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Lizzo, Harry Styles, Kim Petras, Adele und Beyoncé

APA/AFP | Robyn Beck | Valerie Macon MACON | Frederic J. Brown | Chris Delmas

Gott, Tränen und Dankesreden

Die schönsten Momente bei der 65. Grammy-Verleihung: Beyoncé bricht Grammy-Rekord, Kim Petras gewinnt mit „Unholy“ als erste Transfrau seit 1970 einen Grammy, Lizzo huldigt Prince, Adele ist den Tränen nahe und „Harry’s House“ von Harry Styles ist das Album des Jahres. Hier ein Best-of der Dankesreden bei der diesjährigen Grammy-Verleihung.

Von Susi Ondrušová

Ausgerechnet beim kurzen Small Talk zwischen Grammy Show Host Trevor Noah und Taylor Swift ist mir die Kaffeemaschine übergelaufen und ich musste der verbrannten Kaffeenote folgen. So habe ich wahrscheinlich eine Gag-Unterhaltung verpasst über die zusammengebrochenen Server und das Dilemma, dass es mehr Menschen gibt, die Karten für Taylor Swift kaufen wollten, als es Plätze oder Glasfaserkabeln gibt. Bist du Bot oder Fan? Das ist hier die Frage. Als ich mir letzte Woche Tickets für die Europa-Tour von Beyoncé kaufen wollte, kam genau diese eine Fehlermeldung nämlich. Meine Existenz wurde angezweifelt von genau jener Maschine, über die ich doch so gut wie jeden Tag Beweise meines Alltags poste.

Mehr Glamour als das stundenlange Warten, um beim Anblick von Konzerttickets ab 500 Pfund aufwärts alle Browserfenster zu schließen, also eindeutig mehr Glamour, haben Preisverleihungen. Die Grammys. Dieses Jahr wieder gehostet von Trevor Noah. Dramaturgisch für den TV-Show-Abend verantwortlich: Executive Producer Ben Winston, bekannt unter anderem als Co-Erfinder von James Corden’s Late Late Show.

Bei „Music’s biggest night“ wird traditionell mit Superlativen nicht gespart: Es ist ein Abend voller legends, icons, music royalty, queens, kings und GOATs. Vor der vierstündigen Preisverleihung findet eine dreistündige „Premiere Ceremony“ statt, bei der die meisten der 91 Award-Kategorien schon verliehen werden. Für Packaging, Klassik, Americana oder Best Spoken Word Poetry Album. Auch die beiden „Alternative“-Kategorien, in denen die britische Band Wet Leg ausgezeichnet wird.

Taylor Swift’s „All Too Well The Short Film“ gewinnt den Best Music Video Grammy und Jack Antonoff kann sich einen Grammy für den besten Produzenten (non classical) holen. Seit gestern Nacht gehört die Schauspielerin Viola Davis übrigens zu den EGOT-Künstler*innen. Sie hat nun alle vier wichtigen Industriepreise: Emmy, Grammy, Oscar und Tony. Ausgezeichnet wird sie in der Grammy-Kategorie Best Audio Book für ihr Memoir „Finding Me“.

Beyoncé - Gewinnerin und Rekordbrecherin

Mit 9 Nominierungen gehörte Beyoncé zu den Künstler*innen mit den meisten Nominierungen, gefolgt von Kendrick Lamar mit 8 Nominierungen, und Aussicht auf 7 Statuen hatten Adele und Brandi Carlile. Mit 32 Grammys schreibt Beyoncé nun Geschichte und hält seit gestern den Rekord für die meisten Grammy-Trophäen.

Vier Grammys gewinnt Beyoncé bei der 65. Ausgabe der Preisverleihung: Best Traditional R&B Performance („Plastic Off The Sofa“), Best R&B Song („Cuff It“), Best Dance/Electronic Album (Renaissance) und Best Dance/Electronic Recording („Break My Soul“). Wegen Stau auf dem Weg zum Crypto.com-Stadion (früher: Staples Center) kommt Beyoncé allerdings verspätet zur Verleihung. Den ersten cuten Moment liefert also Nile Rodgers mit einer Lobeshymne auf den Song „Cuff It“. Standing Ovations gibt es dann für Beyoncé, als James Corden ihren Namen in der Kategorie Best Dance/Electronic Album ausruft. Sichtlich gerührt und außer Atem bedankt sich Beyoncé bei Gott und der Queer-Community: „for your love and for inventing the genre“.

Geschichte schreibt an diesem Abend auch Kim Petras, die mit Sam Smith für „Unholy“ den Grammy in der Kategorie Best Pop Duo/Group Performance gewinnt. Die in Deutschland („nowhere next to a highway“) aufgewachsene Musikerin ist die erste Transfrau seit 1970, die einen Grammy gewinnt. 1970 hat die Komponistin Wendy Carlos drei Auszeichnungen für das Album „Switched-On Bach“ erhalten. Kim Petras bedankt sich in ihrer Ansprache bei „all the transgender legends before me who kicked these doors open for me so I could be here!“ und erinnert an ihre vor zwei Jahren verstorbene Freundin, die Musikerin SOPHIE, die immer an diesen ihren Erfolgsmoment geglaubt habe. Kim Petras bedankt sich auch bei Madonna, die später die Live-Performance der beiden ankündigen wird, und bei ihrer Mutter, weil sie ihr geglaubt habe, als sie im Alter von fünf Jahren das erste Mal davon sprach, ein Mädchen zu sein.

