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Die vier Hauptdarstellerinnen der Serie "Girls"

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Was wir vor „Girls“ so noch nicht im Fernsehen gesehen haben

„Girls“ ist eine Serie über vier Twentysomethings in Brooklyn und ihr Erwachsenwerden. Ichbezogenen Millenials zum Fremdschämen finden die einen, bahnbrechende feministische Serie die anderen. Über das Ende eines vieldiskutierten Stücks Fernsehgeschichte.

von Irmi Wutscher

Vor fünf Jahren hat Lena Dunham mit „Girls“ die TV-Landschaft aufgemischt. Jetzt ist die vielbeachtete und viel kritisierte Serie zu Ende gegangen. Letzten Sonntag gab es die letzte Folge „Girls“ auf HBO. Von Anfang an war die Sendung mit Superlativen besetzt: Dunham war eine Art Fernsehwunderkind. Mit Anfang 20 eine ganze Serie alleine zu schreiben und auch teilweise drehen zu dürfen und dazu noch die Hauptrolle zu übernehmen, war schon sensationell.

„Girls“ wurde immer als legitime Erbin von „Sex and the City“ angepriesen. Lena Dunham hat das selbst so gesehen, schon in der allerersten Folge wird sich unter dem Poster mit Carrie und Co. verglichen. Während die Frauen von „Sex And The City“ aber das Leben schon im Griff haben, sollte „Girls“ das Davor zeigen: Es geht um vier weiße Frauen in ihren Zwanzigern in New York und ganz grob gesagt ums Erwachsen-Werden.

Fragen wie: Wie bekommt man den ersten Job? Aber auch: Wie kann man sich eingestehen, dass der ersehnte Traumjob oder das Traumstudium doch nicht das richtige war? Es geht um komischen und unbeholfenen Sex, um Beziehungen, wo man nicht so genau weiß, was man eigentlich will. Um Frauenfreundschaften, die nicht immer einfach und oft mit Streit behaftet sind. Lauter Dinge eben, die eine als Zwanzigjährige – man muss aber auch sagen weiße, Mittelklasse-Frau so beschäftigen.

Szenenbilder aus der sechsten Staffel "Girls"

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Unsympathisch und Ichbezogen

Allerdings bezweifle ich, dass Mädchen nach dem Ende von „Girls“ zueinander sagen. „Oh ich bin so eine Hannah“ oder „Jetzt kommt wieder meine Marnie raus“. Weil im Gegensatz zu den schicken „Sex and the City“-Frauen, sind die „Girls“-Charaktere nicht besonders sympathisch. Sie sind narzisstisch, ichbezogen und teilweise rücksichtslos bis manipulativ. Die Figuren treffen auch gerne grundsätzlich die dümmsten Entscheidungen und man windet sich dann als Zuschauerin und denkt „Geh bitte“ – wobei das durchaus beabsichtigt ist.

Über Lena Dunhams Memoiren

„Not that Kind of Girl“

Der Serie wird vorgeworfen, sie nehme die Selbstverwirklichungsprobleme der Protagonist_innen so ernst, als gehe es um Leben und Tod und nicht um so genannte First World Problems. Einerseits ja, klar. Lena Dunham, die Erfinderin und eine der Hauptschreiberinnen der Serie, deckt sich stark mit der Hauptperson Hannah. In Interviews sagt sie, sie nehme ihre ungeliebtesten Seiten und Charaktereigenschaften und entwickle daraus die Figuren in „Girls“. Genau damit, ist Lena Dunham eigentlich ein gutes Portrait der Millenials – wenn man die als eine Generation sehen will - gelungen.

