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Joko Sutrisno | Getty Images

Last-Minute-Tipps vom Rhetorik-Coach

Tatjana Lackner von der Schule des Sprechens bringt Menschen das professionelle Sprechen bei. Darunter auch Politker*innen, damit sie jede Frage parieren können. Davon können auch Maturant*innen lernen.

Von Paul Pant

Semesterende auf der Uni, Maturazeit und Schulschluss: Jetzt muss geliefert werden in den Prüfungswochen. Das bedeutet Stress, und gerade bei mündlichen Prüfungen ist es gut, wenn man Strategien hat, damit umzugehen.

Politiker*Innen wissen, wie man unangenehmen Fragen ausweicht und wie es einem nie die Sprache verschlägt. Dieses Talent fällt nicht vom Himmel, sondern kann gelernt werden, zum Beispiel bei Rhetorik-Coach Tatjana Lacker. Wir haben sie nach Strategien gefragt, wie man eine gute Antwort liefert, auch wenn man die richtige Antwort nicht sofort parat hat.

Radio FM4: Was machen Politiker*innen, wenn sie auf eine Frage die Antwort nicht wissen?

Tatjana Lackner: Die meisten wiederholen dann die Frage und reden dann recht ungeschmeidig über das, worüber sie eigentlich reden wollen. Was sie bräuchten, ist eine gute Moderationsbrücke, das heißt, ein Stück von dem zu beantworten, was der andere gefragt hat, und überzuleiten zu dem, wo man seine Expertise hat.

Radio FM4: Wie lenke ich von meinem Nichtwissen ab?

Tatjana Lackner: Es ist wichtig, klarzumachen, was einem in diesem Bereich einfällt, also wirklich assoziativ zu arbeiten, sich selbst ein bisschen zu moderieren. Ich finde es auch eine Möglichkeit zu sagen: Ich brauche eine Minute, ich steh grad voll auf der Leitung. Ich finde es keine gute Idee, da zu stehen, rot oder weiß zu werden, umzufallen, denn das fällt sicher auf.

Radio FM4: Wenn ich nur circa weiß, worum es geht, aber weiß, dass ich die Frage nicht so beantworten kann, wie es der Prüfer haben will, was für Tricks gibt es da?

Tatjana Lackner

Manfred Baumann

Tatjana Lackner (CC BY-SA 4.0)

Tatjana Lackner: Da gibt es die 3-S-Methode: Struktur, Stimmung und Self-Performance. Da braucht man Eigenmarketing. Das bedeutet, dass man sofort sagt: „Ich weiß, dieses Thema hat zu tun mit ...“ und da möglichst reden, reden, reden, was man weiß. Zwischen diesen Wissenslücken muss man versuchen drüber zu moderieren, damit man dem anderen das Gefühl gibt: Okay, ich bin dabei, ich tu was. Denn, wenn ich gar nichts sage, kann der andere auch annehmen, ich habe wirklich gar keine Ahnung, aber ein bisschen was weiß ich ja.

Radio FM4: Welche Phrasen helfen, damit meine Antwort besser klingt?

Tatjana Lackner: Ich finde, dass es gut ist, mit Worten zu arbeiten wie „Gefahr“ und „Chance“. Wenn man sagt, „das ist zum Beispiel eine große Gefahr bei diesem Thema und das haben wir auch im Unterricht durchgenommen, ABC ... und deswegen ist die große Chance in der Moderne, in der Kunst, in Deutsch, in der Literatur ...“ und geht dann dorthin, worauf die Frage abgezielt hat. Das heißt, durchaus mit Moderationsbrücken zu arbeiten -- Ist-Zustand, Soll-Zustand, Wunsch-Zustand --, womit man sein vielleicht nicht ganz vorhandenes Wissen zumindest strukturiert. Alles, was Struktur hat, kommt schon mal besser daher.