Best Rap Album geht an Kendrick Lamar

„I want to thank my family for giving me the courage and the vulnerability to share these stories and share my truth with this album“, sagt Kendrick Lamar, als er seine Trophäe für das Best Rap Album abholt. „Going back and thinking about where I started with rap and how far it came. I would like to thank ‚the culture‘ for allowing me to evolve in order to make a song like ‚Mother I’m Other Sober‘. All me ever wanted was to be the biggest underground artist of all time and I finally found imperfection with this album so I appreciate y’all.“ Kendrick Lamar spannt in seiner Dankesrede also auch den Bogen zum 50-jährigen HipHop-Jubiläum, das an diesem Abend mit einem speziellen, fünf Dekaden umfassenden Medley gefeiert wird. Zusätzlich wird der Global Impact Award vorgestellt und das erste Mal an Dr. Dre verliehen.

Ebenfalls impactful in der Geschichte der Grammys: Bad Bunny, der die Award Show mit einer Live-Performance eröffnet und in der Kategorie Best Música Urbana Album ausgezeichnet wird. In seiner Dankesrede sagt er: „Everything is easier when you do it with love and passion.“

Dass die besten Ideen auch beim Duschen kommen, davon erzählt Adele auf der Bühne. Sie versucht ihre Tränen zurückzuhalten und widmet ihren Grammy für „Easy On Me“ in der Kategorie Best Pop Solo Performance ihrem Sohn Angelo. „I wrote the first verse in the shower when I was choosing to change my son’s life and he’s been nothing but humble and gracious to me the whole time and I love a piano ballad.“

Die Gewinner*innen in den 3 „Hauptkategorien“

Bei den drei Königskategorien der Grammys lohnt jedes Jahr eine kleine Auffrischung, wo überhaupt der Unterschied liegt zwischen Record Of The Year und Song Of The Year. Song Of The Year zeichnet die Qualität des Songwritings aus. Diesen Preis gewinnt heuer Bonnie Raitt, die sehr überrascht war, wie so viele im Raum, denn der Applaus setzte spärlich ein. Die Laudatorin, die First Lady persönlich, hat nämlich nur den Songtitel vorgelesen. Der Song „Just Like That“ war neben viralen Hits von Adele, Taylor Swift, Lizzo und Harry Styles als Song Of The Year nominiert. Noch nie in der Geschichte der Grammys hat ein Song am gleichen Abend die Auszeichnung für Best American Roots Song und auch Song Of The Year bekommen.

In ihrer Dankesredeerinnert Bonnie Raitt an den verstorbenen Musiker John Prine: „People have been responding to the song partly because how much I love and we all love John Prine and that was the inspiration for the music of this song.“ Ein schöner Tribute-Moment.

Record Of The Year hingegen ist die Kategorie, bei der alle am Song Beteiligten ausgezeichnet werden, also nicht nur die Songschreiber, sondern auch die Producer und Composer. Diesen Award darf Lizzo entgegennehmen. Passenderweise überreicht von Chris Martin, den sie auf ihrem Album „Special“ im Song „Coldplay“ zitiert. Lizzo fasst die kollektive Euphorie des Abends zusammen, indem sie erzählt, dass sie am gemeinsamen Tisch mit Adele einfach eine gute Zeit hat: „just rooting for our friends“. Sie erinnert die Gäste im Stadion und vor den Bildschirmen daran, wie wichtig „feelgood music“ ist und dass sie sich zu Beginn ihrer Karriere alleine gefühlt hat.

Lizzo widmet ihren Award dem 2016 verstorbenen GOAT: Prince. „When we lost Prince I decided to dedicate my life to making positive music! … This was at a time when positive music wasn’t mainstream. I felt very misunderstood … But I stayed true to myself because I wanted to make the world a better place. I had to be that change to make the world a better place. And now I look around and there’s all these songs that are about loving our bodies and feeling comfortable in our skin and feeling fucking good.“ Sie bedankt sich auch bei Beyoncé und erzählt, dass sie in der Schule Unterricht geschwänzt hat („It was literature. I’m good!“), um ein Konzert von ihr zu besuchen. Wo wäre sie denn überhaupt ohne Beyoncé. „You clearly are the artist of our lives!“

Während auf der Bühne die Künstler*innen von ihren Inspirationsquellen und Gott und Familie sprechen, sitzen in den ersten Reihen Fans, die für die letzte Kategorie auf die Bühne geholt werden. Schon den ganzen Abend über gab es Einspielungen von „Super-Fans“, die an einem runden Tisch Plädoyers für „ihren“ Lieblingsact und Nominee aus der Best-Album-Kategorie halten. Trevor Noah reicht bei der Bekanntgabe in dieser Kategorie das Kuvert einer älteren Dame in schön dezenter PopArt-Bluse. Mit zittriger Stimme ruft diese „Harry Styles“ ins Mikrofon, der seinen Kopf sofort ungläubig in seine Hände fallen lässt, bevor er auf die Bühne geht, um den Fan herzlichst zu umarmen.

„Treat People With Kindness“ heißt einer der Songs auf dem nun mit einem Grammy ausgezeichneten Album „Harry’s House“, und nett beziehungsweise bescheiden sind auch Harry Styles’ Dankesworte, mit denen die Award-Verleihung zu Ende geht: „I’ve been so, so inspired by every artist in this category with me at a lot of different times in my life. And I think on nights like tonight, it’s obviously so important for us to remember that there is no such thing as best in music. I don’t think any of us sit in the studio making decisions based on what is going to get us one of these. This is really, really kind. I’m so, so grateful!“

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