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The Waeve

Steve Gullick

Graham Coxon von Blur und Rose Dougall sind The Waeve

Graham Coxon, der Blur-Gitarrist (und auch immer wieder Sänger und Songwriter der Band, etwa bei „Song 2“) hat schon einige Platten außerhalb von Blur gemacht, sein neuestes musikalisches Projekt ist The Waeve, ein ganz besonderes Ding gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Rose Elinor Dougall.

Von Eva Umbauer

Graham Coxon hat zurzeit viel zu tun. Er bereitet sich auf die beiden riesigen Konzerte mit Blur vor, die im Juli im Londoner Wembley Stadion stattfinden werden. Außerdem ist er letztes Jahr wieder Vater geworden, er hatte bereits zwei Töchter aus vergangenen Beziehungen, und nun ist eine dritte hinzugekommen. Graham Coxon hat eine kleine Familie gegründet, zusammen mit Rose Elinor Dougall. Rose Elinor ist eine englische Musikerin, sie spielte etwa in den Nuller Jahren bei den Pipettes, die den sogenannten Girl Group Sound der 60er Jahre neu hochleben ließen, und war in der Liveband von Mark Ronson. Mit ihr bildet Graham Coxon nun das Duo The Waeve.

„We both love music and love a lot of different types of music.“ - Graham Coxon über The Waeve

Das Debutalbum von The Waeve ist gerade erschienen und auch Konzerte dazu stehen an. Das Baby wird wohl mitkommen: „We’re getting her on the drums“, sagt Graham zurzeit gerne in Interviews. Wirklich viel zu tun also für den legendären Britpop-Musiker.

Graham Coxon lebt im zentralen Nordlondon, in der Gegend von Camden, und dort sieht man ihn immer wieder bei kleinen Konzerten anderer Musiker*innen. So geschehen auch irgendwann in den Nuller Jahren, als er sich die Pipettes in einer Konzertlocation in der Nähe anschaute. Rose Elinor Dougall redete Graham nach der Show an, aber das war es dann auch schon wieder. Erst Jahre später trafen sie einander wieder, und zwar wieder in Camden, diesmal im Jazz Café, einem der bekanntesten Konzertorte der Gegend. Beide spielten an diesem Abend dort, Live-Streaming-Auftritte während der Pandemie Ende 2020, im Rahmen einer Charity-Veranstaltung.

„Apart from being in a band (Blur), I’d never just sat in a room with someone and tried to come up with stuff. But we were lucky. We got on really well and the music started to appear very quickly.“ - Graham Coxon über The Waeve

Rose und Graham plauderten kurz miteinander an diesem Abend und machten aus, in Verbindung zu bleiben, vielleicht gemeinsam einmal einen Song zu schreiben. Graham meldete sich tatsächlich, und auf einen ersten Song folgten weitere, und schließlich entstand ein komplettes Album. Die musikalische Liebesbeziehung wurde auch zu einer persönlichen. Schön, den immer leicht miesepetrig wirkenden Graham Coxon so glücklich zu sehen.

The Waeve kümmern sich auf ihrem selbstbetitelten Album nicht wirklich um Genres. Es ist ein Mix aus Folk-Rock, Art Pop, Krautrock, Prog-Rock, Jazz und noch mehr. Klingt irgendwie „gefährlich“ nach unfokussiertem Herumexperimentieren, was es aber nicht ist. Rose ist eine wirklich gute Sängerin, die ihre Stimme vielseitig einsetzt, außerdem eine ebenso gute Pianistin, die auch den Synthesizer bedient, während Graham eben Graham ist und auch schon einmal die Gitarre weglegt, um zum Saxofon zu greifen, jenem Instrument, das er von Grund auf gelernt hat.

Aber auch einen richtig großen kleinen Punk-Kracher legen die beiden miteinander hin: „Someone Up There“ heißt der Song, der die Lockdowns und die Frustration über diese Zeit zum Ausdruck bringt. „It’s good to externalise feelings like that in music, so we got it out of our system“, sind sich die beiden einig. Graham „Song 2“ Coxon und einer der besten Momente auf dem Album von The Waeve.

