seit Clara Luzia vermehrt am Land wohnt, sind ihr die Veränderungen der Umwelt immer deutlicher aufgefallen. Das Artensterben, die Klimaerwärmung, die Dürre, die extremen Temperaturen, all das erlebt sie hautnah mit, während sie in der Stadt viel weniger von diesen dramatischen Veränderungen mitbekommen hat. Die sich bei vielen Menschen entwickelnde climate anxiety erfasst auch die sensible Songwriterin immer wieder. Gleich mehrere Songs thematisieren dieses bedrückende Gefühl, wobei Clara Luzia nicht in Ohnmacht oder Depression steckenbleibt, sondern handlungsfähig bleibt. Zum Beispiel, wenn sie sich selbst in Relation zu „dem großen Ganzen“ erfährt, indem sie in der Nacht die Sterne betrachtet.

Clara Luzia live:
- 28. April, Treibhaus, Innsbruck
- 29. April, Spielboden, Dornbirn
- 4. Mai, Argekultur, Salzburg
- 5. Mai, Kik, Ried/Innkreis
- 6. Mai, Kunsthaus, Mürzzuschlag
- 11. Mai, Cinema Paradiso, St. Pölten
- 12. Mai, Orpheum Extra, Graz
- 13. Mai, Posthof, Linz
- 17. Mai, Porgy & Bess, Wien

Clara Luzia: „Wir sind im sechsten, großen Massensterben der Artenvielfalt und es ist das erste Mal, dass wir Menschen dies verursacht haben. Mit diesem Bewusstsein zu leben ist schwierig. Es hat nicht unbedingt eine größere Bedrohung für mich allein, denn dass ich irgendwann sterbe, ist für mich nicht so schockierend. Aber wie wir mit diesem Planeten umgehen, wäre so nicht notwendig. Das führt bei mir doch zu Trauer. Was mir dann hilft ist, auf die Sterne zu starren. Dann realisiere ich, wie klein und unbedeutend wir Menschen sind angesichts des Kosmos. Das bringt mich dann immer wieder in Relation.“

Und so findet sich in dem dazu passenden Song „Minimize Me“, der mit stampfendem Beat, melancholischen Gitarrenlinien und dunklen Harmonien dahinrollt, die für das Album titelgebende Phrase howl at the moon, gaze at the stars, die zu Saxophonsoli gegen Ende über dem ausufernden Sound des Songs schwebt.

Ruhiger ist die Reflexion in dem Song „The Greatest Gift“. Ein sanftes, tröstendes Stück, das Clara Luzia für sich selbst geschrieben hat, um sich zu beruhigen und sich eben genau diese Art der Selbstrelativierung in Erinnerung zu rufen, dass wir nicht das Wichtigste hier auf Erden sind.

Am Schluss zählt die Liebe

Dass Clara Luzia trotz dem beklemmenden Gefühl, wie es um die Welt bestellt ist, nicht aufgibt, sich zurückzieht oder in diesem Gefühl verharrt, hat einerseits mit dem „Hintenanstellen des Ego“ zu tun, andererseits mit der Liebe. Denn ihre Frau und Schlagzeugerin Catharina Priemer reißt sie immer wieder aus den bekannten Mustern der Traurigkeit heraus. So ist auch der poppigste Titel von Clara Luzia, das Stück „Clouds“ entstanden.

Clara Luzia: „Ich bin mit einer wahnsinnig lebensliebenden Person verheiratet. Sie ist wirklich eine Antithese zu mir, weil sie unglaublich weltumarmend ist. Das kann ich von mir nicht behaupten (lacht). Cathi hat vor einem Konzert nebenbei ein bisschen gejammert, dass sie jetzt wieder meine traurigen Lieder schreiben muss. Ich habe dann gemeint: Dann schreib mit bitte was Fröhliches. Und das hat sie dann wirklich gemacht. Ein paar Tage später hat sie mir den Instrumentaltrack von ‚Clouds‘ vorgespielt und gesagt: Jetzt mach das Lied fertig. Und ich habe mich dann ein bisschen an ihr gerächt, weil ich das Lied als eine Huldigung an sie geschrieben habe, und sie hasst es, im Mittelpunkt zu stehen.“

So haben sich beide aus ihrer Komfortzone gelockt, wodurch etwas Neues und Großartiges entstanden ist. So zählt am Ende des Tages dann doch die Liebe, die viele Grenzen überwinden kann. Und so birgt der Abschlusssong des Albums „When The World Ends“ mit seinem etwas fatalistischen, aber durchaus realistischen Text etwas Lebensbejahendes in sich. Vor allem im Refrain öffnet Clara Luzia ihr Herz und umarmt die Welt mit all ihren Schattenseiten und schafft es dadurch, auch uns ein Gefühl des Gehaltenseins zu vermitteln. Zumindest für die zweieinhalb Minuten dieses schönen Popsongs.

mehr Musik:

Aktuell: