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Szenenbild "Sisi und ich"

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Die kindische Kaiserin

Richtung Schwermut und Unsinn durch die Nacht: „Sisi und ich“ ist ein fantastischer Film über eine Hofdame und deren Freundschaft zu einem der größten Popstars des 19. Jahrhunderts: Kaiserin Elisabeth.

Von Pia Reiser

Sie konsumiert Haschisch und kichert wie ein Backfisch: Kaiserin Sisi stolpert, rülpst und lacht beim Aufenthalt in Algier gemeinsam mit Hofdame Irma in die Wüstenlandschaft rein. Das geheimnisvolle Kraut, das sie einem fliegenden Händler abgekauft und konsumiert haben, lässt die beiden Frauen die Orientierung verlieren, aber einen herrlichen gemeinsamen Moment finden.

Ob denn Kaiserin Elisabeth jemals in Algier war (ja) und Cannabis konsumiert hat (vermutlich auch ja) ist hier nicht wichtig. „Sisi und ich“ von Frauke Finsterwalder ist noch weniger als Marie Kreutzers „Corsage“ an der historischen Figur der Sisi interessiert. Finsterwalder inszeniert die Kaiserin, die 125 Jahre nach ihrer Ermordung in der Popkultur präsenter ist denn je, als freiheitsliebende, manchmal auch störrische Frau, die mit den Leuten, die sie umgeben, auch grausame Spielchen spielt.

#173 FM4 Filmpodcast: Frauke Finsterwalder und Sandra Hüller: Mit ihrem Spielfilmdebüt „Finsterworld“ hat die Regisseurin Frauke Finsterwalder 2013 ein eigenwilliges Deutschland-Portrait vorgelegt, das lange nachhallt. Zehn Jahre später präsentiert sie jetzt „Sisi & ich“, eine faszinierende Annäherung an den Mythos um Kaiserin Elisabeth. Sandra Hüller, die darin als Hofdame brilliert, zählt wiederum zu den großartigsten Darstellerinnen im deutschen Sprachraum. Pia Reiser und Christian Fuchs freuen sich auf ein besonders spannendes Gespräch.

Am Beginn des Films steht ein Zitat, das an einen Satz aus „Der talentierte Mr Ripley“ erinnert, mit dem da die Figur des Dickie Greenleaf und hier die Kaiserin beschrieben wird: „Es war in ihrer Gegenwart, als habe jemand alles Licht der Welt auf einen gerichtet, wenn sie das Licht wieder wegnahm, war es, als würde einen ein spitzes Stück Glas ins Herz gerammt werden.“

Szenenbild "Sisi und ich"

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Im Zentrum des Licht-an-Licht-aus-Spiels der Sisi (Susanne Wolff) steht Gräfin Irma, die neue Hofdame, die zunächst wie ein Pferd begutachtet und dann nach Korfu geschickt wird, wo Sisi sich nur mit Frauen umgeben will. Sandra Hüller ist in das zunächst einengende Matrosenkleid und später in die herrlich lockeren, nicht die Taille suchenden Kleider von Gräfin Irma geschlüpft.

Frauke Finsterwalder und ihr Mann und Schreib-Partner Christian Kracht haben Hüller die Rolle auf den Leib geschrieben. Dass Hüller grandioses Talent zum Komischen hat, hat die Welt allerspätestens mit „Toni Erdmann“ begriffen, als Irma wirft sie jetzt einen fast kindlichen und staunenden Blick auf die Kaiserin und deren Weltsicht und stolpert an ihrer Seite durch die Welt. Für eine unverheiratete Frau über 40 ist ein Leben an der Seite der Kaiserin ein Leben voll ungeahnter Freiheiten, aber kein reines Zuckerschlecken - das vor allem wortwörtlich nicht, denn nicht nur die Kaiserin hält strenge Diät, auch von ihrer Gefolgschaft verlangt sie das.

„Sisi und ich“ erzählt von einer Freundschaft, die von einem enormen Machtgefälle dominiert ist. Sisi ist schließlich Ende des 19. Jahrhunderts so etwas wie ein Popstar, Irma den Launen und Spielchen des Popstars ausgeliefert, doch immer zehrend von den zärtlichen, freundschaftlichen Momenten mit Sisi. Umso eindrucksvoller dann, wenn Irma den Frust und die Wut über die manchmal kalte Schuler von Sisi oder exakt platzierte Gemeinheiten in die Landschaft brüllt.

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Wer den Anachronismus in der Erzählung noch nicht am Plakat erspäht hat, den springt er gleich in den ersten Sekunden des Films an, als „Wandering Star“ von Portishead erzählt. Songs von Le Tigre und Nico betten den Film auf einen Soundteppich, der sich mal antreibend, mal anhaltend gibt.

Quasi im Sekundentakt fallen fantastisch geschnitzte Sätze voller Schrulligkeit - „Bei Männern muss ich immer an Tischtücher denken“, sagt Irma auf die Frage, ob sie vorhat zu heiraten. Die rein theoretisch mögliche Opulenz wird permanent durch die kuriose Tonalität gebrochen. Albernheit und Tragik formen diesen Film und beides weiß Finsterwalder zu inszenieren, „Sisi und ich“ ist Popkino. Beim Nachdenken über ihre Filme spiele Musik eine große Rolle, so Finsterwalder im Interview. Am Beginn des Nachdenkens über „Sisi und ich“ steht „Cosmic Dancer“ - „Das ist Irma, die da spricht“, so Finsterwalder im Buch zu „Sisi und ich“.

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Richtung Schwermut und Unsinn durch die Nacht

Finsterwalder beherrscht auch die große Popkunst, durchaus schwerere Themen in glänzendes Zuckerlpapier zu verpacken und mit Leichtigkeit Themen wie Frauen- und Körperbilder, Essstörungen und Machtspiele zu inszenieren, ohne mit dem Zaunpfahl zu winken oder Sisi als armes Hascherl im goldenen Käfig zu verorten. Rastlos ist diese Sisi und schnell gelangweilt, dem Kaiser (ein exzellenter Markus Schleinzer) bietet sie die Stirn, nur ihre Mutter (was soll ich sagen: Legende Angela Winkler) zwingt sie in eine unterwürfige Position.

Die Kostüme von Tanja Hausner sind von so fantastischer Schönheit, dass man überlegt, ob einem so eine kleine Halskrause nicht auch stehen würde, mit den langen, lockeren Kleidern, die am Plakat zu sehen sind, würde sich so ein Sommer in der Stadt noch herrlicher aushalten lassen. Ein Film von flirrender Schönheit, in dem Schwermut und Unsinn durch die Nacht tanzen.

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