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Muna Duzdar

Sabine Karrer

interview

Muna Duzdar über Babler und die Aufbruchstimmung in der SPÖ

Nun ist der Bundesrat und Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, als neuer Vorsitzender der SPÖ betätigt worden. Wir haben die SPÖ-Politikerin Muna Duzdar, die Babler unterstützt, gefragt, wie es nun weitergeht.

Nach einer Art Graswurzelwahlkampf hatte Andreas Babler mit persönlichen Gesprächen und einem Team von Ehrenamtlichen eine große Zahl der vor allem urbanen Mitglieder der SPÖ für sich begeistert. Unter ihnen ist auch die Rechtsanwältin Muna Duzdar, ehemalige Staatssekretärin im Bundeskanzleramt der Regierung Kern und derzeit Lokalpolitikerin in Wien Kaisermühlen. Sie dürfte demnächst über eine Warteschleife in den Nationalrat zurückkehren.

Boris Jordan hat die Babler-Unterstützerin Duzdar gefragt, ob der relativ junge Parteichef es schaffen wird, die Struktur der Partei zu verändern, junge Nichtwählerschichten anzusprechen und die FPÖ zu besiegen.

FM4 Auf Laut am Dienstag, 6. Juni 2023, 21 Uhr: Zu Gast sind Hannah Czernohorsky, die Vorsitzende des VSSTÖ, Michael Kögl, der Vorsitzende der Jungen Generation in der SPÖ und Anna Thalhammer, Chefredakteurin beim Nachchrichtenmagazin Profil.

Radio FM4: Wir haben vor kurzem erfahren, dass das Ergebnis der SPÖ-Wahl offiziell bestätigt ist, notariell beglaubigt und nach Ansicht des neuen Vorsitzenden wasserdicht. Also hiermit ist Andreas Babler Vorsitzender der SPÖ und Spitzenkandidat bei der nächsten Nationalratswahl. Ich kann mir die Erleichterung des Babler-Lagers vorstellen.

Muna Duzdar: Selbstverständlich sind wir erleichtert. Natürlich hätten wir uns alle miteinander gewünscht, dass dieses Ergebnis am Samstag am Parteitag verkündet worden wäre, dann hätten wir diese Euphorie vielleicht auch mehr ausleben können. Natürlich war das Babler-Lager, ich will nicht sagen deprimiert, aber man hat sich doch irgendwie viel erhofft und natürlich gewünscht, vor allem nach dieser fulminanten Rede, die Andreas Babler am Parteitag gehalten hat, dass er es auch schafft. Man hat dem Andi damit letztlich auch ein bisschen diesen Moment weggenommen. Aber ich denke mir, er steht halt drüber.

Radio FM4: Derzeit wird die SPÖ etwas mit Häme überschüttet, sie könne nicht zählen, sie könne keinen Computer bedienen. Das Momentum von Andreas Babler, das wir gesehen haben, in den ersten wirklichen Primaries in meinem Leben, ist außergewöhnlich und wurde auch außerhalb von Österreich bemerkt. Ist da jetzt die Luft heraußen, weil man so einen Pfusch gebaut hat?

Muna Duzdar: Natürlich wird man nach so einer Panne, sage ich jetzt mal, zum Gespött und zur Lachnummer. Da geht es natürlich sehr stark auch um die Glaubwürdigkeit der Partei, dass man dann einem als Partei auch nicht mehr viel zutraut, wenn man nicht einmal in der Lage ist, 600 Stimmen auszuzählen. Richtig. Nichtsdestotrotz blicke ich zuversichtlich in die Zukunft. Auch das wird vergehen. An diese Panne wird man sich hoffentlich bald nicht mehr so im Detail erinnern, weil bin überzeugt davon, dass Andreas Babler diesen Demokratisierungsprozess einfach vorantreiben wird. Und dazu gehört natürlich auch die Transparenz.

Radio FM4: Jetzt wissen wir ja schon aus den vielen Vorwahlreden, dass Andreas Babler von vornherein dagegen war, das alles am Parteitag entscheiden zu lassen, sondern eigentlich eine Stichwahl einführen wollte. Dazu hat er jetzt Gelegenheit. Er will als erste Amtshandlung dieses neuen Stils, den er programmiert hat, die Parteistatuten in diese Richtung ändern, oder?