Radio FM4: Wie ziehe ich die Prüferin, den Prüfer auf meine Seite, damit sie mir vielleicht sogar helfen?

Tatjana Lackner: Auf jeden Fall mit der 3-L-Methode. Immer gilt bei Prüfungen: logisch, langsam, laut. Denn wenn ich nur leise vor mich hin nuschle oder unwillig bin oder irgendwie pampig, dann wird mir kein Mensch helfen. Wenn ich aber das Gefühl gebe, ich bin laut, ich bin auch irgendwie logisch, ich kümmere mich um eine Struktur, ich bin zugewandt, dann ist es leichter, jemandem zu helfen.

Radio FM4: Wie spreche ich die Prüferin, die Prüfer an?

Tatjana Lackner: Ich glaube, dass es nicht schlau ist, den Prüfer direkt anzusprechen. Das mögen die nicht so gerne, weil sie sich nicht einverleiben lassen wollen. Aber ich glaube, im Wir zu reden, ist eine gute Idee. Also: „Wir haben im Deutschunterricht ganz besonders bei Ödön von Horvath drauf gepocht, dass wir uns auch den Aspekt anschauen ...“ Oder: „Wir haben bei dieser Interpretation besonders den und den Aspekt hervorgehoben ...“ Also durchaus dem Prüfer offerierend moderieren, was wir mit der Lehrerin, die ja dann automatisch auf meiner Seite ist, in diesem Jahr gemacht haben.

Radio FM4: Wenn ich die Antwort auf eine spezielle Frage nicht weiß, aber vielleicht etwas anderes zu einem ähnlichen Thema? Wie lenke ich jetzt ab, damit ich genug Raum bekomme, über das zu reden, wo ich etwas weiß, so wie es Politiker*innen manchmal machen?

Tatjana Lackner: Ganz gut ist die Cluster-Methode, wenn man in Kategorien spricht. Clustern bedeutet, dass wir in Oberbegriffen reden, das heißt, wir reden in sogenannten Synekdochen. Wir reden vom Besteck und meinen damit die Gabel, den Löffel, das Messer. Wenn das zum Beispiel die Sturm-und-Drang-Zeit ist, und wir sagen, „Goethe gehört da natürlich dazu, mit den Leiden des jungen Werthers, in Wirklichkeit gehört in diese Strömung auch der und der hinein...“, dann zeige ich ja, ich weiß jetzt nicht genau, was du mich fragst, aber du siehst schon, ich habe grundsätzlich ein gewisses Know-how, und das kann manchmal schon das Zünglein an der Waage sein.

Immer gilt bei Prüfungen: logisch, langsam, laut.

Radio FM4: Was sollte ich denn auf keinen Fall sagen oder auf keinen Fall machen?

Tatjana Lackner: Auf keinen Fall schweigen, weil Schweigen ist immer ein Zeichen von: Bist du jetzt unwillig? Bist du pampig, hast du wirklich keine Ahnung? Da ist zu viel Interpretation möglich, die meistens nicht für mich ausgeht. Das Zweite, was ich nicht gut finde, ist, andere schlechtzumachen und zu sagen: „Also ganz ehrlich, ich kann jetzt nichts mit der Frage anfangen. Das haben wir im Unterricht gar nicht besprochen. Ich finde es komisch, dass das jetzt kommt. Also das ist ja ganz daneben ...“ Gut hingegen finde ich es zu sagen: „Das ist übrigens eine Frage, die ist tricky und ich glaube, es war eine von denen, wo ich gehofft habe, dass sie nicht kommen, aber natürlich stelle ich mich ...“ Das heißt, den anderen immer auch ein bisschen zu zeigen, wie es mir gerade geht. Denn je mehr ich von mir auch preisgebe in der Prüfungssituation, umso mehr Eigen-Marketing kann man anbringen. Denn es geht, wie wir alle wissen, nicht immer um das pure Wissen, manchmal auch ein bisschen um die Performance.

