Surrealer Point&Click-Cartoon
Von Rainer Sigl
Mr. Coo ist ein kleines gelbes Cartoon-Männchen mit großer Nase. Er lebt in einer schrägen Welt: Hier gibt es riesige Küken, bizarre Maschinen und auch geheimnisvolle Figuren, die die vierte Wand zwischen Cartoon und Publikum durchbrechen. Immer wieder wird ihm in total überdrehten Slapstickeinlagen das Leben schwergemacht.
Nach einem kurzen Prolog geschieht dem kleinen Zeichentrickhelden ein Malheur, das nur in einer Welt wie dieser Ausgangspunkt eines wahnwitzigen Abenteuers sein kann: Mr. Coo wird einfach in drei Teile zerhackt. Wir sollen ihm dabei helfen, seinen Kopf, Rumpf und Beine zu suchen und wieder zusammenzufügen - einfacher gesagt als getan im Game „The Many Pieces of Mr Coo“.
Ein Cartoon zum Spielen
Der spanische Trickfilmemacher Nacho Rodríguez hat Mr. Coo schon in einigen Kurzfilmen zum Leben erweckt, jetzt widmet er ihm ein ganzes Point&Click-Adventure. Das ist herrlich surreal geraten: Hier ist alles wundersam verdreht, überraschend und gelegentlich auch ein wenig gruselig.
„The Many Pieces of Mr Coo“, entwickelt von Gammera Nest, vertrieben von Meridiem Games, ist für Windows erschienen.
Trotz seiner Ästhetik ist „The Many Pieces of Mr Coo“ nicht unbedingt ein Kinderspiel, sondern richtet sich in seinem surrealen Humor, seiner Erzählweise und seinen zum Teil recht elaborierten Rätseln eher an ein älteres Publikum.
Dabei ist vor allem Trial&Error angesagt: Wir steuern nicht den gelben Helden bzw. seine Einzelteile, sondern einen Cursor, durch Anklicken lösen wir Interaktionen aus. Dabei kommt es, wie in Amanita Designs’ spielerisch verwandtem Game „Chuchel“, auf die richtige Reihenfolge, aber immer wieder auch aufs richtige Timing an.

Gammera
Surreal und kurz
Als wirklich schräger, immer wieder überraschender Film funktioniert „The Many Pieces of Mr. Coo“ hervorragend - als Adventure-Game hapert es ein bisschen. Das beginnt bei der Steuerung, die hier leicht behäbig nur per Controller erfolgt - für ein Spiel, in dem wir einen Cursor steuern, etwas unpraktisch. Manche anklickbaren Hotspots springen nicht gerade ins Auge, und weil hier alles surreal ist, sind auch die Lösungen für manche Rätsel nicht wirklich logisch, im Gegenteil. Ein In-Game-Buch mit Hinweisen hilft weiter, wenn man festsitzt - leider nicht mit subtilen Tipps, sondern sehr detaillierten Handlungsanweisungen.
Nach knapp eineinhalb Stunden ist man auch schon wieder am Ende angelangt - ob der Indie-„Vollpreis“ von fast 20 Euro dafür gerechtfertigt ist, hängt vom Ausmaß der Bewunderung für das Werk eines wirklich großartigen Cartoon-Filememachers ab.
Trotzdem: Ein Spiel wie dieses sieht (und hört!) man nicht alle Tage. Wer sich an den genannten kleinen Makeln nicht stört, bekommt mit „The Many Pieces of Mr. Coo“ ein wunderschönes und ungewöhnliches Point&Click-Adventure mit jeder Menge WTF-Momenten.
Kleiner Nachtrag: Der Cartoonist Nacho Rodriguez selbst hat in einem Instagram-Post vor kurzem seine Unzufriedenheit mit manchen technischen Aspekten des Spiels öffentlich gemacht - ein trauriger Misston als Begleitmusik zu einem ziemlich einzigartigen Spiel.
Publiziert am 19.09.2023