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Haare, Mafia und Feminismus

Die finnische Bestsellerautorin Sofi Oksanen hat einen abgefahrenen Roman über ungewöhnlich schnell wachsende Haare und mafiöse Machenschaften rund um Extensions und Leihmutterschaft geschrieben.

von Barbara Köppel

Wie viele gute Mafiageschichten beginnt „Die Sache mit Norma“ mit einem Begräbnis. Normas Mutter Anita hat sich vor die U-Bahn gestürzt. Am Friedhof kondoliert der hinterbliebenen Tochter nun ein fremder Mann. Der Inhaber des Friseursalons, wie sich herausstellt, wo Anita wenige Monate vor ihrem Tod zu arbeiten begonnen hat.

"Die Sache mit Norma"

Kiepenheuer & Witsch

„Die Sache mit Norma“ von Sofi Oksanen ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen. Aus dem Finnischen von Stefan Moster.

Norma glaubt allerdings nicht an Selbstmord und versucht herauszufinden, was wirklich passiert ist. Dabei stößt sie auf irritierende Videobotschaften, historische Postkarten und versteckte Kartons am Dachboden. Als wäre das alles nicht schon schwer genug, ist Norma nun auch noch mit ihrem Geheimnis alleine.

Phantastischer Haarwuchs

„Es widersprach jeder Vernunft, eine Tochter zu haben, deren Haare innerhalb von vierundzwanzig Stunden mehr als einen Meter wuchsen.“, hört sie ihre Mutter posthum in einer Datei auf deren Notebook sagen.

Doch genau so ist es. Norma muss ihre Haare mehrmals täglich schneiden und obendrein haben sie ein Eigenleben. Sie reagieren nicht nur auf Normas eigene Gefühlsregungen, sondern auch auf die in ihrer unmittelbaren Umgebung. Norma kann die Angst, Aggressionen oder das Glück ihrer Mitmenschen riechen und sogar Essgewohnheiten, Krankheiten und Drogenkonsum wahrnehmen. Je nach Input winden sich ihre Haarsträhnen wie Schlangen, werden schwer oder lassen ihre Kopfhaut jucken. Ohne Turban und Schere geht Norma nicht aus dem Haus.

Trotz ihres ungewöhnlichen Sensoriums bleiben Norma die letzten Tage ihrer Mutter ein Rätsel: Warum hatte Anita einen Kredit bei einem Kriminellen aufgenommen? Woher kamen die ukrainischen Extensions, um die sich die Kundinnen im Salon rissen? Und welche Rolle spielt Normas Familiengeschichte und die dubiose Leihmutterschaftsagentur, für die ihre Friseurkollegin arbeitet?

Sofi Oksanen

Magnus Fröderberg/norden.org [CC BY 2.5 dk]

Magnus Fröderberg/norden.org [CC BY 2.5 dk], via Wikimedia Commons

Über die Autorin

Sofi Oksanen, geboren 1977, zählt zu den Stars in der finnischen Literaturszene. Ihr Roman „Fegefeuer“ (2008) über Zwangsprostitution und sowjetische Kriegsverbrechen wurde zum internationalen Erfolg und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Ihr Werk befasst sich hauptsächlich mit Frauenschicksalen, sozialen und politischen Ungerechtigkeiten und den historischen Verwicklungen zwischen Finnland, Estland und Russland.

Feministischer Subtext

„Die Sache mit Norma“ erzählt eine abgefahrene Story, die stilmäßig irgendwo zwischen den Sopranos und magischem Realismus angesiedelt ist. Wie gewohnt bei Sofi Oksanen fehlt auch der feministische Subtext nicht. Denn letztendlich geht es in allen Erzählsträngen um die Ausbeutung von Frauen.

„Heute haben wir Frauen die gleichen Rechte, die gleichen Möglichkeiten wie die Männer und streichen trotzdem keine Gewinne ein. Wir liefern nur das Material für die verschiedenen Zweige des Schönheitsgewerbes, wir geben unsere Arbeitskraft, unser Gesicht, unsere Haare, unsere Gebärmutter, unsere Brüste und nach wie vor stecken sich Männer die Scheine, die sie dafür bekommen, in die eigenen Taschen. Sie führen, sie besitzen oder kaufen sofort jedes Unternehmen, das auch nur den geringsten Erfolg aufweist.“

Wem ein paar schaurige Phantastereien in einem ansonsten straighten Krimi nichts ausmachen, wird „Die Sache mit Norma“ sicher mögen.

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