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Buchcover "Maud Martha"

Manesse

„Maud Martha“: Wiederentdeckt und erstmals ins Deutsche übersetzt

„Maud Martha“ von der US-Autorin Gwendolyn Brooks ist jetzt erstmals auf Deutsch erschienen. Der Anfang der 1950er Jahre veröffentlichte Roman über eine junge schwarze Frau in Chicago mag zwar aus heutiger Sicht nicht wie eine adäquate Antwort auf den offenen und strukturellen Rassismus einer Gesellschaft wirken, es ist dennoch ein Roman, der ganz großen Zauber ausstrahlt.

Von Eva Umbauer

„Der Applaus war lebhaft. Und die Stille endgültig. Das dachte Maud Martha, sechzehn und in betont aufrechter Haltung, als sie sich im Foyer des Regal Theatre, Ecke Siebenundvierzigste und South Park, durch die schwerfällig hinausströmende Menge schob. Über Ruhm dachte sie nach und über diesen Sänger.“

Maud Martha wächst in den 1930/40er Jahren auf. Sie lebt an der Southside von Chicago, einem der drei Viertel der Stadt, jener Gegend, in der die meister der Einwander*innen in die Stadt sesshaft werden, wo es verfallene Häuser gibt und überwucherte Gärten. Maud Martha ist schwarz. Sie träumt von der großen Stadt, nämlich von New York. Chicago ist auch eine große Stadt, aber Chicago ist nicht New York.

Buchcover mit Silhouette einer Frau im Profil

Manesse

„Maud Martha“ ist im Manesse Verlag erschienen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Andrea Ott.

Traum von der Großstadt & allgegenwärtiger Rassismus

„Der Name „New York“ glitzerte vor ihr wie das Silber in den Läden am Michigan Boulevard. Er war nicht für sie bestimmt. Noch nicht. Wenn sie spazieren ging und neben ihr, in der Ferne oder über ihr auf eisernen Schienen quietschend und knirschend ein Zug vorbeiwischte, stellte sie sich immer genüsslich vor, die Fahrgäste seien unterwegs nach New York. Und sie säße auch darin.“

Ob es etwas wird mit dem Leben in New York für diese junge Frau namens Maud Martha? Die Stadt ist jedenfalls ein Symbol für Maud Martha. Ihre Vorstellung davon entsprach dem, wie ihrer Meinung nach das Leben sein sollte. Es sollte glänzend und selbstbewusst sein, ohne finanzielle Instabilität, ohne Sexismus, ohne alles mögliche Dysfunktionale, und es sollte ohne Rassismus sein. Der Rassismus der Zeit ist der allgegenwärtige Begleiter von Maud Martha, auch wenn sie sich davon nicht unterkriegen lassen will.

„‚Schwarze…ach, Schwarze…‘, sagte die Frau zu ihren Hüten, die auf schlanken Ständern rosa und blau und weiß und lavendelfarben leuchteten…“

Maud Martha möchte sich verlieben, und das könnte vielleicht schon bald geschehen: „Er wollte einen Hund haben (...) Eine Wohnung, anständig möbliert, mit einem guten Bücherschrank. Er wollte einen Plattenspieler und Schallplatten haben.“

Maud Martha richtet schließlich eine kleine Wohnung ein und bekommt ein Kind.

Jeder Satz ein stilles Kunstwerk

„Maud Martha“ von Gwendolyn Brooks ist eine Coming-of-Age Story und ein Zeitdokument, das sich nicht schwierig liest. Trotzdem ist jeder Satz eine Art stilles Kunstwerk.

Es ist die unaufgeregte Art, wie Gwendolyn Brooks - oft nur in in Fragmenten und Momentaufnahmen - aus dem Alltag von Maud Martha erzählt. Es sind diese kurzen, impressionistischen Texte mit ihrer so visuellen Beschreibung, die einen beinahe mitten in das Leben von Maud Martha hineinversetzen.

Kaum zu glauben, dass „Maud Martha“ der einzige Roman von Gwendolyn Brooks geblieben ist. Er ist 1953 erschienen. Für ihren drei Jahre davor veröffentlichten Lyrik-Band „Annie Allen“ erhielt Gwendolyn Brooks den Pulitzer Preis, jenen großen US-Preis für herausragende journalistische oder literarische Leistungen. Das kam einem Erdbeben gleich. 1976 wurde Gwendolyn Brooks als erste Schwarze Autorin in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen.

Das Leben, das Gwendolyn Brooks in „Maud Martha“ schildert, beruht zu großen Teilen auf ihrem eigenen und damit auf ihren persönlichen Erfahrungen als Schwarze Frau in den USA dieser Zeit. Da Gwendolyn Brooks sich selbst stets als „Schwarze Frau“ bezeichnete, übernimmt die deutsche Übersetzung auch diese Großschreibung.

Wiederentdeckt und erstmals ins Deutsche übersetzt

Der Roman „Maud Martha“ wurde vergessen, aber immer wieder neu entdeckt, etwa auch in den 00er Jahren von Barrack Obama, oder auch die britische Autorin Bernardine Evaristo liebt dieses Buch - „I want everyone to read this lost literary treasure.“ Nun ist „Maud Martha“ erstmals ins Deutsche übersetzt worden, von Andrea Ott für den Manesse-Verlag. In einem Nachwort erzählt der deutsche Schriftsteller Daniel Schreiber von Gwendolyn Brooks und gibt uns so einen Hintergrund zum Roman „Maud Martha“.

"Wie jeder gute autofiktionale Roman handelt „Maud Martha" von so viel mehr als der Person, die darin fiktionalisiert wird. Es ist ein Buch, das das Leben der Schwarzen amerikanischen Arbeiterklasse von den Zwanzigerjahren bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ausleuchtet. (...) Wie geht man mit der machtvollen inneren Stille unterdrückter Wut um? Wie lässt es sich weiterleben, wie kann man sich darauf besinnen, dass das Herz weiterschlägt?“

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