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Warum gibt es so wenige große, weibliche Produzent*innen?

Frauen und nicht-binäre Personen arbeiten nur selten als Producer*innen mit großen Artists. Es handelt sich dabei um ein strukturelles Problem.

Eine Kolumne von Verena Bogner

“Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein starker Mann”: Was wie ein Boomer-Facebook-Kalenderspruch aus den 2010ern klingt, ist in Hinblick auf die Frauenquote unter Produzent*innen, die an den kommerziell erfolgreichsten Hits unserer Zeit mitarbeiten, leider bittere Wahrheit. Produzent*innen sind diejenigen Personen, die zum Beispiel die Aufnahme eines Albums leiten. Sie sind zuständig für die Sessions im Studio und helfen Künstler*innen durch ihr kreatives und technisches Know-how, ihre Visionen umzusetzen. Hört man den Begriff Producer im Pop-Kontext, denkt man direkt an Männer wie Jack Antonoff, Max Martin, BloodPop, Timbaland oder Mark Ronson. An ein bisschen nerdige Typen, die die Masterminds hinter den großen Hits sind und im Hintergrund die Fäden ziehen.

Dass es sich dabei nicht bloß um gefühlte Wahrnehmung handelt, zeigt eine neue Auswertung: Laut dieser haben Frauen und nicht-binäre Personen weniger als fünf Prozent der Producing- und Engineering-Credits der 50 meistgestreamten Songs des letzten Jahres inne. Der Pop-Song mit den meisten weiblichen oder nicht-binären Credits ist übrigens “Break My Soul” von Beyoncé. Hier waren 7,6 Prozent der Producer*innen nicht-männlich. Und: Eine weitere Untersuchung von 1100 erfolgreichen Songs aus den Jahren 2012 bis 2022 ergab, dass lediglich 0,7 Prozent der Producer*innen dieser Songs Women of Color sind.

Die Gläserne Decke in der Musikbranche

Gegenüber “The Guardian” erklärte Catherine Marks, die zum Beispiel das jüngste Album von Boygenius namens “The Record” mitproduziert hat und seit 17 Jahren in der Musikbranche arbeitet, dass die mangelnde Diversität an der Gläsernen Decke liege, an die Frauen in der Industrie stoßen würden: “Seit ich angefangen habe, steigen mehr Frauen ein, aber sie erfahren keine Unterstützung. Es gibt ein Wahrnehmungsproblem, das sie daran hindert, ein Management zu finden und Entscheidungsträger*innen vorgestellt zu werden.” Schaffe man es dann doch endlich, aufzusteigen, werde man oftmals direkt in eine Ecke gedrängt, was Produzentin Marta Salogni einem “Mangel an Vorstellungskraft” von Artists und Entscheider*innen zuschreibt. “Manchmal fühlt es sich für Gatekepper*innen sicherer an, immer wieder dieselben Leute zu engagieren. Aber wenn Frauen nicht engagiert werden, können sie nicht die Credits aufbauen, die sie brauchen, um wieder engagiert zu werden”, sagt sie.

Bevor hier jemand kommentiert, dass das alles nichts als Augenauswischerei von beleidigten Feminist*innen sei: Diversere Produzent*innen-Teams hätten laut Salogni einen maßgeblichen Impact in Hinblick auf die Musik, die in den gemeinsamen Sessions entsteht. “Ein männlich dominiertes Team spiegelt nicht wider, wie vielfältig die Gesellschaft ist. Wie könnte mehr Diversität in der Produktion klingen? Das müssen wir herausfinden.”

Marketing-Managerin Jane Third, die zum Beispiel schon mit Rina Sawayama gearbeitet hat, die ihre Songs selbst produziert, hält außerdem fest, dass die Atmosphäre in diverseren Teams eine ganz andere sei. In diesen Konstellationen laufe die Arbeit viel weniger hierarchisch ab. Apropos Hierarchie: Weibliche, vor allem junge Artists, erleben immer wieder übergriffiges Verhalten ihrer Produzenten, die ihre Machtpositionen ausnutzen. Auch das ist ein Problem, dem man mit mehr Diversität entgegenwirken könnte. Raye berichtet in ihrem Song “Ice Cream Man” von einem solchen Produzenten: “tryna touch me, tryna fuck me, I’m not playing / I should’ve left that place as soon as I walked in it.”

Größen wie Taylor Swift oder Beyoncé produzieren ihre eigenen Songs übrigens mit. Letztere bewegt sich mit den Mitwirkenden an “Break my Soul” sicher schon in die richtige Richtung – wobei 7 Prozent wohl auch kein Grund zur allzu großen Freude sind. Um grundsätzlich etwas an der fehlenden Diversität dieses wichtigen (und von Hörer*innen oft übersehenen) Aspekts der Musikindustrie zu ändern, müssen sich die Entscheider*innen stark machen.

Es ist doch letzten Endes wie bei diesen immer wieder überwiegend männlichen Festival-Line-ups, wo es immer wieder heißt, man habe eben einfach nicht genügend weibliche Acts gefunden. Und wir alle wissen, dass das so nicht stimmen kann. Es hapert nicht an den interessierten weiblichen oder non-binären Producer*innen, sondern an den fehlenden Chancen, der nicht vorhandenen Sichtbarkeit. Weil es eben immer schon so war. Stellt euch vor, was möglich wäre, wenn Beyoncé nicht nur davon singen würden, wer die Welt beherrscht.

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