Muna Duzdar: Ja, davon bin ich überzeugt, dass er das auch vorantreiben wird. Letztlich muss das dann aber am Parteitag entschieden werden, das hat er ja auch selber gesagt. Man muss auch sagen, dass diese Öffnung der Partei und die Demokratisierung der Partei ja Schritte und Maßnahmen sind, die auch Christian Kern versucht hat umzusetzen. Ein Teil der Parteireform wurde dann wieder zurückgenommen. Man sieht, man geht einen Schritt voran, zwei Schritte zurück. Aber man kann eben solche demokratischen Entwicklungen auf Dauer nicht verhindern. Andreas Babler setzt halt sehr stark darauf, dass die Partei sich zu einer Bewegung entwickelt, wo die Mitglieder halt auch mitreden dürfen. Dann macht es auch Spaß, Politik zu machen, wenn es politische Teilhabe gibt. Das hat man ja auch an seiner Bewegung gesehen. So viel Euphorie, so viel Engagement und so viel Herzblut. Wie ich das erlebt habe, das haben wir halt schon lange nicht mehr erlebt. Dass von heute auf morgen, also in wenigen Tagen 9.000 Mitglieder beigetreten sind, da ist eine Dynamik erzeugt worden, die enorm ist und wirklich einen neuen Schwung in die Sozialdemokratie hineinbringt. Das hat einfach gefehlt und das braucht es auch.

Radio FM4: Auch wir sind einigermaßen überrascht, weil Andreas Babler ja ein relativ unbeschriebenes Blatt ist, also als Bürgermeister von Traiskirchen zwar als Lokalpolitiker verdienstvoll, aber dass er jetzt plötzlich so viele Leute hinter sich hat. Man kennt die SPÖ eigentlich als recht komplexe Partei, ich will nicht sagen zerstritten, aber doch in verschiedene Fraktionen zerlegt, die gar nicht so viel miteinander reden. Die Frauen, der ÖGB, die Stadt Wien, die Bundesländer... Und jetzt muss Andreas Babler, der diese ganze alte Parteibasis nicht hat, mithilfe einer neuen Basis, die aus der „normalen“ Bevölkerung besteht, diese ganzen Teile der SPÖ davon überzeugen, dass sie hinter ihm stehen. Wie geht das? Wie schaut sein Verhältnis aus zu den verschiedenen Fraktionen?

Muna Duzdar: Also ich glaube, dass sein Verhältnis zu den verschiedenen Fraktionen gut ist, weil er ja auch immer betont hat, dass er nicht Teil dieser Auseinandersetzung gewesen ist, dass er nicht zu diesen Lagerbildungen gehörte. Insofern hat er da ein friktionsfreies Verhältnis.

Radio FM4: Er hat aber auch Pamela Rendi-Wagner mehrmals kritisiert, er ist nicht der große Querschießer wie Hans Peter Doskozil gewesen, aber er hat doch gesagt, das geht so nicht.

Muna Duzdar: Ja, aber wann hat er das gesagt? Wie die Mitarbeiter per E-Mail gekündigt worden sind. Da war er nicht der Einzige. Ich will betonen, wenn Kritik gekommen ist, dann war sie inhaltlicher Natur und nicht nur Querschüsse zum Selbstzweck oder aus einem Machtstreben heraus, das ist schon ein qualitativer Unterschied. Und weil Sie von einer neuen Basis gesprochen haben, es gibt schon eine Basis. Die SPÖ hat 150.000 Mitglieder. Es geht aber darum, das zu erweitern und zu öffnen. So wie wir es halt auch immer gesagt haben: die Gesellschaft mit Demokratie durchfluten und dazu gehört auch, die Partei mit durchfluten. Dass nicht nur bestimmte Funktionäre sich im kleinen Kreis Entscheidungen ausmachen, sondern dass man Entscheidungen verbreitert und viele teilhaben lässt. Man merkt halt auch, weil jetzt so viele beigetreten sind, es gibt diesen Wunsch und dieses Bedürfnis danach, politisch mitbestimmen zu können. Wo kann man das in Österreich? Politische Mitbestimmung hört ja nicht damit auf, dass ich einmal in ein paar Jahren ein Kreuzerl irgendwo mache. Da gibt es sehr viel auch nachzuholen.

