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Shadows of Doubt

ColePowered Games

Game

Faszinierende Sandkiste für Detektive

Das Detektiv-Game „Shadows of Doubt“ ist dank prozeduraler Generierung und überwältigender Simulationstiefe eines der spannendsten Spiele des Jahres - fertig ist es aber noch lang nicht.

Von Rainer Sigl

Frank Simmons liegt tot in seiner Wohnung, erschossen mit einer kleinkalibrigen Waffe. Kurz vor dem Mord wurde er von einer Arbeitskollegin angerufen, im Papierkorb finde ich eine Restaurantrechnung und überall im Raum sind fremde Fingerabdrücke.

Im „Detective Stealth Game“ „Shadows of Doubt“ finde ich viele Spuren, es braucht aber ganz schön viel Kombinationsgabe und Ausdauer, bis ich draufkomme, wer das Verbrechen begangen hat. Ich muss Zeugen befragen, Überwachungsvideos und Telefonprotokolle auswerten, und hin und wieder krieche ich auch durch Lüftungsschächte, um in Büros und Wohnungen nach Beweisen zu suchen.

80er-Cyberpunk-Noir-ImSim im Zufallsgenerator

„Shadows of Doubt“ ist kein gewöhnliches Detektiv-Game, denn alles an meinem Fall ist zufallsgeneriert: wer das Opfer ist, wer der Täter, mit welcher Waffe der Mord verübt wurde, mit welcher Vorgeschichte und und und. Genauso prozedural generiert sind die kompakte, aber dank beachtlich hoher Gebäude dicht bewohnte Stadt und ihre BewohnerInnen.

Das Spiel mag in seinem simplen Voxel-Look an „Minecraft“ erinnern, unter der Oberfläche liegt aber eine faszinierende, bis in winzige Details gehende Simulation, die an Warren Spectors Idee vom „One City Block RPG“ erinnert: ein Spiel an einem kleinen Schauplatz, der aber dafür bis ins Detail realistisch simuliert wird. Etwas Ähnliches versucht „Shadows of Doubt“, nur dass es zusätzlich seinen „One City Block“ auf Knopfdruck samt Bewohnern und ihren Vorgeschichten immer wieder neu zusammenwürfelt. Das ist ziemlich erstaunlich.

Shadows of Doubt

ColePowered Games

Polizeiarbeit 101

Das Setting des Spiels ist eine dystopische 80er-Noir-Downtown, die Spuren und Zusammenhänge zu finden, die mich den jeweiligen Fall lösen lassen, ist kein Kinderspiel. Wie ich vorgehen will, ist mir selbst überlassen, ein Bestrafungssystem versucht, mich von der schiefen Bahn als rabiater Einbrecher-Detektiv abzuhalten. Die wichtigsten Werkzeuge sind Telefonbuch, Fingerabdruckscanner, Dietriche und eine „Falltafel“, auf der sich Hinweise, Aussagen und Fakten klassisch per Bindfaden verknüpfen und visualisieren lassen.

„Shadows of Doubt“, entwickelt von ColePowered Games, vertrieben von Fireshine, ist im Early Access für Windows erschienen.

Im Bestfall führt mich ein Indiz zum nächsten, reiht sich Beweis an Beweis, bis ich den Verdächtigen festnehmen und gemeinsam mit vorausgefülltem Formular den Behörden übergeben kann; in solchen Erfolgsmomenten fühlt man sich wie der Held eines TV-Krimis. Manchmal heißt Detektivarbeit aber auch, einzeln alle Zeugen abzuklappern und mühsam nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen.

Baustelle mit Riesenpotenzial

Die Detektiv-Sandbox von „Shadows of Doubt“ ist vor allem in den ersten Spielstunden der Begegnung so detailreich und komplex, dass man es kaum glauben mag; allerdings sieht man bei längerer Beschäftigung dem Early-Access-Spiel an, dass es noch nicht ganz fertig ist.

Die Zufallsgenerierung sorgt durchaus für aufregende Ermittlungsabenteuer, manchmal verbeißt man sich aber auch noch in Sackgassen oder verliert die Spur - ziemlich realistisch, eigentlich. Weniger realistisch ist, dass es bislang kein funktionales System für psychologische Hintergründe all der Verbrechen gibt. Wer es war, lässt sich so wohl herausfinden, warum, das bleibt oft meiner Fantasie überlassen. Die umfangreiche Tutorialmission gibt aber einen Hinweis darauf, dass „Shadows of Doubt“ auch ein grandioser Baukasten für Szenarien sein könnte, in denen dann Derartiges sozusagen in „Handarbeit“ ergänzt werden könnte; das ist allerdings derzeit noch Zukunftsmusik.

Trotzdem: „Shadows of Doubt“ ist schon jetzt ein faszinierendes Spiel, das einen Vorgeschmack auf die Zukunft prozeduraler Narration gibt; zugleich demonstriert es aber auch, dass der Weg dorthin noch beträchtlich ist. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, bekommt schon jetzt eines der spannendsten spielerischen Experimente des Jahres geboten.

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