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Max Palm springt über einen Felsen auf der Freeride World Tour

Freeride World Tour

Nach FIS-Übernahme: Geht der Kern des Freeridens auf der World Tour verloren?

Der Kauf der Freeride World Tour durch den Skiverband FIS hat viel Aufregung verursacht. Die Rider*innen haben Angst, um das familiäre Klima in der Szene. Die Veränderung könnte aber auch Potenzial für Verbesserungen haben.

Von Simon Welebil

Spektakel gibt’s auf der Freeride World Tour (FWT), der prominentesten Freeride Contest Serie, normalerweise nur auf den Bergen, wenn Skifahrer*innen und Snowboarder*innen versuchen, einen steilen Berghang möglichst eindrucksvoll zu befahren.

Diesmal hat das Spektakel allerdings schon vor Saisonbeginn begonnen, als die Freeride World Tour in einer Aussendung bekannt gegeben hat, künftig ihre Kräfte mit dem Skiverband FIS zu bündeln - konkret: Die FIS hat die Freeride World Tour gekauft.

Auf Instagram haben Fans und Fahrer*innen ihren Emotionen über diese Entscheidung freien Lauf gelassen, von der nahezu alle ziemlich überrascht wurden. Und die waren hauptsächlich von Traurigkeit und Ärger bestimmt, von weinenden Emojis bis zu Kommentaren, dass von jetzt an die dunkle Seite die Macht übernimmt. Denn die FIS hat - spätestens seit sie Ende der 1990er den unabhängigen Snowboardverband kaputtgemacht hat - einen überaus schlechten Ruf. „FIS sucks“-Sticker sieht man immer noch auf Boards und Ski kleben.

More money, less soul?

"More money, less soul”, betitelt das Downdays Magazin einen Artikel mit Reaktionen aus dem Fahrer*innenlager, die aber durchaus gemischt ausfallen. Denn die FIS-Übernahme ist wohl kein Elon-Musk-kauft-Twitter-Stunt, sondern kann durchaus auch ihre positiven Seiten haben.

Diese versucht FWT-CEO Nicolas Hale-Woods im offiziellen Podcast der Tour zu erläutern, allerdings mit einiger Verspätung. „This is an opportunity“, sagt er dort, „and it would have been a mistake, I believe, not to take it“.

Der Verkauf sei notwendig gewesen, um die Tour überhaupt am Leben erhalten zu können, nachdem ein großer Sponsor abgesprungen ist. Hale-Woods zählt aber auch fünf Gründe auf, die Freeriden dadurch auf lange Sicht helfen sollen. Mit der FIS im Rücken könnten sich mehr Skigebiete als Tourstopps anbieten, die FIS könnte mehr Medienöffentlichkeit für das Freeriden herstellen, mehr Sponsoren anziehen, Förderungen für Athlet*innen möglich machen und vielleicht auch Freeriden zu den Olympischen Spielen bringen.

Einiges davon könnten die Rider*innen nachvollziehen, aber es bleibt auch Skepsis. Manuela Mandl, die als Snowboarderin seit Jahren auf der Tour mitfährt und die letztes Jahr mit dem XTreme Verbier den prestigeträchtigsten Contest gewonnen hat, erzählt auch von gemischten Reaktionen der Rider*innen. Die größten Befürchtungen betreffen vor allem das Selbstverständnis der Freerider*innen:

„Die Befürchtungen in der Szene sind ganz klar, dass mit der FIS der Kern von Freeriden verloren geht. Und der Kern von Freeriden ist halt, dass man gemeinsam mit Freunden eine gute Zeit hat und dass es total wurscht ist, aus welcher Nation man kommt.“ (Manuela Mandl)

Dass mit der FIS-Übernahme etwa der Nationengedanke in den Vordergrund rücken könnte und den familiären Charakter der Szene zerreißt, ist eine Befürchtung, dass die Contests ernster werden und es nur mehr ums Gewinnen geht, eine andere.

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Simon Welebil

Manuela Mandl

Bedenken gibt es auch, dass sich Leute ins Freeriden einmischen werden, die keine Ahnung vom Sport oder der Szene haben werden, wie man es beim Snowboarden in den späten 1990er Jahren gesehen hat, wie es uns aber auch beim Skateboarden gerade wieder vor Augen geführt wird. Freeride World Tour Präsident Nicolas Hale-Woods versucht, diese Ängste zu zerstreuen - obwohl er natürlich auch nicht in die Zukunft sehen könne, ist er überzeugt, dass trotz neuer Besitzer nicht alles, was Freeriden ausmacht, plötzlich entsorgt wird:

I believe we have the conditions to keep that spirit, to keep the rules that are defined by riders, keep the judging defined by riders, keep the ranking and format system defined by riders. There were enough elements to decide to go for it. (Nicolas Hale-Woods (FWT-CEO)

Bringt 2023 endgültig den Generationswechsel?

Zumindest diese Saison wird sich überhaupt nichts an der FWT ändern, außer, dass das FIS-Logo in der offiziellen Kommunikation auftaucht. Und nach der Verschiebung des ersten Tourstopps wegen Schneemangels in Kicking Horse in Kanada freuen sich alle Rider*innen jetzt auf den ersten Contest im spanischen Baqueira Beret.

Die große Story der vergangenen Saison war wohl der Aufstand der Rookies in der Kategorie Ski-Männer. Alle Contests sind von Rookies, also von Debütanten auf der Tour gewonnen worden.

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Simon Welebil

Max Palm

Max Palm aus Schweden hat etwa alle in der Szene geschockt, als er beim allerersten Sprung in seinem allerersten Freeride-Contest gleich einen doppelten Backflip von einem riesigen Felsen herunter gemacht hat, einen Trick, den zuvor noch nie ein Freerider im Contest gezeigt hat. „I had nothing to lose and everything to show“, sagt er dazu im FM4-Interview. Der ganze mediale Rummel danach und 50.000 Insta-Follower*innen mehr innerhalb einer Stunde, hätten ihn aber so irritiert, dass er beim zweiten Contest dann wirklich übertrieben hat, gestürzt ist und sich verletzt hat. Doch daraus hätte er gelernt und kommt gefestigt in sein zweites Tourjahr zurück.

Der Vorarlberger Max Hitzig ist auch so ein Rookie, der es zum Premierensieger gebracht hat. Er ist überhaupt ohne die Absicht, Contests zu fahren, innerhalb von drei Wochen mitten in der Weltspitze gelandet und hat den Tourstopp in Fieberbrunn gewonnen.

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Max Hitzig

Die Freeride World Tour startet am Sonntag, 29.01. 2023 in Baqueira Beret. Den Livestream des Contests gibt’s ab 12:20 hier.

Dass lauter Rookies ganz oben auf den Siegertreppchen gelandet sind, macht Hitzig daran fest, dass die Runs in der vergangenen Saison aufgrund von schlechten Schneebedingungen hauptsächlich mit Freestyle-Tricks gewonnen wurden, mit denen die junge Generation, im Gegensatz zu den Veteranen, von klein auf aufgewachsen sei. Einen Generationswechsel will er aber noch nicht sehen, bzw. glaubt er, dass er gar nicht kommt, weil die Erfahrung auf den immens schwierigen Hängen einfach so viel zählt: „Die alten, erfahreneren Freerider sind immer noch gut drauf und immer noch Vorbilder.“ Ab 29.1. kann man sich selbst davon ein Bild machen.

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