Radio FM4: Jeder hat so eine Situation schon erlebt: Die Frage kommt, erschlägt mich. Ich sollte jetzt reden, aber eigentlich muss ich mich zwei Minuten sammeln, nachdenken und einen Weg finden, wie ich das beantworte. Wie fülle ich diese Lücke dazwischen, wie gewinne ich Zeit?

Tatjana Lackner: Ich glaube schon, dass es gut ist, wenn man hier mal loslegt und sagt, „das ist zum Beispiel so eine Frage, also die gehört auf jeden Fall ins Gebiet, dort und dahin ...“ Ich weiß auch, bevor ich von der Leitung steige, dass man „ganz besonders aufpassen muss bei diesem Aspekt der Frage, dass man diesen Fehler nicht macht“. Das heißt, einfach mal ins Reden kommen, denn der Weg tut sich sehr oft durchs Gehen auf und da fallen einem auch tatsächlich Sachen ein, wenn man sich hier geistig bewegt.

Radio FM4: Was mache ich bei Lampenfieber?

Tatjana Lackner: Lampenfieber ist etwas, das den einen zu Höchstleistungen anstachelt und den anderen richtig blockiert. Man sollte wissen, wie man richtig atmet, denn zu meinem Atem kann ich immer zurückgehen. Der Atem ist wie ein Wohnzimmer. Mal schauen, atme ich noch durch? Also auch mal bei ganz banalen Dingen, wie beim Geschirrspüler-Ausräumen. Menschen, die stocken, wissen, dass sie in dem Moment, wenn das Lampenfieber kommt, auch keinen Sauerstoff mehr haben und das hilft natürlich nicht. Also Atemtechnik. Das Zweite, was bei Lampenfieber hilft, ist sich bewegen, also tatsächlich von der Leitung steigen. Natürlich kann ich da jetzt nicht die großen Dance Moves machen bei einer Prüfung, aber sich wirklich auch vor der Tafel, vor der Kommission bewegen und nicht nur dastehen, starr, weil dann funktioniert gar nichts mehr. Also ein bisschen nach dem Motto: Move your ass, your mind will follow. Und drittens halte ich es für eine gute Idee, sämtliche Prüfungsfragen mal mit dem Smartphone aufgenommen zu haben. Wir haben in unseren Handtaschen kleine Aufnahmegeräte wie kleine Tonstudios. Wenn ich so einmal höre, wie wäre ich in der Situation oder wie agiere ich, fallen mir allein durch diese Probesituationen Moderationspartikel ein.

Radio FM4: Jetzt sind wir schon bei der Körperhaltung. Vor der Kamera, lernt man, soll man nicht zu viel mit den Händen fuchteln. Bei der Prüfung, haben Sie gerade gesagt, ist es sogar gut, wenn man die Energie ein bisschen rauslässt. Also auf was muss ich da achten?

Tatjana Lackner: Die meisten jungen Menschen bewegen sich viel zu wenig, es ist eine statische Geschichte, schauen aus, als hätte sie der Blitz getroffen und dann soll man beurteilen: Oh, wow, der ist für die Reifeprüfung wirklich geeignet. Nein, es ist wichtig, dass man seinen Oberkörper bewegt. Es ist wichtig, dass man die Hände bewegt. Don’t fuchtel, klar, keine Fliegen verscheuchen. Das Handgelenk sollte immer steif bleiben. Gute Körperhaltung beginnt im Oberarm. Also, das heißt, nicht irgendwo einfach nur rumnudeln. Und ja, wir brauchen einen sicheren Stand. Aber nur da zu stehen und sich gar nicht mehr zu bewegen, da zeige ich ja, dass mich die Situation total einschüchtert, dass ich mich dem eigentlich nicht gewachsen fühle. Es ist schon eine Reifeprüfung auch. Man soll schon zeigen: Ich habe die Reife, ich kann die Stirn bieten.

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