Radio FM4: Wir sind in Österreich gewohnt, dass die Bevölkerung im Durchschnitt nicht unbedingt links denkt. Zumindest nimmt man es an als Beobachter der letzten 20 Jahre. Deswegen war auch die Diskussion, welche oder welcher neue Vorsitzende der SPÖ kann Herbert Kickl und die FPÖ besiegen? Da gibt es zwei Theorien: Entweder man macht ein bisschen das, was die machen, und ist streng zu Ausländern und streng zu Minderheiten oder man geht genau in die andere Richtung, weil es sonst niemand tut, und nimmt an, es gebe da eine große ungenannte Gruppe von mehrheitlich Nicht- oder Protestwählern, die genau das wollen. Glauben Sie, dass die österreichische Bevölkerung linker ist, als es ihr zugeschrieben wird?

Muna Duzdar: Ich glaube halt einfach, dass viele die FPÖ wählen, nicht weil sie rechts sind, sondern weil sie einfach unzufrieden sind mit der Lebenssituation und mit der Politik, mit der politischen Parteienlandschaft. Es ist einfach wirklich zum Teil ein Protestvotum. Die Gesellschaft ist vielleicht nicht mehr so links, wie sie einmal war. Da hat die Sozialdemokratie auch eine Mitverantwortung daran, weil man geht zum Schmied, nicht zum Schmiedl, oder? Wenn ich glaube, dass ich mit einer Copy-Paste-Politik dann quasi die bessere FPÖ bin und dann wählen mich die Leute, das ist ein Irrglaube. Das führt einfach nur zu der Dynamik, dass man damit FPÖ-Positionen salonfähig macht und anerkennt. Die sind dann im Mainstream. Was in den letzten 30 Jahren passiert ist, dazu braucht es einfach politische Alternativen und Gegenmodelle und nicht: Die haben eh recht. Na wenn sie recht haben, warum sollte man noch die Sozialdemokratie wählen? Worin sollte die FPÖ recht haben? Sie haben in ihren großen Fragen überhaupt nicht recht, weil auf Minderheiten hintreten, das kann niemals in Ordnung sein. Abgesehen von dieser Migrationsfrage, eine politische Partei, die nur das Thema Migration aufwirft und jeden Tag nur gegen Ausländer hetzt, die können ja auch keinen Staat führen. Jedes Mal, wenn die FPÖ in der Regierung ist, dann haben wir die meisten Strafcausen im Nachhinein und Korruptionsvorwürfe bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Da bedient man sich halt einfach. Damit kann man auch keinen Staat machen. Die Gesellschaft rückt damit nur nach rechts und ist dann gespalten. Es sind in Wirklichkeit präfaschistische Entwicklungen, die wir dann erleben müssen. Das gilt es zu verhindern, indem man Gegenmodelle präsentiert.

Radio FM4: In den vergangenen Jahren galt die SPÖ im Vergleich zu den anderen zwei großen Parteien als relativ überaltert in ihrer Wählerschaft, ich glaube, auch in ihrer Funktionärsschaft. Andreas Babler fischt jetzt eindeutig unter den jungen Nichtwählern, unter den jungen Wechselwählern, hauptsächlich unter den urbanen. Er sieht sich da gegenüber einer Jugend, die sich sehr mit dem Umweltschutz und sehr mit den Minderheitenrechten auseinandersetzt. Ich höre relativ wenig umweltpolitische Agenda heraus.

Muna Duzdar: Na ja, Andi Babler spricht ganz bewusst von der Klima-Apartheid. Es ist ein Irrglaube zu denken, dass Klimathemen nur eine Angelegenheit sei von einer kleinen Gruppe, weil letztlich ist diese Klimaerhitzung mit Auswirkungen verbunden, die ja gerade die breite Masse treffen. Dafür muss man auch wieder stärker Bewusstsein schaffen. Dass die meisten CO2-Emissionen von wenigen Konzernen ausgehen und von den Reichsten in der Gesellschaft, dass diese Klimakrise auch eine soziale Gerechtigkeitsfrage ist, das ist schon auch Bestandteil seiner politischen Reden und seiner politischen Programmatik gewesen. Das ist die Aufgabe der Sozialdemokratie darzulegen, dass diese Klimaerhitzung auch sehr stark eine soziale Frage ist, das ist erwiesen, das hat er immer auch erzählt.