Auch wenn Graham und Rose erst nicht wirklich einen Plan hatten, wie denn ihre Zusammenarbeit aussehen könnte, eines wussten sie, nämlich dass es kein Duett-Album werden sollte, nichts im Stil von Nancy Sinatra & Lee Hazlewood oder Sonny & Cher. „If we’d followed the duets path, we’d have had to fulfil stereotypical gender roles“, meint Rose Elinor Dougall, die in London geboren wurde, in Brighton an der englischen Südküste aufgewachsen und in London Kunst studiert hat. Sie kommt aus einer künstlerischen Familie, ihr Vater ist ebenfalls Musiker. Wenn Graham und Rose es aber dann doch einmal tun, ein Duett singen, dann hat das eine große zart-romantische Qualität.

„Broadcast and Young Marble Giants are big for me“, sagt Rose über Lieblingsbands, und Graham fügt hinzu, „Rose reminded me of how much I like Joni Mitchell and I also revisited the Cocteau Twins. People who looked like me when they were 16 or 17 didn’t listen to Cocteau Twins. The youth was a lot more segregated in terms of music taste and fashion back then.“

The Waeve

Steve Gullick

„Drowning“ hat kraftvolle Streicherarrangements von Rose, die den Song auf ihrem kleinen Casiotone-Keyboard komponierte, der schließlich zu einem richtigen „Monster“ mutierte. Freund*innen von Rose spielen beim sehr modernen Londoner Streichquartett The Elysian Quartet und halfen aus. Außerdem griff Graham bei diesem Song zur Mundharmonika, die er im selben Kasten wie sein Saxofon aufbewahrt hatte. Was findet sich in diesem musikalischen Wunderkasten noch so? Eine Zither etwa, ein altes Instrument mit Saiten, die gezupft werden. Beim Song „All Along“, einem an klassischen britischen Folk-Rock erinnernden Track, spielt Graham die Zither.

Auch der Name dieses musikalischen Projekts kommt vom Folk, wo englische Worte oft in einer alten Form geschrieben werden. Das Meer („sea“) ist da etwa „sae“, oder die Welle („wave“) würde als „waeve“ geschrieben werden. The tide is high, the time is nigh, and the waeve is rolling in. Das war so ein wenig das Motto für Graham und Rose, diese Platte zu machen. Der alte Folk ist aber nur ein kleiner Teil vom Sound, der sich im Album von The Waeve findet - Rose und Graham sind keine Folk-Spintisierer*innen. Roses Stimme schafft es aber hervorragend, bei „All Along“ folky zu klingen: „Growing up listening to folk singers like Sandy Denny and Anne Briggs, I was taught how to sing. They are cornerstones among the great British female voices.“

„Over And Over“ ist ein betörender Track mit romantischer Qualität, „Alone And Free“ ist ein atmosphärischer, cinematisches Stück mit Streichern, melancholisch und kraftvoll zugleich, und „Can I Call You“ beginnt zunächst wie eine Ballade, verwandelt sich dann aber immer mehr in eine Nummer im Krautrock-Stil mit einem ausladenden Gitarrensolo von Graham Coxon - ja, auch das muss sein, oder wie es Rose formuliert: „Graham’s guitar playing has been a constant thing in my life from when I first tuned into music.“ Als Teenager war sie ein Fan von Blur.

Mit Graham Coxon und Rose Elinor Dougall haben sich zwei so richtig gefunden, zwei Künstler*innen und Menschen mit einer wirklich guten Chemie, ein „match made in heaven“ sozusagen. Weitere Babys, ah, Platten sollen folgen, da kann die Blur-Reunion noch so viel dazwischenfunken, Graham und Rose bringt wohl nichts mehr auseinander.

Das Debutalbum von The Waeve ist beim Londoner Plattenlabel Transgressive erschienen und wurde gemeinsam mit dem Producer James Ford (Arctic Monkeys, Florence & The Machine, Foals, HAIM) in London aufgenommen.

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