Szenenbilder aus der sechsten Staffel "Girls"

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Weiße Hipster aus Brooklyn

Da kommt aber schon der zweite sehr große Kritikpunkt ins Spiel: es kommen keine People Of Colour, keine Latinas etc. vor. Damit ist dieses „Einfangen der Generation Millenials“ für viele vollkommen daneben, weil es eben wieder nur einen sehr kleinen, gebildeten, eh schon viel portraitierten Typus beschreibt: Hipster Twentysomethings in Brooklyn. Es kommen zwar ab Staffel zwei immer wieder People Of Color vor – bleiben aber immer nur in Nebenrollen.

Ist bei „How I met your mother“ und sonstigen erfolgreichen Sitcoms auch nicht anders. Nur warum wird dann Lena Dunham durch die Foren geprügelt und die Erfinder von HIMYM nicht?

Rütteln am gängigen Körperbild

„Girls“ ist explizit feministisch und das ganz stark auf einer Ebene der Körper, die hier gezeigt werden. Dunham ist - wie sie selbst immer wieder als Hannah sagt – übergewichtig. In Wirklichkeit heißt das, sie hat wahrscheinlich Kleider-Größe 40. Und trotzdem ist sie nicht der fade, blasse Sidekick des schönen, beliebten Mädchens, sondern die Hauptfigur.

Szenenbilder aus der sechsten Staffel "Girls"

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Und nein, sie trägt keine Zelte in beige oder grau, sondern Hannah Horvath spielt mit ihrer Figur, sie zieht Großstadt-Hipster-Mode an – gerne auch knapp (angeblich absichtlich immer eine Nummer zu klein) oder kurz geschnitten. Abgesehen davon sieht man sie auch nackt, und zwar gerne so unvorteilhaft inszeniert, dass es fast schon weh tut. Auch das mit Sicherheit Absicht. Und dann zeigt man in „Girls“ gerne Vulven – und zwar mit Schambehaarung! All das ist noch immer unerhört im Fernsehen und hat, obwohl es die 2010er Jahre sind, viele Hater auf den Plan gerufen.

Feministische Konfrontationen

Auch sonst scheut die Serie feministische Konfrontationen nicht. In der letzten Staffel gibt es eine wahnsinnig gute Folge mit dem Titel „American Bitch“. Da wird Serien-Hauptfigur Hannah von einem Schriftsteller zu sich eingeladen, weil sie einen Blogbeitrag über seine sexuellen Übergriffe geschrieben hat. Das Ganze ist ein intensives Kammerspiel, Lena Dunham scheint alle Konfrontationen mit ihren Trollen hier noch einmal durchzuspielen, lässt alle Argumente und Gegenargumente aufeinander krachen. Dabei wird die Argumentation in solchen Diskussionen schön beobachtet und persifliert. Zum Beispiel lobt der Schriftsteller Hannah die ganze Zeit, um dann sofort zum nächsten Untergriff auszuholen. Eine der besten „Girls“-Folgen überhaupt.

Szenenbilder aus der sechsten Staffel "Girls"

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Schlussendlich kann man das, was immer als negativ gewertet wird, auch positiv sehen: Die Leute regen sich wahnsinnig auf, dass die Figuren so ichbezogen und rücksichtslos sind. Aber gerade das ist doch etwas, das Frauen nie sein dürfen. Über Hank Moody in „Califonication“ hat sich nie jemand ob seiner Rücksichtslosigkeit empört – da war das einfach Teil des Charakters.

Warten aufs Revival?

Jetzt ist „Girls“ mit der 6. Staffel zu Ende gegangen. Pläne, was Lena Dunham danach machen wird, sind keine bekannt. Die große Hollywood-Karriere wird es wohl nicht – auch selbst gewollt von Dunham. Still wird es mit Sicherheit nicht um sie.

Und wer weiß, bei einer der nächsten Retrowellen in 15 – 20 Jahren wird es ja vielleicht Remakes oder Fortsetzungen der „Girls“ geben. Wie es weitergehen könnte, haben sich Lena Dunham und Co. für die Jimmy Kimmels Late Night Talk Show ausgedacht: sie haben „Girls“ als „Golden Girls“ weiter gedacht:

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