Radio FM4: Wir wollen in die nähere Zukunft gehen. Die Umgestaltung und das Comeback der Sozialdemokratie in Österreich würde mit großen personellen Veränderungen einhergehen. Als Beobachter hat man den Eindruck, als sei eine ganze Generation von ehemals jungen Sozialdemokraten oder Linksdenkenden in den letzten 20 Jahren einfach nicht zum Zug gekommen. Findet da jetzt ein Generationswechsel statt? Kann man damit rechnen?

Muna Duzdar: Ich weiß nicht, ob ich von Generationenwechsel sprechen kann. Ich glaube, dass es wichtig ist, die Partei zu öffnen und auch strukturell zu verändern. Und dass es eben nicht mehr nur um Funktionen und Machtpositionen geht und wer sich irgendwas unter den Nagel reißt...

Radio FM4: Irgendjemand muss die Jobs aber machen. Irgendjemand muss jetzt den Klub führen, irgendjemand muss mit Hafenecker streiten etc.

Muna Duzdar: Ich kann Ihnen nur sagen, dass Andreas Babler einfach tolle Leute um sich herum hat, junge Leute, engagierte Leute, politisch denkende Leute. Ich bin überzeugt davon, dass er da ein super Team aufstellen wird, weil er jetzt schon ein super Team hat. Andreas Babler ist mit null gestartet. Er hat keinen Parteiapparat hinter sich gehabt. Er hat nur ehrenamtliche Mitarbeiter hinter sich gehabt und es trotz allem geschafft, im Social-Media-Bereich ganz oben zu sein. Das hat auch meine Vorstellungskraft überstiegen zu sehen, was er für eine Kampagne auf den Weg gebracht hat. Die Leute, die um ihn herum sind, sind sehr politische Leute, keine Personen, wo es dann nur darum geht, Funktionen und Macht zu besetzen. Das ist halt schon auch ein qualitativer Unterschied. Da geht es um eine andere Form der Politik. Es geht darum, die Gesellschaft positiv zu verändern und nicht nur, dass ich mir ein schönes Leben auf Kosten der Partei mache und eine tolle Funktion habe und ein tolles Mandat. Um das geht’s nicht mehr.

Radio FM4: Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl hat auf Twitter insinuiert, dass sich die anderen Parteien derart ins Hemd machen vor Angst, dass sie Andreas Babler framen als Betonmarxisten, Stamokapler und was man da alles gehört hat.

Muna Duzdar: Na sicher, es geht ja darum, Dirty Campaigning zu machen, um jemanden zu schwächen. Nur, ich glaube, dass Andi Babler drübersteht und sehr überzeugend sein wird und dass das alles nix bringen wird. Ich glaube, man darf sich vor diesen Vorwürfen nicht fürchten, sondern man muss einfach gegenhalten. Und nicht immer, wenn jemand irgendwas vorwirft, sagen: Okay, ’tschuldigung. Na was, ’tschuldigung, wofür?

Radio FM4: Ich weiß nicht, ob das Zurückrudern in Marxismusfragen so glaubwürdig war. Ich würde mir ja denken, jemand, der in der SPÖ ist und nichts mit Marxismus am Hut hat, ist in der falschen Partei, nicht?

Muna Duzdar: Er hat immer wieder gesagt, dass der Marxismus Teil der Arbeiterbewegung und damit Teil der Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie ist, die aus einer Arbeiterbewegung hervorgegangen ist. Insofern verstehe ich ehrlich gesagt nicht diese künstliche Aufregung vonseiten mancher konservativer Journalisten, die da ein Trara gemacht haben, wie fürchterlich, dass man Karl Marx gelesen hat. Ich weiß nicht, was daran so fürchterlich sein soll.

Radio FM4: Ich würde Sie gerne um eine persönliche Einschätzung bitten, ohne dass Sie irgendwelche Geheimnisse preisgeben dürfen. Glauben Sie, dass das seltsame Momentum, das die SPÖ jetzt hat, dass das die anderen Parteien dazu bewegen würde, vorzeitige Neuwahlen auszurufen? Für wie wahrscheinlich halten Sie die?

Muna Duzdar: Das halte ich nicht für sehr wahrscheinlich, muss ich sagen. Ich glaube, das ist natürlich eine Krise für die Sozialdemokratie, keine Frage. Aber jede Krise ist auch eine Chance und eine Chance dafür nämlich, dass man Dinge wirklich anpackt und zum Positiven verändert.

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