Amaze 2023: Auferstehung im Krematorium

Das 12. International Games & Playful Media Festival A MAZE Berlin kehrt nach Pandemie-Sparflamme an einer ungewöhnlichen neuen Location zurück.

Von Rainer Sigl

Der Himmel ist blau, Vögel zwitschern, es ist unglaublich still hier im Wedding, einem der bislang kaum im popkulturellen Bewusstsein der Hipster angekommenen Stadtteile von Berlin. Ein kleiner Zaun trennt die Rasenfläche, auf der sich junge Menschen in hippen Klamotten in der Sonne unterhalten, von einem Friedhof unter Birken, ein Schornstein ragt auf über der historischen Kuppelhalle, in der jahrzehntelang Verabschiedungen und Einäscherungen stattgefunden haben.

Das Silent Green ist Schauplatz der 12. Ausgabe der A MAZE, des International Games & Playful Media Festivals - ein ehemaliges Krematorium mit teils dunkler Geschichte, das seit 2013 als Kulturzentrum samt riesiger unterirdischer Veranstaltungshalle dient. Festivaldirektor Thorsten S. Wiedemann führt uns am Vormittag vor der Eröffnung voll Stolz über die neue Location für das wichtigste Games-Underground-Event Europas - eine Führung, an der ihr übrigens im dieswöchentlichen FM4 Game Podcast hautnah teilhaben könnt.

Drei Jahre war coronabedingt mehr oder weniger nur eingeschränkter Festivalbetrieb möglich, auf Online- und Hybrid-Ausgaben folgte letztes Jahr ein stark verkürztes Event mit Award-Gala. Dieses Jahr soll es endlich wieder eine „full festival experience“ sein, wie Wiedemann verspricht.

Der Games-Underground im Keller

Die spektakuläre neue Location ist Schauplatz für Talks, Workshops, einen Basar, Panels, Diskussionen und eine umfangreiche Ausstellung von Games, genauer gesagt: von Arthouse-Games. Der Begriff, entlehnt vom Arthouse-Kino, trifft das, was Wiedemann und seine Kurator*innen hier zeigen und feiern, besser als das etwas beliebig gewordene „Indie“. Oder, noch besser: Playful Media.

Freitagabend werden Awards in sieben Kategorien vergeben, die interaktiven Experimente, die sich um diese Auszeichnung bewerben und großteils hier, in den riesigen, trippig beleuchteten Ausstellungsräumen unter der Erde auch gespielt werden können, wurden aus über 50 Ländern eingereicht. Ähnlich international ist auch die Liste der Speaker und Workshop-Veranstalter. Es geht um künstliche Intelligenz, mediale Verwertung und das Überleben auf Konferenzen; die Bandbreite der Themen ist beachtlich. Wie gewohnt von zwölf Jahren A MAZE.

Berlin spielt

Bis zur Vergabe der Awards und damit dem Finale des Festivalprogramms und noch am Samstag sind das Silent Green und die nahegelegene Party-Location Panke Culture aber auch ein riesiger Spielplatz, rege besucht von Menschen jeden Alters. Neben sehr avantgardistischen Installationen stehen minimalistische Shooter, Indie-Darlings und Kunsthochschulprojekte; nur kommerzielle Hochglanz-Games findet man hier keine.

Wer nicht nach Berlin kommen kann, kann große Teile des Programms im Stream verfolgen oder hat im virtuellen Raum des A MAZE Space Gelegenheit, die Exponate online zu durchstöbern und Gleichgesinnte zu treffen.

Dass die A MAZE und ihre Macher, allen voran Thorsten S. Wiedemann, hier mit Sendungsbewusstsein den kreativen Underground als Gegensatz zum Mainstream ins Rampenlicht stellen, ist fest in der Festival-DNA verankert. „We want to change the perception of what games are“, wie Wiedemann traditionell pathetisch bei seiner Eröffnungsrede formuliert hat. Die endlich wieder mehrtägige, im neuen Rahmen stattfindende A MAZE 2023 ist dafür ein Stück weit professioneller und gediegener aufgestellt, als das bei früheren Inkarnationen der Fall war.

Wiedemann, durchaus selbstkritisch: „Everyone is born punk - but it’s hard to stay punk.“ Zur Beruhigung: Die A MAZE ist noch immer ein bisschen Punk. Irgendwie typisch, dass sie sich als Auferstehungsort gerade ein Krematorium ausgesucht hat.