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Die TikTok-Horrorsensation "Skinamarink"

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Zurück in den Kindheitsalbtraum: „Skinamarink“

Der experimentelle Horror im TikTok-Hit „Skinamarink“ spielt mit unseren Kindheitsängsten und wirkt dabei wie die verzerrte Erinnerung an einen fast vergessenen Albtraum.

Von René Froschmayer

Im Dunkeln lauert das Ungewisse. Schlangen, Spinnen oder noch Schlimmeres. Die Unsicherheit mag uns einen Schauer über den Rücken jagen, die Härchen auf unseren Körpern in die Höhe jagen. Besonders intensiv ist die Angst vor der Dunkelheit (Achluophobie) in der Kindheit und ein fixer Bestandteil im Albtraumrepertoire der Heranwachsenden. Wahrscheinlich erinnert sich noch die eine oder andere Person an einen besonders schlimmen kindlichen Albtraum, der sie nachhaltig aus den Federn gerissen hat.

In seinem Regiedebut „Skinamarink“ setzt der kanadische Regisseur Kyle Edward Ball auf eben diese Horrortrumpfkarte und katapultiert die Zuseher*innen zurück in solche Traumszenarien.

War da etwas oder spinn’ ich?

Großer Horror bedarf keines Riesenbudgets. Im Retrolook der 1990er Jahre gehalten, begleiten wir in „Skinamarink“ das Geschwisterpaar Kevin und Kaylee durch ihr finsteres Kindheitszuhause. Aus dem Bett gerissen machen sich die zwei Kleinkinder auf die Suche nach dem Vater, der unauffindbar scheint. Ebenso vom Teppichboden des spärlich eingerichteten Hauses verschluckt sind sämtliche Fenster und Türen zur Außenwelt. Die Dunkelheit lauert in den Ecken des Hauses und kämpft gegen das blaue Knistern des Röhrenfernsehers an. „Come upstairs“, befiehlt eine sinistere Stimme. Die Vertrautheit, Geborgenheit und Sicherheit der vier Wände ist sofort verschwunden, Unbehagen macht sich in den kargen, kindlichen Dialogen breit.

Die TikTok-Horrorsensation "Skinamarink"

Shudder

Stilistisch könnte es sich beim Experimental-Horrorfilm „Skinamarink“ um die vergessene Aufnahme einer alten und verstaubten Filmkamera auf einem x-beliebigen Dachboden handeln. Extrem reduzierte Aufnahmen von unbelebten Fleckchen im Kindheitsheim werden von einem intensiven Bildrauschen überlagert. Stetiger Begleiter: das Spiel mit Licht, Schatten und totaler Dunkelheit.

Österreich-Premiere:
15. Februar 2023 um 20.30 Uhr im Wiener Filmcasino

So setzt Regisseur Ball enge Winkel des Kindheitsheims in Szene: die Front einer Kommode, die verstreuten Legosteine am Teppichboden oder einen in der Dunkelheit verschwindenden Korridor. Dadurch wirken die albtraumhaften Sequenzen in diesem Low-Budget-Film einerseits fiebertraumhaft, andererseits wie die verzerrten und verschwommenen Erinnerungen an einen Albtraum der Kindheit. Nahezu quälend lange werden minimalistisch ausgeleuchtete Ausschnitte präsentiert. Dunkle Zonen des Hauses verwandeln sich in Horrorherde. Hat sich dort gerade etwas bewegt?

TikTok made me watch it

Ein Nerv dürfte getroffen sein, ein Wunder ist das aber nicht. Immerhin übte sich „Skinamarink“-Regisseur Kyle Edward Ball in der Vergangenheit bereits an der kinematografischen Albtraumtransformation. Erinnerungen an scheußliche Traumfetzen verwandelte er auf seinem YouTube-Kanal in kurze „Bitesized Nightmares“.

Der kommerzielle Erfolg und die Viralität von „Skinamarink“ ist jedoch nicht YouTube, sondern der Plattform TikTok geschuldet. Nach der Premiere im Sommer 2022 sickerte der Film ins Netz. Horror-Fans griffen ihn auf, wie ein Lauffeuer verbreiteten sich einzelne Filmclips. Ein Horrorgeheimtipp, der bei einem Budget von 15.000 Dollar bisher schon über zwei Millionen einspielt hat, war geboren.

@itsheidiwong I’ve NEVER seen anything like this…😨 Follow for more✅ #movie #movies #horrortok #movierecommendation #moviesuggestions #mustwatch #mustsee #skinamarink ♬ Creepy sound and bell sound(855646) - みみさらい

Das mag skurril erschienen, denn ist es nicht TikTok, dessen Algorithmen auf kurze Sequenzen und möglichst viel Action setzt? In „Skinamarink“ ist das alles nicht der Fall, denn der Film besticht durch langwierige und ereignislose Aufnahmen, die von einer erdrückend unguten Atmosphäre getragen werden, um in Kindheitsszenarien der Klasse worst case zu gipfeln. Dementsprechend durchwachsen sind die Kritiken. Während sich die einen über die Langatmigkeit und den aus ihrer Sicht misslungenen Arthouse-Horror echauffieren, loben andere die nostalgische und knochenmarkerschütternde Atmosphäre.

„Skinamarink“ beansprucht viel Zeit und ist definitiv kein Horror für hektische Filmabende unter Freund*innen. Wer Kindheitsalbträume wieder erleben möchte, sollte sich „Skinamarink“ nicht entgehen lassen!

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