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Zwei Schauspielerinnen trinken Bier

Marcel Koehler

Männliche Gewalt im Überfluss

Im Theaterstück „Du Herbert“ wird das Thema männlicher Gewalt in unserer Gesellschaft behandelt. Und das ist sehr intensiv.

Von Livia Praun

Angefangen hat es mit simplen Screenshots von ORF.at. Die Projektmanagerin Marina Weitgasser speichert Meldungen ab, in denen von Gewalttaten berichtet wird, die Männer begangen haben. Es geht um Körperverletzung, Übergriffe, Mordversuche und letztlich auch um Morde an Männern und Frauen.

Marina Weitgasser hat sich dann mit der Autorin Lydia Haider und der Politikwissenschafterin Judith Goetz zusammengetan. 2020 haben sie ein Jahr lang entsprechende Gewaltdelikte, über die auf ORF.at berichtet wurde, gesammelt. Am Ende sind sie mit fast 450 Delikten dagestanden und haben sich mit diesen auseinandergesetzt. Das war für sie alle nicht ohne, meint Judith Goetz: „Sich so intensiv damit auseinanderzusetzen, was Männer anderen Menschen alles antun und mit welchen Mitteln und auf welche brutale Art und Weise, das hat uns alle emotional mitgenommen.“

Lydia Haider, Judith Goetz und Marina Weitgasser

Apollonia Theresa Bitzan

Marina Weitgasser, Judith Goetz und Lydia Haider

Bei diesem Projekt herausgekommen ist das Buch „Du Herbert“, das sich intensiv mit männlicher Gewalt auseinandersetzt. Hier erzählt der sogenannte Herbert von seinem gewaltvollen Jahr, in dem er von Jänner bis Dezember durchgehend zuschlägt. Herbert ist Stellvertreter für all die Männer, die hinter den realen Taten stehen.

Cover von du Herbert

Haymon Verlag

„Du Herbert - Einblick in die Grausamkeit“ von Judith Goetz, Lydia Haider und Marina Weitgasser ist im Haymon Verlag erschienen.

Lydia Haider hat dieses Narrativ ganz bewusst gewählt, für sie war es die einzige Möglichkeit, um diese Fülle und Absurdität an Gewalt darzustellen und den Leuten näher zu bringen: „Stellt euch vor, das ist der eine. Der eine, den ihr alle kennt. Der vor dir an der Kasse steht und hinter dir auch und dein Bruder, dein Vater, jeder ist.“

Aus dem Text wurde auch ein Theaterstück entwickelt, in dem zwei Schauspielerinnen den Herbert darstellen. Aus der Sicht von Herbert erzählen sie von seinem gewalttätigen Jahr. Sie beschreiben mal mehr, mal weniger detailliert die Gewaltdelikte und das, was Herbert in dem Moment sich wohl gedacht hat. Sie rechtfertigen die Taten und regen sich über die darauffolgenden Anklagen und Verurteilungen auf.

Manchmal ist das Gesagte so absurd, dass man fast lachen muss, großteils ist es aber einfach nur bedrückend. Diese Wirkung hatte das Projekt auch auf Lydia Haider: „Ich wollte den Text sofort loshaben, ich wollte mit dem gar nichts mehr zu tun haben, weil er so heftig war. Ich habe sowas wirklich noch nie geschrieben.“

Die Gewalttaten werden von den zwei Schauspielerinnen mal in aller Ruhe, mal mit voller Wut und Aggression wiedergegeben. Manchmal dringt auch die pure Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit des gewalttätigen Herberts durch, womit er aber nicht wirklich umgehen kann und worauf er erst recht wieder mit Gewalt reagiert.

Glaswürfel am Heldenplatz

Marcel Koehler

In der Unfähigkeit, mit Emotionen umzugehen, sieht Judith Goetz auch einen der Gründe für männliche Gewalt: „Das Problem liegt darin begraben, dass bestimmte Männer nicht mit Zurückweisung, mit Kränkungen, mit Frustration anders umgehen können als mit Gewalt.“ Es brauche einen anderen Umgang in unserer Gesellschaft: „Männer müssen einfach von klein auf andere Umgangsformen lernen, damit sie anderen im späteren Leben keine Gewalt antun. Diese Männlichkeiten schaden ja auch nicht nur ihrem Umfeld, sondern in erster Linie auch ihnen selbst, weil glücklich wird man ja auch nicht dadurch, dass man anderen Menschen Gewalt antut.“

Das Theaterstück „Du Herbert“ wird noch bis zum 5. April im Glaskubus auf dem Wiener Heldenplatz aufgeführt.

In „Du Herbert“ wird aber nicht nur das Problem von männlicher Gewalt aufgezeigt und kritisiert, sondern auch die Art, wie darüber in Gesellschaft, Politik und Medien gesprochen wird. Häufig wird von den Gewalttaten als Beziehungstaten, Ehedramen und eskalierten Streits gesprochen – Begriffe, die laut der Politikwissenschafterin Judith Goetz letztendlich eine verharmlosende Wirkung haben. Daher muss sich auch in einem ersten Schritt die Art und Weise, wie wir in der Gesellschaft über diese Gewalt sprechen, ändern.

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